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Mitteilung vom 24.10.05

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Die Ausgrabung der Paderborner Kaiserpfalz in 480 Bildern und 300 Plänen

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Paderborn (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat am Montag (24.10.) in Paderborn eine über 500 Seiten starke wissenschaftliche Publikation (480 Abbildungen, 300 Pläne und Zeichnungen) zur Ausgrabung der Kaiserpfalz in Paderborn vorgestellt. 1964 hatte die Entdeckung der Kaiserpfalz Karls des Großen europaweit für Schlagzeilen gesorgt: Sie ist die einzige archäologisch untersuchte Pfalzanlage in Westfalen, die bis 1978 dauernden Untersuchungen gehören auch heute noch zu den größten und fundreichsten Ausgrabungen der Nachkriegszeit.

¿In Paderborn läßt sich der enorme Wandel nach den Sachsenkriegen Karls des Großen nachvollziehen. Welche Bedeutung der Ort tatsächlich hatte, ist erst durch Prof. Wilhelm Winkelmann, den Entdecker der Kaiserpfalz und langjährigen Leiter der Ausgrabungen deutlich geworden. Heute können wir anhand der Ausstattungsfragmente, etwa der Wandmalerei und des Fensterglases, den hohen Stand der Pfalzgebäude und der ersten Kirche nachvollziehen und damit auch den Anspruch erahnen, der mit den Gebäuden verbunden war¿, erklärte LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe bei der Abschlusspräsentation des Forschungsprojekts am Montag.

Zehn Jahre dauerte die Auswertung der Grabungsdokumentation: 2.500 Seiten Grabungstagebücher, 5.500 Zeichnungen, 6.500 Fotos, viele Meter Film und dazu noch 5.500 Kisten mit insgesamt über 100.000 Funden waren zu ordnen, zu bewerten und auszuwerten¿Die Autorinnen Dr. Sveva Gai und Dr. Birgit Mecke wagten sich in den Dschungel von Baubefunden und schafften es, Klarheit in das Gewirr aus Mauern und Schichten zu bringen. Für ihre bewundernswerte Geduld und Geschicklichkeit und die Qualität ihrer Forschungsarbeit ist den beiden sehr zu danken¿, hob der Direktor des Museums in der Kaiserpfalz Prof Dr. Matthias Wemhoff hervor.

Fünf Phasen
Die Autorinnen fanden heraus, dass die architektonischen Entwicklung des Gesamtkomplexes in fünf Phasen verlief:

Die 776 gegründete Pfalz wurde nach Zerstörungen infolge der Sachsenkriege vollständig wieder aufgebaut (Phase I).
799 wurden eine Kirche von ¿wunderbarer Größe¿ errichtet, wie es in den Schriftquellen heißt, und eine Klausur im Bereich nördlich davon. Dieser Vorgängerbau des heutigen Domes war zusammen mit der Aula der architektonische Rahmen für das berühmte Treffen zwischen Papst Leo III und Karl dem Großen (Phase II).
Anlässlich der Übertragung der Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans nach Paderborn im Jahre 836 ließ Bischof Badurad die Kirche umbauen. Kirche und Aula wurden außerdem miteinander verbunden und bildeten nun eine geschlossene Anlage (Phase III).
Im Laufe der zweiten Hälfte des 9. und im 10. Jahrhunderts wurden Teile der Pfalzanlage aufgegeben. Die Autorinnen konnten damit die schriftliche Überlieferung bestätigen, dass Paderborn in dieser Zeit keine große Bedeutung als Residenzort hatte (Phase IV).
Unter Bischof Rethar setzte nach 983 wieder eine rege Bautätigkeit ein. Der Bischof ließ damals die westliche Vorkirche errichten und eine neue Verbindung zwischen Aula und Kirche. Die Pfalzanlage erscheint am Ende ihrer Entwicklung als geschlossene, vollständig ausgebaute Residenz. Die zwei Machtzentren, der profane königliche und der spirituelle kirchliche Bereich, waren zwar räumlich voneinander getrennt; in ihrer Gesamtheit bildeten sie jedoch eine Einheit (Phase V).

