LWL-Newsroom

Mitteilung vom 14.10.11

Presse-Infos | Kultur

Handel, Hochzeitsanbahnung und Unterhaltung

Volkskundler des LWL auf den Spuren von Kirmes und Jahrmarkttreiben

Bewertung:

Westfalen (lwl). Schiffschaukel, Kaspertheater, Hau den Lukas, Schießbuden, Glücksräder, Los- und Würfelbuden und die Starken Männer: Sie alle waren Attraktionen auf einer Kirmes, die auch gerne Messe, Volksfest, Kerwe oder Jahrmarkt genannt wird. Diese Märkte haben bis heute große Anziehungskraft: Laut Statistiken des Deutschen Schausteller Bundes haben sie mehr Besucher als Bäder, Kinos oder Theater. Volkskundler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben die Entwicklung des bunten Jahrmarkttreibens unter die wissenschaftliche Lupe genommen.

Heutzutage sind vieler der eher historisch anmutenden Buden und Attraktionen durch technische Attraktionen mit lauten Sirenen und grellen, Lichtern ersetzt worden. Dennoch gehören klassische Buden immer noch zum Bild einer modernen Kirmes. ¿Ebenso charakteristisch sind die vielen angebotenen Speisen. Auch oder gerade wegen dieser Vielfalt sind die Jahrmärkte heute immer noch sehr beliebt¿, so Daniel Manner, Volkskundler beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Vor allem um mit verschiedenen Waren zu handeln, waren mehrtägige Märkte ursprünglich aus dem dörflichen oder städtischen Leben nicht wegzudenken. Jahrmarkt nannte man sie, weil sie nur einmal jährlich stattfanden, oder Kirmes und Kirchweih, weil ein kirchlicher Feiertag, eine Kirchmesse oder ein hohes Kirchenfest den äußeren Anlass bildete. ¿Der kirchliche Anlass in Verbindung mit einem Markt brachte Händler und Gläubige aus einem großen Umkreis zusammen. Diese Märkte wurden zu einer festen Größe im Jahreskalender der Städte, da sie den Menschen eine Abwechslung von ihrem Alltagsleben boten¿, erläutert Manner. ¿Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Märkte wurde zunehmend wichtig und lies den kirchlichen Anlass in den Hintergrund rücken. Auch die Einführung des Marktrechtes und die damit verbundenen Veränderungen des Handels unterstützten diese Entwicklung.¿

Da die Menschen nicht so mobil waren und die Wege von Stadt zu Stadt weit waren, erfüllten Jahrmärkte seit dem Mittelalter eine weitere soziale Funktion: Denn ähnlich wie bei den Schützenfesten kamen viele junge heiratswillige Menschen in einer Stadt zusammen. ¿Die Märkte wurden durchaus auch dazu genutzt, einen Ehepartner zu finden, der außerhalb der eigenen Dorfgemeinde wohnte¿, verrät Manner.

Bekannte Jahrmärkte in Westfalen
Über den Dortmunder Jahrmarkt im Jahr 1910 heißt es in einem Bericht aus dem Archiv der Volkskundlichen Kommission: ¿Es war für uns Jungen immer etwas besonderes, wenn die Fahrgeschäfte aufgebaut wurden. Das Karussell von einem Pferd gezogen, wurde bald durch das Dampfkarussell abgelöst. Ebenso eine Tunnelbahn und eine Berg-und Tal-Bahn. Man konnte sicher sein, wenn durch Technik etwas neues heraus kam, dann immer erst auf dem Rummelplatz, z.B. die Achterbahn¿.

In Westfalen besonders bekannt ist die Cranger Kirmes im Herner Stadtteil Crange. Aus einem Pferdemarkt im 15. Jahrhundert, der um den Laurentiustag herum abgehalten wurde, entwickelte sich im Laufe der Zeit das größte Volksfest in Nordrhein-Westfalen. In der nunmehr 576. Auflage zog das Volksfest rund 4 Millionen Besucher an.

Ebenfalls bekannt ist die Soester Allerheiligenkirmes, die 1338 erstmals erwähnt wurde und heute Europas größte Altstadtkirmes ist. Die Allerheiligenkirmes ging einher mit der Einweihung der St. Petri Kirche in Soest. Gefeiert wurde und wird einmal pro Jahr im November, vom ersten Mittwoch nach Allerheiligen bis zum darauffolgenden Sonntag.

Im Westmünsterland ist der Düstermühlenmarkt nicht aus dem Veranstaltungskalender wegzudenken. Es handelt sich dabei um einen einmal jährlich stattfindenden Vieh- und Krammarkt in Legden/Wehr (Kreis Borken). Der Markt bietet neben Pferde- und Kleintiermarkt, eine Agrar- und Technikausstellung und steht was Buden und Unterhaltungsgeschäfte angeht, anderen Märkten in nichts nach. Ebenso bekannt ist der Send in Münster. Im Gegensatz zu Cranger Kirmes, Soester Allerheiligenkirmes und Düstermühlenmarkt, findet der Send dreimal pro Jahr statt. Der Send hat jährlich rund eine Million Besucher und ist damit das größte Volksfest im Münsterland. Der Begriff ¿Send¿ ist von Synode abgeleitet, eine Versammlung der wichtigen Geistlichen, die seit dem 9. Jahrhundert zweimal jährlich abgehalten wurde. Später schloss sich an die Synode ein Markt an, der durch einen besonderen Marktfrieden und bessere Handelsbedingungen charakterisiert war. Dieser Marktfrieden, der den geltenden Stadtfrieden für die Dauer des Marktes intensivierte, verlieh den Menschen auf dem Markt ein Gefühl von Sicherheit. Daher strömten viele Menschen aus den umliegenden Gegenden nach Münster um zu handeln.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen
Scharnhorststr. 100
48151 Münster
Karte und Routenplaner



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos