Mitteilung vom 07.12.06
Presse-Infos | Der LWL
Kitsch, Komik und Kartenflut:
LWL sammelt Grußkarten zu Weihnachten und Neujahr
Münster (lwl). ¿Als ich noch ein Kind war, haben sich meine Eltern einmal einen Orientteppich geleistet. Von da an erhielten wir jedes Jahr eine Weihnachtskarte aus der Heimat des Teppichhändlers¿, erinnert sich Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Wer kennt sie nicht, die mehr oder weniger einfallsreich gestalteten Weihnachts- und Neujahrskarten, die alle Jahre wieder ins Haus flattern. Aber wer weiß schon, dass diese Druckerzeugnisse auf eine durchaus lange Tradition zurückblicken? Um die aktuelle Tradition für die Zukunft zu dokumentieren, ruft der LWL dazu auf, die Weihnachtskarten den LWL-Volkskundlern zur Verfügung zu stellen.
Schriftliche Neujahrswünsche waren bereits im Mittelalter weit verbreitet. Im 14. Jh. versandte man in adeligen und geistlichen Kreisen Neujahrsbriefe, in denen persönliche Wünsche nicht selten mit Darstellungen des Jesuskindes verbunden wurden. Goethe und Schiller schickten sich ebenso Neujahrsbriefe wie Theodor Fontane seiner Schwester.
Auch Neujahrsbriefe von Kinder an Eltern, Paten oder den Herrn Pastor finden sich im Archiv der LWL-Volkskundler. Sie waren vor allem im 19. Jahrhundert weit verbreitet. Im Grunde handelte es sich um Schönschreibübungen, die unter Anleitung des Lehrers in der Schule gefertigt wurden und die neben Glück- und Segenswünschen oft recht unterwürfige Dank- und Entschuldigungsfloskeln enthielten.
Breits in der Biedermeierzeit bot sich mit aufwändig gestalteten Transparent-, Klapp-, Zug- und Hebelzugkarten eine Alternative zu den Neujahrsbriefen. Die Gestaltung der Karten ließ keine Wünsche offen: Nachdem zunächst kollageartig Goldrahmen, dünne Bleche, Farbpapiere, Flitter und reliefierte Pappmachéauflagen kombiniert worden waren, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem Karten mit Oblaten hergestellt, jenen geprägten und gestanzten farbigen Glanzbildchen, die man mit Papierspitzen rahmte.
Die in den 1875er Jahren aufkommende Bildpostkarte trug dazu bei, dass die Flut an Grußkarten zu Weihnachten und Neujahr weiter wuchs. Während einige Autoren von Benimmbüchern der Jahrhundertwende diese durchaus empfehlen (¿Es gibt übrigens schöne Neujahrsglückwunschkarten in den mannigfachen Ausstattungen im Handel, die man zum Versenden an Freunde benutzen kann¿), raten andere eher dazu, einen Brief zu schreiben als ¿seine Lieben (...) mit einer einfachen Glückwunschkarte abzuspeisen¿.
Die Motive der Grußkarten entsprachen dem Zeitgeist, wenn sich auch die biedermeierlichen Motive wie Engelchen, Blumen, christliche Symbole, Allegorien und Glückssymbole lange Zeit halten konnten. Um 1900 kamen darüber hinaus Witzkarten in Mode, von deren Verwendung in Benimmbüchern jedoch abgeraten wurde: ¿Nicht genug kann die jeder guten Lebensart Hohn sprechende Unsitte gegeißelt werden, am Neujahrstage häßliche oder unanständige Karten oder solche Karten zu verschicken, die auf einen körperlichen Fehler, auf eine Eigentümlichkeit oder gar auf sittliche Mängel des Empfängers hindeuten¿.
Heute ist die Angebotsvielfalt enorm: Da werden die guten Wünsche zu Weihnachten und zum Jahreswechsel mit winterlichen Motiven oder mannigfachen Glückssymbolen wie Schweinen, Kleeblättern und Hufeisen zum Ausdruck gebracht. Auch Karten mit Karikaturen, Fotokollagen oder mit Konfetti und Musik sind überall erhältlich. Selbstverständlich können Grüße in der heutigen Zeit auch per E-Mail oder SMS versendet werden. Wer hier noch um passende Worte oder Abbildungen verlegen ist, kann sich einen geeigneten Spruch und die Abbildung seiner Wahl (auf Wunsch auch animiert) auf einschlägigen Internetseiten aussuchen.
Alljährlich stöhnen die Zusteller über die Flut von Weihnachts- und Neujahrskarten, die der Mode und der Sitte entsprechend zum Jahresende versandt werden. In den Privathaushalten, aber auch in Firmen sammeln sich teils wahre Stapel von Grußkarten und zu Beginn des Jahres stellt sich regelmäßig die Frage: Aufbewahren oder Wegwerfen? Wer die schönen Druckerzeugnisse nicht wegwerfen möchte, aber keinen Platz hat, um sie aufzubewahren, kann seine Weihnachts- und Neujahrskarten an die Volkskundliche Kommission für Westfalen schicken, Adresse: Volkskundliche Kommission für Westfalen, Scharnhorststraße 100, 48151 Münster. ¿Wir freuen uns über alle Formen von Weihnachtskarten, sei es ein persönlicher Gruß oder eine massenhaft verschickte Karte, die mehr für das absendende Unternehmen wirbt, als dass sie persönlichen Charakter hat¿, so Cantauw.
Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org
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