LWL-Newsroom

Mitteilung vom 09.03.06

Presse-Infos | Der LWL

Rede des FDP-Fraktionsvorsitzenden Stephen Paul zum Haushalt 2006 und zur politischen Lage beim Landschaftsverband in der Landschaftsversammlung am 9. März 2006 in Münster

Bewertung:

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Seifert,
sehr geehrter Herr Landesdirektor Schäfer,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste unserer Versammlung,

das Westfalen-Parlament hat soeben einen neuen Direktor für unseren Landschaftsverband gewählt. Mit Herrn Dr. Kirsch führt in Zukunft ein in Verwaltungsangelegenheiten erfahrener Landrat unseren Verband. Unsere guten Wünsche für seine neue Aufgabe und unser Angebot zur Zusammenarbeit in Sachfragen begleiten ihn persönlich.

Im Internet ist zu lesen, seine Vorliebe ist: Ein ruhiger Abend mit einem Stück Fleischwurst, Senf, frischem Brot und einem Pott Pott's. Das klingt schon mal gut.

In diesem Sinne freuen wir uns darauf, im Laufe der nächsten Jahre noch mehr Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wir werden Ihr Wirken ja nicht nur kritisch, sondern vor allem konstruktiv begleiten wollen.

Wir Freie Demokraten verstehen uns hier in der Landschaftsversammlung als positive Kraft, als Vertreter der kommunalen, bürgerschaftlichen Selbstverwaltung in Westfalen, einer zutiefst liberalen, bürgerlichen Idee.

Herr Dr. Kirsch, Sie geben im Internet an, sie hören besonders gerne Blues von Robert Johnson bis Eric Clapton und natürlich die Beatles. Ihr Hobby ist das Gitarrespielen. Dazu passend, haben wir Ihnen eben zu Ihrer Wahl einen Gutschein für den nächsten Einkauf in einem renommierten Musikfachgeschäft in Münster überreicht. Sie sehen, Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie, auch politisch, einmal ¿neue Saiten aufziehen wollen¿.

Liebe Zuhörer, der Landschaftsverband ist das kommunal verfasste Dach Westfalen-Lippes. Er ist Teil der kommunalen Familie der Städte und Kreise in unserer Region.

Es ist gut, dass es ihn gibt. Dadurch müssen Aufgaben, die einzelne Landkreise und Großstädte nicht sinnvoll alleine wahrnehmen können, nicht gleich verstaatlicht werden. Er ist im besten Sinne des Wortes ein kommunaler Verband für bestimmte öffentliche Zwecke, sozusagen ein kommunaler ¿Zweckverband¿.

Und er blickt auf eine große Geschichte zurück: Wer auf der Empore der Säulenhalle des Landeshauses lang spaziert, stößt auf ein Bronze-Relief von der 1. Sitzung des westfälischen Landtages. Dort führt der legendäre Reichsfreiherr vom und zum Stein das Wort als erster Landtagsmarschall, heute würde man statt seiner wohl Frau Seifert als Vorsitzende der Landschaftsversammlung in Bronze gießen. Zu Recht trägt die höchste Auszeichnung des Landschaftsverbandes, die vorhin an Frau Lubek verliehen wurde, den Namen Steins.

Seine preußische Städtereform von 1808, die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung vor Ort brachte, gewinnt heute neue Aktualität. Ist es doch eines der Ziele der neuen Landesregierung, mit ihrer Verwaltungsstrukturreform zu entstaatlichen und die kommunale Ebene zu stärken.

Wenn es also darum geht, heute staatliche Aufgaben zu kommunalisieren, muss das nicht daran scheitern, dass ein einzelner Kreis oder eine Stadt damit überfordert wäre. Die beiden kommunal verfassten Landschaftsverbände bieten sich als geeigneter Träger heute noch staatlicher Aufgaben regelrecht an. Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass eine Verlagerung von staatlichen Aufgaben auf den Landschaftsverband sinnvoll und möglich ist. Dazu müssen wir mit der Landespolitik ins Gespräch kommen. Beide Landschaftsverbände gemeinsam. Konstruktiver Dialog statt Konfrontation. Aktives Agieren statt passiver Abwehrkampf, Verhandlungstisch statt Schützengraben. Der neue Landesdirektor hat uns, wenn er sich für die richtige Strategie entscheidet, an seiner Seite.

