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Mitteilung vom 23.11.04

Presse-Infos | Der LWL

Tagung: Junge Opfer häuslicher Gewalt brauchen Hilfe, damit sie nicht zu schlagenden Eltern werden

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Münster (lwl). ¿Na klar, er hatte eine schwere Kindheit und kriegt deswegen jetzt mildernde Umstände¿. Solche Reaktionen auf ¿milde¿ Gerichtsurteile sind zu hören, wenn Täter selbst einmal Opfer waren. Die Forschung bestätigt aber, dass es diesen Gewaltkreislauf gibt: Wer als Kind geschlagen oder schwer
vernachlässigt worden ist, wird unter bestimmten Umständen als Erwachsener selbst zuschlagen. Wie man dieses Wissen nutzen kann, um den Gewaltkreislauf zu durchbrechen, damit beschäftigten sich am Dienstag (23.11.) auf Einladung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) über 350 Sozialpädagogen, Mitarbeiterinnen aus Jugend- und Gesundheitsämtern, Rechts- und Staatsanwälte, Richter und Rechtsmediziner sowie Ärztinnen und Lehrer auf der Fachtagung ¿Heute Opfer ¿ Morgen Täter?¿, die der LWL gemeinsam mit den Landespräventionsrat NRW und der Fachhochschule Münster veranstaltet hat.

¿Unsere jüngsten Untersuchungen belegen, dass die Voraussetzungen für Gewaltbereitschaft schon früh im familiären Bereich gelegt werden. Die Gewaltbereitschaft hat wenig mit gesellschaftlich vermittelter Orientierungslosigkeit, aber viel mit Gewalt als Kommunikationsform im sozialen Nahbereich zu tun¿, fasst Prof. Dr. Britta Bannenberg von der Universität Bielefeld ihre Forschungsergebnisse zusammen. Schon aus Gründen des Opferschutzes sei es wichtig mit dem Strafrecht zu reagieren, das allein reiche aber nicht aus, da man damit nur noch sehr wenig Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Gewalttäter habe, so Bannenberg weiter.
¿Die neuen Forschungsergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, dass wir der Gewalt in der Erziehung aktiv begegnen. Ein erster wichtiger Schritt ist es, dass wir für das Problem ein Bewusstsein entwickeln und Aufklärung in allen Lebensbereichen betreiben. Damit Gewaltkreisläufe unterbrochen werden können, müssen wir präventive Strategien erarbeiten und sie auch anwenden¿, forderte Wolfgang Schäfer, der als LWL-Direktor auch für das Landesjugendamt verantwortlich ist.

Hier sieht Schäfer die Jugendhilfe in der Pflicht. Denn als der Gesetzgeber im Jahr 2000 mit dem so genannten Züchtigungsverbot das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung festschrieb, verpflichtete er die Jugendhilfe gleichzeitig dazu, Familien mit Erziehungsproblemen Wege auf zu zeigen, wie sie Konfliktsituationen gewaltfrei lösen können. Münsters Bürgermeisterin Karin Reismann demonstriert an Hand von einigen Beispielen, wie Kommunen diese Anforderung umsetzen können: Dazu gehört die ¿gelbe Karte¿, die Polizisten hinterlassen, wenn sie zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen werden. Diese Karte droht aber nicht mit einem ¿Platzverweis¿, sie nennt Tätern wie Opfern vielmehr Anlaufstellen, die ihnen helfen, ihre Probleme ohne Schläge zu lösen.

¿Um häuslicher Gewalt vorzubeugen, müssen wir nicht nur die Täter im Auge behalten, sondern uns auch intensiv um die Opfer kümmern. Dazu gehört es, dass den Kindern fachkundig dabei geholfen wird, ihre seelischen Verletzungen aufzuarbeiten, die sie zum Beispiel erleiden, wenn sie geschlagen oder grob vernachlässigt werden. Hier müssen wir über Berufsgrenzen hinweg Netze schaffen, damit aus jungen Opfern keine schlagenden Eltern werden¿, forderte Tagungsleiterin Prof. Dr. Luis Hartwig von der Fachhochschule Münster die Sozialpädagogen, Mitarbeiter aus Jugend- und Gesundheitsämtern, Rechts- und Staatsanwälte, Richter und Rechtsmediziner, sowie Ärzte und Lehrer zur Zusammenarbeit auf.
Wie notwendig das ist, belegen Zahlen des NRW-Innenministeriums: Während die Polizei 2002 landesweit 14.300 Fälle häuslicher Gewalt registrierte, waren es im vergangenen Jahr schon 16.402. Besonders alarmierend: Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 9.134 auf 10.518, die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen von 2.555 auf 3040. Im Jahr 2003 wurden aber nur 5.114 der Gewaltopfer an Beratungsstellen vermittelt.



Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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