Mitteilung vom 09.11.05
Presse-Infos | Der LWL
¿Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten¿ ¿
LWL erforscht neue Form der Schriftlichkeit in Weblogs, Foren und Chat des Internets
Westfalen (lwl). Jahr für Jahr bescheinigt die PISA-Studie den deutschen Jugendlichen, dass sie nicht gut schreiben und lesen können, dennoch tun sie es immer häufiger, haben die Volkskundler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) festgestellt: ¿Wir erleben seit einiger Zeit eine kleine Renaissance alltäglicher Schriftlichkeit. Die jungen Leute lassen sich trotz aller Kritik den Spaß am Schreiben nicht verderben. Im Gegensatz zur Generation der 50-Jährigen, die nur selten zum Stift greift, haben Jugendliche und junge Erwachsene wenig Hemmungen, sich schriftlich zu äußern. Sie tun es allerdings nicht auf Papier sondern in Weblogs, Mailing-Listen und Chat-Räumen im Internet ¿, sagt Dr. Lutz Volmer von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen.
Volmer hofft, dass sich viele Autoren dieser kurzlebigen Texte an dem Projekt ¿Mein 18. November¿ beteiligen. Die Volkskundler aus Münster rufen am 18. November 2005 alle Menschen in Westfalen auf, für diesen einen Tag ein Tagebuch zu führen. Die Berichte werden gesammelt und bilden ein ¿Archiv für die Zukunft¿, in dem das Leben der Menschen dokumentiert wird.
Auf Konventionen und die Feinheiten von alter und neuer Rechtschreibung nehmen die Internet-Autoren wenig Rücksicht. In vielen Internet-Foren taucht immer wieder ein unbekümmerter Spruch auf: ¿Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten¿. Für Volmer wird darin ¿der ursprüngliche Sinn des Schreibens deutlich: die einfache Verständigung zwischen Menschen. Nur findet sie heute über Handy per SMS oder MMS, oder im Internet in Foren sowie Chatrooms statt.¿ Schreiben ¿wie man spricht¿, eine durchgehende Kleinschreibung, viele Abkürzungen und so genannten Emotikons, kleine Bilder, die Gefühle ausdrücken sollen, seien die Kennzeichen der neuen Schriftsprache so Volmer weiter.
Eine Sonderstellung nehmen dabei die Weblogs ein, die sich überwiegend durch eine formal sehr gut ausgeprägte Schriftlichkeit auszeichnen. ¿Ein Weblog ist eine private Internet-Seite, die - wie ein Tagebuch - chronologisch geführt wird. Einfache Programme ermöglichen es auch Computerlaien, sich ein eigenes Weblog anzulegen. Dort kann der Autor, der so genannte Blogger, so oft er möchte, neue Beiträge veröffentlichen, in der Regel täglich oder mehrmals in der Woche¿, erklärt Volmer. Weltweit soll es etwa 14 Millionen Weblogs geben, in Deutschland sind es geschätzte 65.000 ¿ Tendenz steigend. Weblogs gibt es seit zehn Jahren, richtig populär sind sie aber erst seit etwa zwei Jahren geworden. ¿In Westfalen-Lippe gibt es mittlerweile knapp 7.000 Weblogs¿, schätzt Volmer.