Der Thron war eine Treppe
Die bauliche Geschichte der Anlage spiegelt den historischen Entwicklungsprozess wieder: Von einem militärischen Stützpunkt in der Eroberung Sachsens entwickelte sich die Pfalz immer mehr zu einer von den Kirchenbauten abhängigen Anlage: Seit der Bistumsgründung wurde sie mehr und mehr zu einem Bischofssitz.

Die Geschichte dieser ersten, karolingischen Anlage ging nach der vollständigen Zerstörung beim Stadtbrand des Jahres 1000 zu Ende. Zwar wurde sie für die Krönung von Kunigunde mit Heinrich II teilweise wieder aufgebaut. Doch am Anfang des 11. Jahrhunderts wurde sie endgültig abgerissen, um eine neue Anlage zu bauen.

Die systematische Analyse der Grabungsergebnisse ermöglichte auch eine neue Interpretation einzelner Bereiche und führt zu einer differenzierten Bewertung der Funktion der Pfalz in den verschiedenen Jahrhunderten. Zum Beispiel entpuppte sich der Thron Karls des Großen als Treppe zur Kirche aus dem Ende des 9. Jahrhunderts.

¿40 Jahre nach Grabungsbeginn ist das Projekt Kaiserpfalz zu einem guten Ende gelangt. Die Kaiserpfalz von Paderborn gehört nun mit Ingelheim zu den am besten bekannten Herrschaftszentren aus karolingischer Zeit im Frankenreich. Sie ist auch ein besonderes Beispiel für die Notwendigkeit der Aufarbeitung von Altgrabungen. Denn erst mit ihrer Veröffentlichung ist eine Grabung abgeschlossen. Anders gesagt: Eine Ausgrabung, die nicht publiziert wird, kann man auch gleich sein lassen ¿ ganz gleich, wie bedeutend sie ist. Zudem hat das Werk Maßstäbe gesetzt, an denen sich zukünftige Projekte in Nordrhein-Westfalen messen lassen müssen¿, bewertete ´Prof. Heinz Günter Horn, Ministerialrat im NRW-Bauministerium das Projekt.

Das Auswertungsprojekt ¿Edition Paderborn¿ war zur Vorbereitung der großen Karolinger-Ausstellung 1995 ins Leben gerufen worden. Ihm gehörten insgesamt vier Wissenschaftler und eine wissenschaftliche Zeichnerin an. Das Projekt wurde gefördert vom LWL, dem Land NRW, dem Metropolitankapitel Paderborn und der Stadt Paderborn.

Nach dem ersten Band über die karolingische Wandmalerei von Matthias Preißler und dem nun vorliegenden zweiten Band zu den baulichen Überresten der karolingischen Pfalz ist ein dritter Band über die weitere Entwicklung der Pfalzanlage seit dem 11. Jahrhundert in Vorbereitung.

Das Werk über die karolingische Pfalz besteht aus zwei Bänden. Der erste Band enthält 533 Seiten Text und 480 Bilder. Der zweite Teil enthält rund 300 Pläne und Zeichnungen. Das Werk ist in der Kaiserpfalz und in jeder Buchhandlung erhältlich. Es kostet 79 Euro.

Sveva Gai und Birgit Mecke: Est locus insignis ... Die Pfalz Karls des Großen in Paderborn und ihre bauliche Entwicklung bis zum Jahre 1002. Die Neuauswertung der Ausgrabungen Wilhelm Winkel-manns in den Jahren 1964-1978. Mit einem Beitrag von Sascha Käuper. Denkmalpflege und For-schung in Westfalen 40, 2. Mainz 2004.Textband mit 533 Seiten und 480 Abbildungen, Schuber mit 166 Beilagen. ISBN 3-8053-3418-4, 79 Euro.



Pressekontakt:
Dr. Yasmine Freigang, Tel. 0251 5907-267 oder 0173 8301752
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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