Mitteilung vom 17.12.07
Presse-Infos | Der LWL
Der ehemalige Arbeitsplatz im Maßstab 1:100
Vier frühere Mitarbeiter der Henrichshütte Hattingen bauen ein Modell vom Walzwerk
Hattingen (lwl). Herbert Halfter ist ein kräftiger Mann, dessen Händen man ansieht, dass er lange körperlich gearbeitet hat. Er war Walzwerker und ¿Mädchen für alles¿ auf der Henrichshütte in Hattingen, malochte bei enormen Temperaturen und großem Lärm an der Walze, die den Stahl in Form brachte. Jetzt, mit 63 Jahren, macht er genau das Gegenteil, nur einige Meter entfernt von seinem alten Arbeitsplatz. Er steht in einer alten Werkstatt im LWL-Museum Henrichshütte Hattingen - und bastelt. Mit federleichten Holzstäbchen, Modellbauschienen, grauen Plastikröhrchen lassen seine Finger das Walzwerk der Henrichshütte als 6,5 mal zwei Meter großes Modell neu entstehen.
Halfter und seine drei Mitstreiter sind ehemalige Mitarbeiter der Hütte, in der Ende der 80er Jahre die Öfen ausgingen. In Hochzeiten hatten in der 1854 gegründeten Henrichshütte bis zu 10.000 Arbeiter Eisen und Stahl produziert, der Strukturwandel sorgte für die Schließung - gegen den Widerstand der ganzen Region. ¿Ich habe bei der Demontage noch mitgeholfen, habe Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mitgemacht und warte nun auf die Rente¿, sagt Halfter.
Die Arbeit an dem Modell im Maßstab 1:100 kam ihm gerade recht. Nicht nur wegen der Abwechslung durchs Basteln: Bei den wöchentlichen Treffen wird viel gelacht. Die Männer, die sich alle noch von der Arbeit auf der Hütte kennen, schweifen alle paar Minuten ab. ¿Weißt du noch, damals...¿, beginnen immer wieder neue Anekdoten.
Kurt Schneider ist der Älteste der Modellbauer. Mit seinen 79 Jahren und 45 Berufsjahren auf der Hütte kennt sich der ehemalige Walzmeister gut aus auf seinem alten Arbeitsplatz im heutigen Industriemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Er kann beim Modellbauen sofort sagen, ob etwas originalgetreu ist oder nicht. ¿Ich freue mich, hier wieder in der Hütte zu arbeiten, auch wenn es natürlich etwas ganz anderes ist¿, sagt er. Während er noch von großen Brammen und mächtigen Tieföfen erzählt, greift er mit sicherem Griff ein schmales Stäbchen, fräst eine winzige Nut hinein, nimmt das zweite, dritte, vierte. ¿Langweilig wird mir hier nicht, weil ich sehe, wie das Walzwerk wieder neu entsteht.¿
Verantwortlich für das gesamte Projekt ist Peter Zantow. Er ist der einzige des Teams mit Modellbauerfahrung, zuhause arbeitet er an Schiffen und Flugzeugen. Er leitet die Kollegen an, organisiert mit Hilfe von Gerd Hehs, dem Leiter der Schauwerkstätten, das Material. Er war es auch, der nach einem Walzwerker-Treffen irgendwann in den 90ern auf die Idee kam, das Walzwerk nachzubauen. ¿Komm¿ doch auch mal vorbei, nur mal so¿, habe Zantow zu ihm gesagt, erzählt Herbert Halfter, ¿seitdem bin ich dabei. Nur mal so.¿ Er lacht, dreht sich um und beginnt auf einem Schrank herumzukramen.
Ebenso wie Zantow kennt sich auch Peter Jedrkowiak mit Strom aus. Der ehemalige Elektriker, der nach der Schließung der Hütte noch einige Jahre in Duisburg Arbeit in seinem Beruf fand, sitzt gerade am Lötkolben und klebt einige Drähte zusammen. ¿An dem Modell soll sich ja auch einiges bewegen¿, sagt er, ¿das passiert dann alles elektrisch und per Knopfdruck.¿
Über so viel Liebe zum Detail freut sich natürlich auch das LWL-Museum. ¿Wir finden es aber noch viel wichtiger, dass es ehemalige Mitarbeiter sind, die sich mit ihrer Arbeitsstätte identifizieren und sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen¿, sagt Robert Laube. Die Arbeit des kleinen Teams, das betont der Museumsleiter, passe hervorragend ins Konzept des Museums, das mit viel Alltagshistorie die Geschichte der Hütte erzählt. ¿Wir binden die Menschen, die hier gearbeitet und gelebt haben, in allen Bereichen des Museums mit ein.¿ Die vier Walzwerker bauen das Modell übrigens ehrenamtlich, das Museum finanziert die Materialien.
In der Werkstatt haben sich Kurt Schneider und Peter Jedrkowiak wieder in ihre Arbeit vertieft. Herbert Halfter kommt zurück, schmeißt einen Schwung Fotos auf den Tisch. Er will kurz etwas zeigen, den Verlauf der Schienen der Werksbahn, den die Männer mit Modellbauschienen nachbauen. Kurz stockt er, deutet auf ein Detail auf dem Bild. Und dann beginnt wieder ein Satz mit ¿Guck mal, Peter, weißt du noch...¿.
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Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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