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Mitteilung vom 01.12.08

Presse-Infos | Maßregelvollzug

LWL-Themenvorschlag: Mit Arbeit an sich arbeiten

Forensik-Patienten im LWL-Zentrum Lippstadt trainieren für die Zeit danach

Lippstadt-Eickelborn/Münster (lwl). Zum dritten Mal schaut sich Klaus F. die Kiefernplatte prüfend an. Erst dann legt er sie unter den Bandschleifer, drückt auf den Startknopf. Das rotierende Schleifband fährt unter den wachsamen Augen des großgewachsenen Mannes über das Brett, bis er zufrieden ist. ¿Jetzt passt es¿, sagt er und streicht noch einmal mit der Hand über das leicht angeraute Holz. Ein weiteres Teilstück des kleinen Eckregals ist fertig.

Klaus F. (Name geändert d. Red.) ist Tischler. Er arbeitet in einer Schreinerei an professionellen Maschinen Aufträge ab. Das klingt nach einem normalen Job ¿ wenn man nicht aus dem Fenster der Werkstatt die fünfeinhalb Meter hohen Zäune sehen würde. Der blonde 37-Jährige ist ein verurteilter Gewalttäter mit einer schweren Persönlichkeitsstörung; sein Arbeitsplatz ist die Tischlerei des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn (Kreis Soest).

Klare Ziele
Wie Klaus F. arbeiten täglich bis zu 160 Patienten auf 85 Arbeitsplätzen bis zu fünfeinhalb Stunden in der Arbeitstherapie, die in Lippstadt seit Juni 2007 in einem neuen Gebäude zusammengefasst ist ¿ mitten im umzäunten Klinikgelände.

¿Je nach Krankheitsbild, Fähigkeiten und Therapiezielen sind die Patienten zum Beispiel in der Tischlerei, der Metallwerkstatt oder der Druckerei beschäftigt¿, erklärt Peter Kaufmann, Leiter der Arbeitstherapie, zu der 24 LWL-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter gehören. Die psychisch kranken, persönlichkeitsgestörten oder intelligenzgeminderten Rechtsbrecher sind beileibe nicht nur zum Zeitvertreib in den Werkstätten.

¿Die Ziele der Arbeitstherapie sind klar definiert: Die Patienten sollen Selbstvertrauen bekommen, Verantwortung übernehmen, was gerade bei Untergebrachten mit Persönlichkeitsstörungen sehr schwierig ist, im Team kooperieren und ihre Belastbarkeit, Konzentration und Anpassungsfähigkeit verbessern¿, macht der 56-Jährige klar, der seine Klientel nach individuellen Fähigkeiten einteilt. ¿Die Arbeitstherapie trägt dazu bei, dass die Patienten nach ihrem Klinikaufenthalt im Alltag zu-rechtkommen können und straffrei bleiben.¿

Reale Aufträge
Die Produkte, die entstehen, dienen aber nicht nur Therapiezwecken. ¿Wir haben reale Aufträge: Die Druckerei produziert zum Beispiel Broschüren für andere LWL-Kliniken. In der Tischlerei fertigen wir Stühle, Bettgestelle oder Schränke für externe Auftraggeber.¿ Eine Sonderstellung nimmt seit Bestehen des Forensischen Zentrums die industrielle Produktion ein. Etwa 40 Patienten montieren dort Scheinwerfer für einen großen Automobilzulieferer aus der Region. ¿Dort haben wir eine ganz andere Verantwortung, weil wir an teuren Produkten arbeiten. Qualität und Arbeitstempo müssen auf dem freien Markt bestehen¿, erläutert Kaufmann, dessen Kolleginnen und Kollegen hier auch von Beschäftigten des Unternehmens unterstützt werden.

Die Klinik bildet auch aus: ¿Bei uns haben mittlerweile zwei Patienten eine Tischlerlehre gemacht¿, berichtet Bernd Steinhoff stolz, der im LWL-Team gerade sein Anerkennungsjahr als Arbeitserzieher macht. ¿Zwei weitere stehen kurz vor ihrem Ausbildungsbeginn¿, erklärt der 33-Jährige, der selbst auch gelernter Tischlermeister ist. ¿Für die Azubis kommen die Berufsschullehrer in die Klinik, die Prüfungen werden ebenfalls hier von der Handwerkskammer abgenommen.¿ Für Steinhoff, der vor seiner LWL-Zeit in einem Handwerksbetrieb gearbeitet hat, rücken die Krankheiten und die Taten der Patienten im Arbeitsalltag in den Hintergrund, berichtet er. Dass die Sicherheit aber auch in der Arbeitstherapie an erster Stelle steht, sieht man zum Beispiel daran, dass er wie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Personensicherungsgerät am Gürtel trägt.

Sinnvolles tun
Alle Werkzeuge, die als Waffen mißbraucht werden könnten, sind darüber hinaus mit Vorhängeschlössern gesichert. ¿Wir wissen immer, welcher Patient gerade womit arbeitet¿, sagt Steinhoff. Wenn ein Hammer, eine Feile oder ein Schraubendreher nach der Arbeitszeit nicht mehr auftauchen sollten, dürfen die Patienten so lange nicht zurück auf die Station, bis das entsprechende Werkzeug wiedergefunden ist. ¿Passiert ist bis jetzt zum Glück noch nichts¿, berichtet Peter Kaufmann. ¿Die Patienten würden sich auch selbst schaden, weil sie dann für einige Zeit nicht mehr in die Arbeitstherapie dürften, die für viele sehr wichtig ist.¿

So wie für Klaus F., der in der Zwischenzeit das letzte Brett für das Regal bearbeitet hat. Er nimmt einen Schluck Kaffee, schaut kurz aus dem Fenster. Dann tunkt er den Pinsel in den Leimtopf, um zwei Hölzer zu verbinden. Ihm macht seine Arbeit Spaß, sagt er. Er hat Erfolgserlebnisse, wenn ein Möbelstück fertig ist. Und vor allem ist er beschäftigt. ¿Durch die Arbeit vergeht die Zeit schneller und man hat das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.¿

Zum Thema:
Das LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn ist die größte der fünf Kliniken, mit denen der LWL die Sicherung und Therapie psychisch kranker und suchtkranker Straftäter im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung leistet. In Lippstadt, in den Kliniken in Dortmund, Marsberg, Stemwede-Haldem und in der Übergangseinrichtung in Rheine werden momentan rund 900 Patientinnen und Patienten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und mit modernen Therapien im Maßregelvollzug behandelt.

Mehr Infos: http://www.lwl-massregelvollzug.de



Pressekontakt:
Karl G. Donath, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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