Mitteilung vom 20.12.10
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Wer bringt die Weihnachtsgeschenke?
LWL-Volkskundler auf der Spur der Geschenkebringer: Santa Claus hat deutsche Wurzeln
Westfalen (lwl). Wer bringt Weihnachten die Geschenke? Einer großen volkskundlichen Umfrage von 1930 zufolge teilten sich vor 80 Jahren Christkind und Weihnachtsmann noch die Arbeit des Geschenkebringens. Während das Christkind vor allem für West-, Südwest-, Süddeutschland und Schlesien zuständig war, schleppte der Weihnachtsmann seinen Gabensack durch ganz Mittel-, Nord- und Ostdeutschland. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Popularität des Weihnachtsmannes jedoch merklich gesteigert, während die recht alte Figur des Christkindes ein wenig in Vergessenheit zu geraten scheint.
Bereits Martin Luther kannte die Figur des Christkindes. Seine Gestalt verdankt es wohl einem engelsgleichen Wesen, das schon vor der Reformationszeit ausgestattet mit Schleier, Krone und Engelsflügeln bei Weihnachtsumzügen die Engelschar anführte. Der Weihnachtsmann ist eine wesentlich jüngere Erscheinung: Er gesellte sich erst im 19. Jahrhundert zu Nikolaus und Christkind hinzu. In seiner Gestalt vereinen sich Eigenschaften des Nikolaus und des Knechts Ruprecht, von dem er Pelzrock, Kapuze, Stiefel, Sack und Rute entlieh.
¿Der Weihnachtsmann tritt meist als eine Art Vaterfigur mit nahezu unantastbarer Autorität auf. Mit seinem wallenden Bart erinnert er die Kinder an den gütigen aber auch strengen Gottvater. Er bietet der bürgerlichen Pädagogik die Möglichkeit, Kinder für ihr Verhalten zu belohnen oder zu bestrafen¿, erklärt Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
In dem Maße, in dem die pädagogische Seite des Weihnachtsmannes in den Vordergrund rückte, verloren die religiösen Züge, dieser an den Nikolaus angelehnten Gestalt, an Bedeutung. Die erste Darstellung des Weihnachtsmannes stammt übrigens von Moritz von Schwind, der 1848 einen ¿Herrn Winter¿ kreierte, der als alter Mann in der Christnacht von Tür zu Tür geht und schaut, ob man ihm nicht öffnet und von ihm einen geschmückten Weihnachtsbaum als Geschenk annimmt. Auch der dicke Santa Claus stammt keinesfalls von Coca Cola, sondern von dem deutschstämmigen Zeichner Thomas Nast aus den USA. Er hatte seinen Weihnachtsmann, der an den pfälzischen Pelznickel erinnert, bereits 1881 für Harper`s Weekly gezeichnet.
¿Bei aller Unterschiedlichkeit haben Nikolaus, Christkind und Weihnachtsmann aber eines gemeinsam: Sie treten an die Stelle der wirklichen Schenkenden und entbinden die Beschenkten von der Pflicht eines Gegengeschenkes¿, so Cantauw.
Und was hatten Nikolaus, Weihnachtsmann und Christkind über die Jahrhunderte so auf ihrem Schlitten oder in ihrem Sack? ¿Während Adelige oder reiche Bürgerfamilien sich exklusive Geschenke für ihre Kinder leisteten, gingen die Kinder der armen Leute oft nahezu leer aus. Trommeln, Püppchen, Steckenpferde, Bücher und Naschzeug fanden sich auf den Gabentischen der Reichen, wie die Einkaufsliste eines Oberstleutnants von 1641 belegt¿, zählt Cantauw auf. ¿Auch Annette von Droste Hülshoff kaufte 1845 unter anderem goldene Ohrringe, bunte Halstücher, Puppen und ein Schachspiel, um sie zu Weihnachten zu verschenken. Bei Arbeitern, Bauern oder kleinen Gewerbetreibenden mussten sich die Kinder dahingegen mit selbstgestrickten Handschuhen, einem Gebildbrot [=Backwaren in Gestalt von Menschen, Tieren oder Symbolen] oder selbstgemachtem Holzspielzeug begnügen.¿
Bis in die Wirtschaftswunderzeit der 1950er Jahre und darüber hinaus hatten diese deutlichen Unterschiede Bestand. ¿Und wer glaubt, die Kinder eines Spielwarengeschäftsbesitzers hätten es besonders gut gehabt, der sieht sich auch hier getäuscht. Alles, was sich verkaufen ließ, wurde auch verkauft und die eigenen Kinder erhielten dann die Ladenhüter ¿ das war auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch gängige Praxis¿, berichtet Cantauw.
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