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Mitteilung vom 23.10.08

Presse-Infos | Kultur

Neues aus der Stadtgeschichte Münsters

Publikation über die Ausgrabungen an der Stubengasse

Bewertung:

Münster (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)hat die Ergebnisse der Ausgrabungen an der Stubengasse veröffentlicht. Die wissenschaftliche Publikation ¿Die Stadt Münster. Ausgrabungen an der Stubengasse 1997-1999¿ ist in der Reihe ¿Denkmalpflege und Forschung in Westfalen¿ der LWL-Archäologie für Westfalen erschienen.

Ein in seinen Einzelteilen vergrabenes Haus, eine mit Figuren verzierte Backform und ein illegitimer Friedhof ¿ das sind nur einige der Funde, vom Areal des ehemaligen Parkplatzes an der Stubengasse. Die Archäologen der Denkmalbehörde Münster gruben sich zwischen 1997 und 1999 bei der bisher größten innerstädtischen Ausgrabung durch die Stadtgeschichte. In den 13 Kapiteln der nun erschienene Publikation werten die Wissenschaftler die Funde wie Tongefäße, Spinnwirtel, Kämme, Tierknochen, Pflanzenreste und die architektonischen Überreste aus. Ein Katalog und ein Plan der wichtigsten Grabungsbefunde sowie ein Gesamtplan der historischen Altstadt Münsters runden das Werk ab.

¿Mit dieser Publikation legen wir der interessierten Öffentlichkeit nicht nur einen Mosaikstein, sondern einen größeren Bildausschnitt vor, der eine neue Sicht auf den Stadtraum südlich der Domburg anbietet,¿ freut sich Dr. Christoph Grünewald, kommissarischer Leiter der LWL-Archäologie für Westfalen über die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Münster. ¿Die Ausgrabungen an der Stubengasse haben uns unerwartete Einblicke in die Stadtgeschichte vom 13. Jahrhundert bis heute gegeben.¿

So stießen die Ausgräber in einer knapp ein mal drei Meter großen Grube auf bereits verzimmerte sorgfältig geschichtete Eichenbalken. Es gelang ihnen, die ursprüngliche Funktion von 18 Hölzern zu ermitteln. Demnach stammen die 1572 gefällten Balken von einem massiven Fachwerkbau. Möglicherweise handelte es sich um ein einstöckiges Wohngebäude oder um das Obergeschoss eines Flügelbaus. Eine solche Aufstockung beziehungsweise ein Hinterhaus war in den westfälischen Städten des 16. Jahrhunderts üblich. Warum jedoch jemand das Holzgerüst auseinandergenommen und ordentlich vergraben hat, ist auch für die Archäologen ein Rätsel geblieben.

Eine bei den Holzbalken gefundene Backform, ein sogenanntes Model, macht diesen Fundkomplex noch ungewöhnlicher. Denn ein Teil der reich verzierten Form lag unterhalb, ein anderer oberhalb der Hölzer.

Die Rekonstruktion der Fragmente ergibt eine runde Form mit einem Durchmesser von elf Zentimetern. Auf dem Model sind fünf Szenen aus dem Neuen Testament figürlich dargestellt und mit biblischen Zitaten ergänzt. Sie zeigen unter anderem die dreimalige Versuchung Jesu durch den Teufel. Neben dem künstlerischen Aspekt hatte dieses Model auch eine praktische Funktion: In ihm wurden an Festtagen spezielle Gebäcke, sogenannte Springerl aus Teig oder Marzipan geformt. In ganz Westfalen sind nur zwei weitere Model dieser Art bekannt.

In einem eigenen Kapitel beschreiben die Autoren einen bis zu seiner Ausgrabung nicht bekannten Friedhof. Auf gut 40 Quadratmetern waren hier dicht aneinandergereiht 50 Tote in fünf Schichten begraben. An einem der Körper hatten Mediziner anatomische Untersuchungen vorgenommen. Der Schädel des 35 bis 55 Jahre alten Mannes war geöffnet, eine abgetrennte Schädeldecke einer anderen Leiche lag im linken Brustbereich des Skeletts. Der Fund, den die Wissenschaftler in das zweite Drittel des 18. Jahrhunderts datieren, war deswegen so außergewöhnlich, weil nach 1776 innerhalb der Stadt nicht mehr bestattet werden durfte. Der Friedhof lag an einer von außen schlecht einsehbaren Ecke und war auch schriftlich nicht überliefert.

Stephan Winkler, Die Stadt Münster: Ausgrabungen an der Stubengasse (1997-1999), mit Beiträgen von Mathias Austermann, Peter Barthold, Aurelia Dickers, Monika Doll, Holger Jakobi, Karl-Heinz Kirchhoff, Alfred Pohlmann, Mechthild Siekmann, Bernd Thier, Ralf Urz. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 41.1 (Mainz 2008). 308 Seiten mit 153 Abbildungen und 2 Beilagen. ISBN 978-3-8053-3912-4. 29 Euro.



Pressekontakt:
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