Reichsfreiherr vom und zum Stein soll einmal gesagt haben: "Die Kenntnis des Ortes, ist die Seele des Dienstes." In diesem Sinne sollten wir hier alle doch nicht vergessen haben, woher wir kommen. Hier sind Landräte und Bürgermeister, andere Kommunalbeamte, Kreistagsabgeordnete und Ratsmitglieder. Wir alle kennen die finanzielle Not vor Ort. Wissen, das den Landkreisen und Großstädten das Geld ausgeht. Gleichzeitig halten wir milliardenschwere Vermögenswerte hinter den dicken Mauern des Landeshauses vor unseren Familienmitgliedern in der kommunalen Familie zurück.

Sie alle wissen: wir können hier mehr für unsere Kommunen tun, als nur den Hebesatz der Umlage stabil zu halten. Schon mit einem kleinen Teil unseres großen Beteiligungsvermögens können wir den Kreisen und kreisfreien Städte eine echte, wirksame ¿Nothilfe¿ leisten: Wir schlagen Ihnen heute vor, die RWE-Anteile des Landschaftsverbands in die Vermögenshaushalte unserer Landkreise und Großstädte zu übertragen. So können damit vor Ort dringende und notwendige Investitionen in Schulen oder Straßen getätigt werden, der kommunale Schuldenberg abgebaut werden.

Eine gute Geste vom kommunalen Dach Westfalen-Lippes, mehr als ein frommer Gruß, sondern eine wirksame, spürbare Hilfe, um die Not vor Ort zu lindern. Ich bitte jede Einzelne, jeden Einzelnen: denken Sie an Ihre Verantwortung vor Ort, machen Sie sich frei von Ihrem Fraktionszwang und stimmen Sie mit uns für eine weitergehende Entlastung der Kreise und Großstädte in Westfalen-Lippe! Es ist möglich¿

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir setzen uns außerdem mit unserer Antragsinitiative dafür ein, dass der Landschaftsverband stärker bei sich selbst spart.

1. Höchstens 4 statt 7 Landesräte, eine Leitungsstufe in der Verwaltungshierarchie abschaffen,

2. mehr Transparenz und Wettbewerb bei der Erbringung von Leistungen der Behindertenhilfe ¿wir stellen uns damit hinter die innovativen und mutigen Pläne von Landesdirektor Schäfer. Wir wissen, dass Verhandlungen mit den Wohlfahrtsverbänden laufen. Die Einführung von wettbewerblichen Verfahren sollte sich der Landschaftsverband jetzt aber auf keinen Fall durch irgendwelche Zugeständnisse der Verhandlungspartner abkaufen lassen sondern konsequent den neuen Weg gehen. Auch die Harmonisierung der Entgelte ist uns wichtig, denn für vergleichbare Leistungen kann es auch nur ein einheitliches Entgelt geben. Und es ist wichtig, dass die anderen Aufgabenträger dabei mitgehen und der Landschaftsverband bundesweit nicht alleine bleibt. Die Tagung der Höheren Kommunalverbände Anfang April in Überlingen sollte die Delegation des Landschaftsverbands nutzen, um mit den anderen Aufgabenträgern Einvernehmen herzustellen und gemeinsames Handeln abzusprechen.

3. eine offensivere Rolle als bisher bei der Trennung von den verlustbringenden Beteiligungen an den Verkehrsunternehmen. Wir wollen, dass der Landschaftsverband in den laufenden Gesprächen mit den betroffenen Kreisen aktiver auftritt und dass die Sache von der Stelle kommt.

