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Mitteilung vom 24.11.08

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Zweiter Jakobsweg für Westfalen wird über Hellweg führen

Ausschilderung und Führer 2010

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Dortmund (lwl). In Westfalen wird es ab Frühjahr 2010 einen zweiten durchgehenden Weg der Jakobspilger nach historischem Vorbild geben. Nach der Strecke von Osnabrück nach Wuppertal soll nun der alte Hellweg von Höxter über Paderborn, Soest und Dortmund nach Bochum zunächst wissenschaftlich erforscht und dann als rund 200 Kilometer langer Pilgerweg ausgeschildert werden, wie der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Wolfgang Kirsch, am Montag (24.11.) in Dortmund am Rande einer Informationsveranstaltung sagte.
Kirsch kündigte außerdem für das Frühjahr 2010 einen Wanderführer der Ost-West-Verbindung an (zirka 13 Euro, auch für Radwanderer). Der Führer werde den historischen Weg, die über 1.000 Jahre alte Tradition der Pilgerreise nach Santiago de Compostela (Spanien) und die Sehenswürdigkeiten entlang der Trasse in Westfalen beschreiben.
Der Wanderweg ist das Ergebnis der Forschungen der Altertumskommission für Westfalen, die der LWL finanziert. Die Kosten für das Projekt Pilgerwege lägen bei rund 300.000 Euro, so Kirsch. Weitere 300.000 Euro stünden für die nächsten Strecken in Aussicht.

Die Trasse
Die Trasse von Höxter nach Bochum (vom Startpunkt Kloster Corvey über Höxter, Brakel, Bad Driburg, Paderborn, Salzkotten, Geseke, Erwitte, Soest, Werl, Unna, Dortmund) werde jetzt den Gemeinden vor Ort vorgestellt und bis zum Frühjahr 2010 mit der charakteristischen Jakobsmuschel (europaweit gelb auf blauem Grund) ausgeschildert, erläuterte Projektleiterin Ulrike Spichal. In Bochum wird der Landschaftsverband Rheinland (LVR) die Pilgerroute über Essen, Düsseldorf und Neuss nach Aachen weiterführen.

Der entstehende Pilgerweg ist nach Angaben von Spichal weitgehend an historisch belegte Wegführungen angelehnt. Spichal: "Wir haben Reste von Hohlwegen gefunden, die sich durch die schweren Fuhrwerke ins Gelände eingegraben hatten und können uns auf einzelne Ausgrabungsergebnisse der Hellwegtrasse stützen, so zum Beispiel im Bereich Paderborn-Balhorn und Dortmund¿. Auch die Wachtürme an den Landwehrdurchlässen zum Beispiel in Paderborn und Erwitte (Lohner Warte) sind Zeugnisse der alten Wegetrasse.

Dass auch tatsächlich Pilger den Hellweg benutzten zeigen zahlreiche Verlustfunde von Pilgerzeichen, nicht nur Jakobsmuscheln, sondern auch Zeichen anderer Wallfahrtsorte, die z.T. auf dem Weg nach Santiago lagen. In der Probsteikirche zu Werl fanden sich gleich drei Pilgergräber, die durch die Jakobsmuschel erkennbar waren.

Auch Hinweise auf Unterkünfte für mittelalterliche Pilger fanden sich in einigen Hellwegstädten: In dem noch heute bestehenden Pilgrim-Haus in Soest zum Beispiel, das direkt am Jakobitor mit gleichnamiger Kapelle lag, fanden Pilger bereits seit 1309 Unterkunft. Auch in Dortmund, dem Kreuzungspunkt des Hellweges mit der Nord-Süd-Strecke, befand sich seit dem 14. Jahrhundert ein Gasthaus, das sich der Unterbringung armer Pilger angenommen hat.

Überregional bedeutende Kultstätten konnten die Wegewahl mittelalterlicher Pilger durchaus beeinflussen. So werden zum Beispiel die Reliquien des heiligen Vitus in Corvey sowie die des heiligen Liborius in Paderborn durchaus auch Jakobspilger angezogen haben. Ankunft in Santiago und Rückkehr nach Hause waren bei den damaligen Verhältnissen durchaus nicht gewährleistet, so dass es wichtig war, auf dem Weg immer wieder für einen guten Verlauf des weiteren Weges zu beten.

Die nächsten Strecken
Zwei weitere Strecken in Westfalen - von Minden über Herford und Bielefeld nach Lippstadt (2011/12) und von Warendorf über Münster und Coesfeld an den Niederrhein (2013/14) - sind die nächsten Projekte der LWL-Altertumskommission, so ihr Vorsitzender Prof. Dr. Torsten Capelle. Das Projekt wolle die mittelalterlichen Wege und die Spuren der Jakobspilger in Westfalen möglichst genau rekonstruieren: "Es gab für die Pilger in Westfalen und anderswo keine eigenen Wege, im Gegenteil: Sie suchten aus Angst vor Überfällen stark frequentierte, bekannte Trassen."

Die Geschichte der Jakobspilgerwege
Die Pilgerfahrt zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren im über 2.000 Kilometer entfernten nordspanischen Santiago de Compostela hat eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückgeht. Man versprach sich die Heilung von Körper und Seele als Lohn für den Besuch der Kultstätte.

Seit dem 10. Jahrhundert kamen aus ganz Europa Pilger, Männer und Frauen aus allen Schichten, nach Spanien, zu Fuß oder zu Pferd. Als Beleg und Erkennungszeichen diente die Jakobsmuschel, die jeder Pilger in Santiago erstehen konnte und deutlich sichtbar an der Kleidung oder Umhängetasche trug.

"Seit einigen Jahren erlebt die Pilgerfahrt eine Renaissance, nicht erst, seit TV-Stars wie Hape Kerkeling sich auf den Weg machten: 2007 waren es 114.000 Pilger, davon 14.000 Deutsche. Im Heiligen Jahr 2004 zählte man in Santiago sogar rund 180.000 registrierte Pilger", so LWL-Direktor Kirsch. Bereits 1987 hatte der Europarat dazu aufgerufen, die Jakobspilgerwege in Europa zu erforschen. 1993 erklärte die UNESCO den spanischen Teil des Weges, den ¿Camino Francés¿, zum Weltkulturerbe.

Über Jakobspilger, die aus Westfalen stammen, sei insgesamt nur wenig bekannt, so die Forscherin Ulrike Spichal. Bekanntester westfälischer Pilger ist Bischof Anno aus Minden, der sich in den Jahren 1174 und 1175 auf den Weg nach Santiago de Compostela machte, das damals als Pilgerort gleichrangig neben Rom und Jerusalem stand.

Durch eine Pilgerreise konnten Verbrecher auch ihrer Strafe entgehen, wenn ein Gericht sie dazu verurteilte. "Bettler, Räuber und Steuerhinterzieher im Pilgergewand haben zusammen mit den Strafpilgern die Pilgerfahrt im Laufe der Zeit in Verruf gebracht. Jakobsbrüder wurden vielerorts mit Gesindel gleichgestellt. In Herford, einer wichtigen Sammelstation für Pilger in Westfalen, soll die Jakobikirche 1530 wegen der Jakobspilger, die den Status für ihre Zwecke ausgenutzt haben, geschlossen worden sein", erläutert Spichal. Für mittellose Menschen war jedoch eine Pilgerreise oft die einzige Möglichkeit, die Heimat zu verlassen. Wohlhabende konnten das Pilgern auch delegieren und einen Berufspilger mieten.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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