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Mitteilung vom 07.09.04

Presse-Infos | Der LWL

Glas: Vom Luxusartikel zum Gebrauchsgegenstand
WIM-Ausstellung zeigt zum Jubiläum ¿Schätze der Arbeit¿

Bewertung:

Dortmund (lwl). Mit einer großen Ausstellung feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Westfälischen Industriemuseums (WIM). Mehr als 250.000 Objekte hat das Museum in dieser Zeit zusammengetragen - ein Gedächtnis der Region: Die Objekte liefern einmalige Einblicke in die Arbeits- und Alltagsgeschichte der Industrialisierung. Das Spektrum reicht vom Abortkübel bis zur Dampflok, von der Glasmacherpfeife bis zum Henkelmann. Nur ein Bruchteil der Stücke ist normalerweise in den Dauerausstellungen an den acht Standorten des Museums in Bocholt (Kreis Borken), Bochum, Dortmund, Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis), Lage (Kreis Lippe), Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke), Waltrop (Kreis Recklinghausen) und Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis) für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Jubiläum packt das WIM sein Lager aus und zeigt in der Zentrale auf der Zeche Zollern II/IV in Dortmund rund 500 ¿Schätze der Arbeit¿. In einer Serie stellt der LWL die originellsten, ältesten und bedeutsamsten Exponate der Ausstellung vor.


Mundgeblasenes Glas
Heute stehen an jeder Ecke Altglascontainer - ein Zeichen des Massenverbrauchs von Glas. Das war nicht immer so. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Wertstoff Glas wirklich wertvoll, vergleichsweise teuer und deshalb hauptsächlich wohlhabenden Kreisen vorbehalten. Dementsprechend verhielten sich die Menschen: In manchen Gaststätten tranken die Zechkumpane noch um 1850 reihum aus dem gleichen Schnapsglas, und die Milch wurde noch um 1950, zu Beginn des Wirtschaftswunders, in der Kanne nach Hause getragen. In der Pharmazie setzte sich das Glas allerdings bereits in vorindustrieller Zeit durch. Bei der Säuglingspflege, wo Hygiene ebenfalls eine große Rolle spielt, waren gläserne Nuckelflaschen bereits im 18. Jahrhundert in Gebrauch.

Das Westfälische Industriemuseum besitzt mehr als 20.000 historische Glasobjekte aus dem 17. bis 20. Jahrhundert. An ihnen lässt sich ablesen, wie sich die Verwendung von Glas geändert hat: vom Luxusartikel zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand. Nicht geändert hat sich jedoch über viele Jahrhunderte die Produktion von Glas. Die Rohstoffe wurden auf circa 1600 Grad Celsius erhitzt, bis sie sich verflüssigten. Anschließend wurde die Glasmasse auf eine Verarbeitungstemperatur von circa 1000 Grad Celsius kaltgeschürt und mit Hilfe der Pfeife zu Hohlkörpern verarbeitet - das war die Aufgabe des Glasmachers. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts verdrängte die Glasblasmaschine die Glasmacherpfeife aus der industriellen Produktion. Künstlerische Glasobjekte werden aber noch heute mit der Pfeife geblasen.

In der vorindustriellen Zeit stellten im Weserbergland viele Kleinbetriebe Waldglas her. Wie es zu dem Namen kam erklärt Dr. Thomas Parent, stellvertretender Direktor des Westfälischen Industriemuseums: ¿Der Name verweist einerseits auf die grüne Farbe des Glases, das aus Kostengründen nicht entfärbt wurde. Andererseits spielt der Name auf die Herkunft des Glases an: Es stammte aus so genannten Wanderhütten. Das waren Glashütten in entlegenen Waldgebieten, in denen es genug Holz zum Befeuern der Schmelzöfen gab. War ein Waldstück abgeholzt, wanderte die Hütte an einen anderen Ort.¿

Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Steinkohle zur Befeuerung der Öfen durchsetzte, bekam die Glasproduktion einen kräftigen Anschub. Manche Betriebe beschäftigten damals schon mehrere hundert Arbeiter und stellten jährlich mehr als eine Million Glasgefäße her. Aus dieser Zeit stammen auch die großen Vorratsgefäße mit umbördeltem Rand: die so genannten Weserhäfen. Der umgeschlagene Rand erleichterte das Zubinden des Glasgefäßes - zum Beispiel mit Hilfe einer Schweineblase. Benutzt wurden solche Vorratsgefäße zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, zum Beispiel zum Einlegen von sauren Gurken. Es ist aber auch überliefert, dass Bauersfrauen in den Dörfern der Mittelweser-Region in solchen Weserhäfen das Blut von frisch geschlachteten Schweinen einrührten, um Blutwurst herzustellen.

Der ausgestellte Weserhafen ist etwas unregelmäßig geformt, das Glas ist schlierig. ¿Erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sollte das Gebrauchglas den heute üblichen Qualitätsstandard erreichen¿, erklärt Parent. Gleichzeitig wurde das Glas immer preiswerter, so dass es seit circa 1880 bei der Konservierung von Lebensmitteln zunehmend an Bedeutung gewann. Die Vorteile von Glas sind vielfältig: Die glatten Wände der Gefäße haben keine Poren, in denen sich Schmutz als Nährboden für Bakterien festsetzen kann, und lassen sich leicht reinigen. Zudem sind sie durchsichtig, so dass der Inhalt auf einen Blick erkannt werden kann. In der Nachfolge der Weserhäfen standen schließlich die Einweck-Gläser, die sich erheblich zuverlässiger luftdicht verschließen ließen als die Zubindegläser mit umbördeltem Rand. In der Ausstellung ¿Schätze der Arbeit¿ werden auch drei Einmachgläser gezeigt, deren Inhalt auch nach dreißig Jahren offenbar noch nicht verdorben ist.

Schätze der Arbeit
25 Jahre Westfälisches Industriemuseum
20. Juni bis 12. September 2004
Zeche Zollern II/IV (Alte Werkstatt), Grubenweg 5,
44388 Dortmund-Bövinghausen

Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Links:
http://www.zeche-zollern.de



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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