Liebe Zuhörer, der Landschaftsverband soll schlanker und moderner werden und sich auf seine Kernaufgaben als kommunaler Verband für bestimmte öffentliche Zwecke konzentrieren ¿ ganz im Sinne der Kommunen in Westfalen-Lippe.

Das Beispiel Kloster Dalheim zeigt dabei : Der Landschaftsverband muss in Zukunft noch realistischer planen. Mit Rücksicht auf seine eigene Kasse, also im eigenen Interesse, und im Interesse aller Mitgliedskreise und ¿städte, die uns finanzieren.

Nicht mehr das wünschbare, sondern das Machbare sollte unsere Gedanken und unser Handeln leiten.

Ich frage Sie alle: Was haben das aktuelle Kunstwerk des Monats März, die Schoko-Skulptur von Dieter Roth, und unsere Pläne für das Klostermuseum in Dalheim gemeinsam?

Sie können schnell dahin fließen und zerrinnen, wenn es einmal richtig heiß wird.

Es ist schonmal gut, dass der weitere Ausbau zum Klostermuseum ¿ wie von uns vorgeschlagen ¿ mit einem einstimmigen Beschluss im Landschaftsausschuss unter den Vorbehalt gestellt worden ist, dass das Geld für die Betriebskosten auch wirklich zusammenkommt.

Offen ist noch: Können wir vom Land eine Förderung erwarten für den weiteren Ausbau des Klostermuseums? Noch liegt kein Förderbescheid für den zweiten Bauabschnitt vor. Wir brauchen das bald schriftlich. Sonst besteht die Gefahr, dass wir auf den Kosten hängen bleiben.

Erkennt das Land wirklich jede private Zustiftung als privat an? Es gibt immer mehr Hinweise, dass man die öffentlich bestimmte Provinzial oder die Paderborner Sparkasse nicht unbedingt für ein privates Unternehmen halten muss. Da brauchen wir Klarheit.

Was passiert, wenn die Besucherzahlen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Muss der Landschaftsverband dann einen noch höheren Zuschuss zum Betrieb des Museums geben?

Wir finden Dalheim kulturpolitisch hoch interessant, für eine Realisierung braucht es eine solide, tragfähige Finanzierung des Ausbaus und des Betriebes.

Der interessierten Öffentlichkeit im Paderborner Land und in Ostwestfalen sollten wir nicht verschweigen und Sand in die Augen streuen, sondern ganz offen sagen: Das Projekt ist noch nicht über den Berg, Unternehmen und Bürger der Region unterstützt den Umbau und den Betrieb zum Westfälischen Museum für Klosterkultur!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ein Haushalt ist immer auch ein Kursbuch, dass die generelle Richtung vorgibt. Wir könnten jetzt ja ganz einfach sagen: Wir waren an den Vorüberlegungen nicht beteiligt, lehnen uns zurück und verweigern uns. Nein, diese kleine FDP-Fraktion bleibt ihre Vorschläge nicht schuldig. Wir haben in unserer Antragsinitiative genau beschrieben, welche Kurskorrekturen wir für erforderlich halten. Wir sind zur Wahl der Landschaftsversammlung angetreten, haben das Vertrauen erhalten um hier mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen. Dafür müssen wir uns aber auch in den politischen Beschlüssen als Freie Demokraten wiederfinden. Stimmen Sie unseren Vorschlägen zu, dann können wir auch den Haushalt, den Gesamtkurs, mittragen. Legen Sie auf unsere Zustimmung keinen Wert, dann stimmen Sie unsere Initiativen mit ihrer absoluten Mehrheit nieder.

In jedem Fall biete ich Ihnen für die kommenden Jahre an, den weiteren Weg gemeinsam zu gehen. Wir sind bereit, vor der Aufstellung des Haushalts mit allen anderen Fraktionen darüber zu sprechen. Ich biete Ihnen von der SPD und von der CDU eine wirklich große Koalition für Westfalen an. Es ist unsere Heimatregion, unsere Zukunft.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen, den Abgeordneten und den Gästen unserer Versammlung, dass Sie alle so freundlich waren und mir zugehört haben.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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