LWL-Newsroom

Mitteilung vom 07.03.05

Presse-Infos | Der LWL

Verkohlte Kostbarkeiten öffnen das Fenster zur antiken Welt
Verschüttet vom Vesuv: LWL zeigt Ausstellung ¿Die letzten Stunden von Herculaneum¿

Bewertung:

Haltern (lwl). Zum ersten Mal ist eine Ausstellung über Herculaneum, den Nachbarort Pompejis außerhalb von Italien zu sehen: Ab dem 21. Mai präsentiert eine Schau in Haltern am See und anschließend in Berlin und Bremen neue Ausgrabungsfunde aus dem römischen Ort, der 79 nach Christus durch den Ausbruch des Vesuv unter einer 25 Meter hohen Schicht aus Asche, Schlamm und Bimsstein verschüttet wurde. Die Besucher der Ausstellung können ¿Die letzten Stunden von Herculaneum¿ nachempfinden. Dafür sorgen anschauliche Exponate wie Skelette aus den Bootshäusern am Strand, verkohlte Lebensmittel und Holzmöbel. Erstmalig verlassen kostbarste Wandmalereien, Goldschmuck und Bronzeskulpturen ihren Stammplatz im Nationalmuseum in Neapel. Die Ausstellung im Westfälischen Römermuseum Haltern ist eine Kooperation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), des Pergamonmuseums Berlin und des Focke-Museums Bremen. In einer Serie stellt der LWL wichtige Exponate der Ausstellung vor.


Die herculanischen Papyrusrollen


Zwei verkohlte Häufchen, die aussehen wie verbranntes Holz: Das sind die Reste der berühmten herculanischen Papyrusrollen. Nichts ist geblieben vom Prunk der ¿Villa dei Papiri¿, jener berühmten Sommerresidenz in Herculaneum. Der Erbauer hieß Lucius Calpurnius Piso und war der Schwiegervater von Julius Caesar. Es ist die größte und luxuriöseste Privatvilla der Römischen Welt, die bisher ausgegraben wurde, über 250 Meter lang mit Säulenhallen, Meeresterrassen, Aussichtspavillon - und vor allem mit der weltweit einzigen erhaltenen antiken römischen Bibliothek. Aus ihr stammen die beiden Papyrusrollen, Dokumente ¿von unschätzbarem Wert¿, wie Dr. Josef Mühlenbrock vom Westfälischen Römermuseum des LWL erklärt. Er ist Projektleiter der Ausstellung in Haltern und dafür verantwortlich, dass die Schau nicht nur verkohlte Reste einer untergegangenen Welt zeigt, sondern auch das Grollen des Vesuvs spüren lässt.

Der Zustand der Papyrusrollen ist außerordentlich gut. Und das, obwohl sie am 24. August 79 nach Christus unter einer glühendheißen Lawine aus Asche, Schlamm und Bimsstein begraben wurden. Das muss in Sekundenschnelle passiert sein, denn sonst wären die kostbaren Rollen vollständig verbrannt. So aber wurden sie unter einer 25 Meter dicken Gesteinsschicht konserviert. Als 1750 ein Bauer einen Brunnen anlegte, stieß er dabei auf die Mauern der prächtigen Villa. In mehreren Grabungen wurde das Haus samt seiner wertvollen Kunstschätze - Skulpturen, Wandmalereien, Mosaiken und der Bibliothek - freigelegt.

1700 Schriftrollen wurden bis heute gefunden und stellen die Wissenschaft noch immer vor Probleme. Schon bei den ersten Funden rätselten die Archäologen, wie die verkohlten Papyrusrollen entziffert werden können. Sie wurden zerschnitten, ausgehöhlt, mit Quecksilber behandelt. Manchmal blieben bei solchen Experimenten nur klägliche Reste zurück. Der Durchbruch gelang einem italienischen Mönch: Der Kalligraph aus der Vatikanischen Bibliothek entwickelte eine ¿Abrollmaschine¿. Dank dieser war es möglich, die einzelnen Blätter voneinander zu trennen. Heute werden die Seiten mit einer Essig-Gelatine-Substanz bestrichen und anschließend mit einer Pinzette abgelöst.

Als Experten im 18. Jahrhundert die ersten Schriftrollen entziffert hatten, reagierte die gelehrte Welt enttäuscht. Sie hatte geglaubt, Werke von Aristoteles und Tragödien von Sophokles zu finden. Zu Tage kamen aber vor allem Schriften zur Musik, Philosophie, Rhetorik und Poesie des syrischen Philosophen Philodemos von Gadara (circa 110 bis 30 vor Christus), eines bis dahin kaum bekannten Gelehrten. Der Archäologe Johann Joachim Winckelmann traf das Gefühl seiner Zeit, als er 1762 urteilte: ¿An einer hypochondrischen und zerstümmelten Klage wider die Music ist uns nicht viel gelegen.¿

Heute dagegen würdigt die Fachwelt den verkohlten Schatz aus der Villa dei Papiri angemessen: ¿Die Bibliothek ist ein einzigartiges Fenster zur antiken Welt¿, so die Einschätzung von Dr. Agnese Travaglione, Direktorin der Nationalbibliothek in Neapel. Internationale Forscherteams arbeiten dort gemeinsam an der Restaurierung der Papyrusrollen. Doch die Arbeit geht nur langsam voran. Es wird noch lange dauern, bis alle Geheimnisse der verschütteten Bibliothek enthüllt sind.

Verschüttet vom Vesuv
Die letzten Stunden von Herculaneum

21. Mai bis 14. August 2005
Westfälisches Römermuseum, Weseler Straße 100,
Haltern am See
Dienstag bis Freitag 9 bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr
https://www.herculaneum-ausstellung.de



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Links:
http://www.herculaneum-ausstellung.de



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos