Mitteilung vom 20.05.09
Presse-Infos | Jugend und Schule
LWL-Jugenddezernent:
¿Kinderängste dürfen nicht zum Quotenmacher werden¿
Münster (lwl). In einer neuen Fernsehsendung erhalten Jugendliche überwacht von Kameras, begleitet von Fachleuten, echte Säuglinge, um eine zeitlang das Eltern-Sein üben zu können. Im Interview beurteilt Hans Meyer, Jugenddezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), die neue Dokusoap ¿Erwachsen auf Probe¿ aus Sicht der Jugendhilfe.
Frage: Für das neue Sendeformat ziehen vier Teenager-Paare für eine begrenzte Zeit jeweils in ein erstes eigenes Haus und erhalten Säuglinge, die von ihren Eltern getrennt wurden. Diese werden dann gegen Kleinkinder und später gegen Schulkinder und zuletzt gegen Teenager ausgetauscht. Können Sie die vielfach geäußerte Kritik, sogar Empörung verstehen?
Hans Meyer: Ja, das kann ich sehr gut verstehen. Neben moralisch-ethischen und pädagogischen Bedenken die mir sofort kommen, kann ich nicht nachvollziehen, wie hier versucht wird, mit hilflosen Babys Quote zu machen.
Frage: Ist die Sendung der richtige Rahmen um ein Erwachsen-Werden und Eltern-Sein zu üben?
Hans Meyer: Mit Sicherheit nicht. Den Jugendlichen wird hier ein Kind als Versuchsobjekt ausgeliehen, welches dann als Lernobjekt ge- bzw. missbraucht wird. Dies ist eine Situation, in der man die zentralen Elemente dessen, was man als Eltern haben und können sollte, nämlich Fürsorge und Beziehungsfähigkeit, kaum lernen kann.
Frage: Sehen die Interessen dieser Babys und Kinder verletzt?
Hans Meyer: Ja, in der Tat. Meine besondere Sorge gilt da den Säuglingen. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass die frühe Kindheit eine sensible Periode ist, ein Zeitfenster, innerhalb dessen bestimmte Erfahrungen für die Entwicklung des Kindes besonders notwendig und wichtig sind. Dabei ist vor allem das Bedürfnis nach Bindung von zentraler Bedeutung. In der Sendung werden Babys von ihren Eltern getrennt und damit existenziellen Ängsten und einem großen Stress ausgesetzt. Damit werden Bindungsstörungen geradezu provoziert.
Frage: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft attestiert der Sendung eine positive pädagogische Absicht. Können Sie diese erkennen?
Hans Meyer: Nein, aber selbst wenn dies so wäre, geschähe die zu Lasten Dritter nämlich der Babys.
Posttraumatische Entwicklungsstörungen werden billigend in Kauf genommen. Die richtigen Eltern unterstützen dies noch durch ihre ¿Verleihaktion¿. Was an einem solchen leichtsinnigen, schädlichen und letztlich von Geldgier gesteuertem Verhalten pädagogisch positiv sein soll, ist mir schleierhaft.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 21.000 Beschäftigten für die 8,4 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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