Die ersten Internet-Tagebücher beschäftigen sich vor allem mit dem Internet selbst oder mit journalistischen Themen. In den letzten Jahren haben sich die Inhalte jedoch verändert. Dr. Britta Spies, Mitarbeiterin im Projekt ¿Mein 18. November¿, beobachtet eine Zunahme von Weblogs, in denen der Autor seine Person und sein Leben in den Mittelpunkt stellt. ¿Immer mehr Menschen haben Spaß daran, sich selbst im Internet darzustellen, manchmal auch zu inszenieren.¿ Dabei berichten sie über ganz alltägliche Dinge, die letzte Urlaubsreise, die verpatzte Klausur, der Ärger über die Steuererhöhung, aber auch selbst geschriebene Gedichte und Berichte über sehr private und intime Themen finden sich auf vielen Seiten ¿Liebe und Sexualität, die eigene Krebserkrankung oder der Tod des Partners, alles wird thematisiert. In vielen Weblogs sprechen Menschen sehr offen über private Dinge¿, erklärt Britta Spies, ¿und das, obwohl ¿ oder gerade weil ¿ sie wissen, dass jeder andere Computernutzer mitlesen kann. Zwar war auch das klassische Tagebuch nicht immer so geheim, wie wir heute denken. Häufig ließ man enge Freunde oder später die eigenen Kinder darin lesen. Aber man behielt doch immer die Kontrolle über das eigene Tagebuch. Die heutigen Blogger fasziniert jedoch gerade die Möglichkeit, dass Menschen in der ganzen Welt ihr Weblog lesen können.¿
Manche dieser privaten Weblogs werden jeden Tag von 15.000 Menschen gelesen. Fast alle Weblogs bieten den Besuchern die Möglichkeit, eigene Kommentare oder Hinweise auf andere Seiten oder ihr eigenes Internet-Tagebuch zu hinterlassen. Autoren und Leser können so tatsächlich miteinander ins Gespräch. Aber anders als Chat-Rooms oder Mailing-Listen im Internet nutzen Blogger die ganze Bandbreite an Kommunikationsmitteln. ¿Die Autoren von Weblogs nutzen ganz selbstverständlich und sehr souverän die Möglichkeiten des neuen Mediums. Bilder, Musik, Videos, Hinweise auf andere Internet-Seiten, auf Zeitungsartikel, Kinofilme oder Fernsehsendungen ¿ alles kann zum Thema und zum Bestandteil eines Weblogs werden¿, erklärt Spies.
Einen Nachteil haben die Weblogs aber: Irgendwann werden sie abgeschaltet, ihre Inhalte gehen dann verloren. Deshalb hoffen Volmer und Spies, dass sich auch viele Blogger am Projekt ¿Mein 18. November¿ beteiligen. ¿Denn wie in einem Weblog kann jeder, der bei uns mitmacht selbst entscheiden, was er anderen aus seinem Leben und von seinen Gedanken mitteilen möchte. Er allein bestimmt was wichtig ist¿, so die beiden Volkskundler. Und wer will, kann auch kreativ werden: Fotos oder Zeichnungen sind den Projektmitarbeitern ebenfalls sehr willkommen. Anders als im Internet, bleiben die Berichte im Archiv garantiert für die nächsten Generationen erhalten. Alles Nähere zum Projekt findet sich auf der Internet-Seite ¿https://www.mein18november.de¿.
Info:
Mitmachen bei der Aktion ¿Mein 18. November¿ kann jeder, der aus Westfalen stammt oder sich mit der Region verbunden fühlt. Gesammelt werden Berichte darüber, wie die Westfalen ¿ihren¿ 18. November 2005 verbracht haben. Je ausführlicher die Teilnehmer schreiben, umso ergiebiger ist das Projekt. Alle Berichte werden im Archiv der Volkskundlichen Kommission für die Zukunft archiviert. Wer mitmacht, kann unter seinem Namen oder anonym schreiben. Wer eine ¿50¿ auf den Briefumschlag schreibt, kann sicher sein, dass die Volkskundler seinen Brief erst in 50 Jahren öffnen. Alle sollten aber Geschlecht, Geburtsjahr, Geburtsort, Familienstand, Wohnort und Beruf angeben. Die Briefe gehen an: ¿Mein 18. November¿, Scharnhorststraße 100, 48151 Münster, per Fax an 0251 83-28393 oder per E-Mail an briefe@mein18november.de. Weitere Informationen finden sich auf der Internet-Seite des Projektes unter <https://www.mein18november.de>.
Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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