LWL-Newsroom

Mitteilung vom 12.05.11

Presse-Infos | Kultur

Bickeln, Schwirrer und Dopps: LWL-Wanderausstellung

¿Wer macht mit ...?¿ zeigt alte Kinderspiele aus Westfalen

Bewertung:

Gescher (lwl). Wenn Museen Kinderspielzeug zeigen, stehen meist wertvolle Puppenstuben, schöne Schaukelpferde oder aufwändige Miniatur-Dampfmaschinen im Mittelpunkt. Das alles konnten sich nur wohlhabende Familien leisten. Doch wie haben früher die Kinder ¿einfacher¿ Leute gespielt? Dieser Frage geht die Wanderausstellung ¿Wer macht mit...?¿ nach. Über 100 Exponate und viele Spielbeschreibungen zeigen, wie sich Kinder früher die Zeit vertrieben haben. Die Ausstellung ist in der Zeit vom 15. Mai bis zum 3. Juli im Alten Kutschenmuseum Gescher (Kreis Borken) zu sehen, danach geht sie auf Wanderschaft durch sieben weitere westfälische Museen.

¿Noch vor wenigen Jahrzehnten hörte man im Freien überall Kindergeschrei. Die Kinder waren ständig draußen, auf dem Hof, dem Spielplatz, dem Rasen zwischen den Mietshäusern, auf der Straße oder in Feld und Flur. Das lag daran, dass die Familien früher viel mehr Kinder aber weniger Platz in den oft beengten Wohnungen hatten. Wir wollen in der Ausstellung vor allem zeigen, wie Kinder von ärmeren Arbeitern, Handwerkern und Bauern früher gespielt haben¿, beschreibt Ausstellungsmacher Ulrich Neseker das Konzept der Ausstellung. Die meisten der ausgestellten Spielgeräte seien selbstgemacht, gekauft worden seien nur sehr preiswerte Spielsachen. Größeres Spielzeug wie Puppenstuben, aber auch Gesellschaftsspiele, hätten Erwachsene für ihre Kinder oft selbst hergestellt. Für viele Spiele nutzten die Kinder nutzten häufig Gegenstände des Alltags, aus denen sie selbst Spielgeräte her-stellten. Das Material dazu stammte oft aus der Natur, vom Abfall, aus Kellern oder von Dachböden, so der Museumspädagoge weiter.

Das gilt zum Beispiel für das heute nur noch wenig bekannte ¿Bickeln¿. Dieses Geschicklichkeitsspiel war bis in die 1950er Jahre vor allem bei den Mädchen beliebt. Dabei mussten die Spielerinnen Fußgelenk-Knochen von Schafen oder Ziegen nach festgelegten Regeln aufheben, wenden oder auf eine bestimmte Seite legen. Dafür hatten sie nur so lange Zeit, wie der Ball in der Luft war, den sie zuvor hochgeworfen hatten.

Solche Spielknochen oder -steine haben sich selten erhalten. Da sie keinen materiellen Wert haben, wurden sie meist weggeworfen, wenn niemand mehr mit ihnen gespielt hat. ¿Spielzeuge aus Holz wie selbstgebaute Schlitten oder Schiffchen wurden oft als Brennholz genutzt, wenn sie defekt waren oder nicht mehr gebraucht wurden. Hier bewahrheitet sich die Aussage ¿Armut hinterlässt wenig Spuren`¿, so Neseker.

Die Kinder aus unteren Schichten hatten früher nicht so viel Zeit, mit ihren selbstgebauten Puppenstu-ben, Booten, Stelzen oder Murmeln zu spielen. Denn Kindheit sah vor einigen Jahrzehnten noch ganz anders aus: Auf dem Land war es selbstverständlich, dass die Kinder nach der Schule auf dem Hof mitarbeiteten. Aber auch viele Stadtkinder mussten bei der Heimarbeit helfen oder selbst Geld verdienen.


Hatten die Kinder Zeit, boten sich ihnen ganz andere Möglichkeiten zu spielen. Da es bis zur Wirtschaftswunderzeit kaum Autos gab, konnten sie vor allem im Frühjahr und Sommer gefahrlos auf der Straße spielen. Hier traf man sich mit vielen Freunden zum Gummitwist, ¿Seilchenspringen¿, Murmeln oder Verstecken spielen. Im Herbst bauten die Kinder gerne Drachen und ließen sie steigen, im Winter ging es mit selbstgebauten Schlitten und Schlittschuhen in den Schnee. Nur bei ganz schlechtem Wetter wurde drinnen gespielt. Besonders beliebt war dann das Verkleiden. Welcher Junge wollte nicht Ritter oder Indianer sein, welches Mädchen nicht als Braut oder edle Dame auftre-ten.

Vor allem Spiele, für die man kein Spielzeug benötigte, waren weit verbreitet, wie etwa Fang- und Versteckspiele. Der Titel der Ausstellung leitet sich von einem dieser Spiele ab. Die Kinder im Mün-sterland zogen früher durch die Nachbarschaft und riefen laut: ¿Wer macht mit, Räuber und Schandit¿, wobei mit dem Schandit der Gendarm gemeint war.

Es gibt in Westfalen hunderte dieser Spiele. Einige sind nur in bestimmten Regionen bekannt, andere werden in der ganzen Welt gespielt. Auch die Namen der Spiele und deren Spielregeln sind oft schon im Nachbardorf verschieden. Es gibt in der Ausstellung deshalb nur eine Auswahl an Spielen, die die Besucher zum Teil ausprobieren können. Die meisten werden auch heute noch gespielt, andere sind inzwischen in Vergessenheit geraten.

Dass sogar Gesellschaftsspiele in Eigenarbeit hergestellt wurden zeigt unter anderem ein selbst gezeichnetes Monopoly-Spiel aus der Zeit um 1950 sowie aus Schiefer hergestellte Mühlesteine aus der Stadtarchäologie in Soest. Ein etwa 1000 Jahre alter Würfel aus Knochen ist das wohl älteste Exponat. Für den Bereich ¿Vom Vater gebaut¿ stehen unter anderem ein Puppenhaus mit zahlreichem Zubehör sowie ein Modell eines Hühnerhauses mit Tieren aus der Nachkriegszeit.


Eine Besonderheit dieser Ausstellung ist, dass man einige der Spiele während des Besuches ausprobieren kann. So kann man etwa einen Schwirrer brummen lassen, mit Murmeln spielen oder selbst einen Kreisel herstellen.

Über museumspädagogische Angebote informieren die Museen der Stadt Gescher unter der Telefon-nummer 02542-7144.



¿Wer macht mit...?¿
Alte Kinderspiele aus Westfalen

Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen
Armlandstraße 48 in 48712 Gescher
15. Mai bis 3. Juli 2011
geöffnet: dienstags bis samstags 15 bis 17 Uhr, sonntags 10 bis 17 Uhr

Weitere Stationen:

Stadtmuseum Iserlohn
10. Juli bis 28. August 2011

Südsauerlandmuseum Attendorn
4. September bis 30. Oktober 2011

Museum der Stadt Bad Berleburg
3. November 2011 bis 15. Januar 2012

Deutsches Märchen- und Wesersagenmuseum
Bad Oeynhausen
22. Januar bis 25. März 2012

Medizin- und Apothekenmuseum Rhede
1. April bis 28. Mai 2012

Stadtmuseum Münster
3. Juni bis 29. Juli 2012

Museen der Stadt Lüdenscheid
5. August bis 16. September 2012



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Museumsamt für Westfalen
Salzstraße 38 (Erbdrostenhof)
48133 Münster
Karte und Routenplaner



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos