Mitteilung vom 17.12.07
Presse-Infos | Kultur
LWL zeichnet Kreuzweg von Bernd Terhorst als Denkmal des Monats aus
Seltene Ausmalung in der Pfarrkirche St. Vincentius in Warburg-Scherfede
Warburg (lwl).Figürliche Kirchenausmalungen der 1920er Jahre haben sich in Westfalen nur selten erhalten. Denn während die rein ornamentale Malereien der Neuen Sachlichkeit den folgenden Generationen eher akzeptabel erschienen, wurden die figürlichen Darstellungen in ihrer Größe und Ernsthaftigkeit als unangemessen monumental und bedrohlich empfunden. Deshalb wurden sie übermalt oder entfernt. In der Kirche St. Vincentius in Warburg-Scherfede (Kreis Höxter) wurde jetzt mit dem 1931 von Bernd Terhorst gemalten Kreuzweg eine solche Ausmalung freigelegt. Sie ist seit dem ersten Gottesdienst nach der Kirchenrestaurierung am 8. Dezember 2007 wieder sichtbar. Deshalb hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) den gemalten Kreuzweg jetzt als Denkmal des Monats Dezember ausgezeichnet.
Der Kreuzweg in der 1859-62 nach Plänen von Bauinspektor Lundehn und Friedrich August Stüler gebauten, neugotischen Kirche war seit 1965/67 unter einer Überklebung mit Seidenpapier und einer neugotischen Ausmalung von 1984 verborgen, nur die erste Kreuzwegstation mit der Pilatusszene lag frei und hielt somit die Erinnerung an den Kreuzweg wach, der in Form von zwei durchlaufenden Bildfriesen direkt auf die Wand gemalt ist.
Terhorst hat dabei Silikatfarben gewählt, da diese untrennbar mit dem zuvor aufgetragenen mineralischen Putz ¿verkieseln¿ - ähnlich der Frescomalerei. So ist der Kreuzweg gegenüber Feuchtigkeit relativ unempfindlich, was gerade in St. Vincentius notwendig war: Denn schon um 1930 klagte man über eine zu hohe Luftfeuchtigkeit. Bis zu 80 Prozent Luftfeuchtigkeit wurden gemessen, verträglich ist für ein Bauwerk ein Anteil von etwa 60 Prozent.
Die Feuchte war auch Anlass für die Restaurierung: Alle Wände des Gotteshauses waren von Schimmelpilz befallen. Die Kirchengemeinde bekämpfte dabei nicht nur die Symptome indem sie die Wände reinigte und mit Fungizid behandelte, sie entschloss sich die Ursachen zu beheben: ¿Eine automatisch gesteuerte Belüftungsanlage mit Innen- und Außensensoren öffnet die Fenster künftig bei trockener Außenluft, denn das ist für das Raumklima besonders wirkungsvoll¿, erklärt LWL-Denkmalpfleger Dr. Christoph Heuter. Zwischenzeitlich sah es so aus, als müsse zur Pilzbekämpfung der Putz an den Innenwänden entfernt werden, so kam der abgedeckte Terhorst-Kreuzweg in die Diskussion. Das LWL-Amt für Denkmalpflege wollte ihn unbedingt erhalten, am liebsten sogar freilegen: ¿Zum einen aus konservatorischen Gründen, um den Zustand besser beobachten zu können, zum anderen aus künstlerischen Gründen, denn der Kreuzweg ist wesentlicher Bestandteil der von Bernd Terhorst entworfenen Gesamtgestaltung des Kirchenraumes, von der zuletzt nur die Fenster im Langhaus sichtbar waren¿, erklärt Heuter.
Nach Pastor Wilhelm Klur und dem Projektgruppeam ließen sich Gremien und Mitglieder der Kirchengemeinde überzeugen: In einer öffentlichen Diskussion informierten Heuter und der Leiter des Erzbischöflichen Diözesanmuseums, Prof. Dr. Christoph Stiegemann über den Kreuzweg und den Künstler, über das Schadensbild und die Lösungswege.
Bei der Restaurierung konnte nicht die gesamte Raumausmalung von Bernd Terhorst freigelegt werden: Weil sie vermutlich stärker geschädigt sind, blieben die großformatigen Bilder an den Querhauswänden mit Darstellungen aus dem Leben von Maria und des heiligen Vincentius ebenso von der 1984 aufgetragenen Bemalung verdeckt, die der neugotischen Ausmalung von 1870 nachempfunden ist, wie das Gewölbe. ¿Die Terhorstschen Ausmalung vollständig wiederherzustellen stand auch gar nicht zur Diskussion. Jetzt ist mit dem Nebeneinander unterschiedlicher Zeitschichten der Wandel gestalterischer und liturgischer Auffassungen in der Kirche dokumentiert¿, so Heuter.
Hintergrund:
Dass der aus Emmerich am Niederrhein stammende Bernd Terhorst (1893-1986) in Scherfede tätig wurde war kein Zufall, er hatte durch seine Frau Elisabeth Hüffer aus Paderborn beste Kontakte in die Region. Nach seinem Studium in München arbeitete er in unterschiedlichen künstlerischen Techniken: Neben Malereien schuf er auch Glasmalereien und Mosaike, er goss Bronze und entwarf von seiner Frau gewobene Gobelins. Stilistisch bewegte er sich auf der Höhe seiner Zeit, integrierte Anregungen internationaler Kunstströmungen in seinen Personalstil, der 1931 noch im Werden begriffen und von durchaus kontroversen Kunstauffassungen angeregt war. Starke Konturzeichnungen und prismatische Lichtstrahlen, Kuben und abstrahierte Röhrenformen sind ebenso zu finden wie expressive Gesten und fast karikaturhaft zugespitzte Gesichter. ¿Die für das große Format angemessene geometrische Vereinfachung der Form geht in Terhorsts späteren Arbeiten in eine immer stärkere Betonung der Linie als künstlerisches Ausdrucksmittel über, besonders konsequent zeigt sich dies bei den Malereien im Leoninum zu Paderborn von 1953¿, so Heuter.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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