Mitteilung vom 13.07.04
Presse-Infos | Der LWL
Die öffentliche Verbrennung des Jacquard-Webstuhls
LWL zeigt zum Jubiläum seines Industriemuseums 'Schätze der Arbeit'
Dortmund (lwl). Mit einer großen Ausstellung feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Westfälischen Industriemuseums (WIM). Mehr als 250.000 Objekte hat das Museum in dieser Zeit zusammengetragen - ein Gedächtnis der Region: Die Objekte liefern einmalige Einblicke in die Arbeits- und Alltagsgeschichte der Industrialisierung. Das Spektrum reicht vom Abortkübel bis zur Dampflok, von der Glasmacherpfeife bis zum Henkelmann. Nur ein Bruchteil der Stücke ist normalerweise in den Dauerausstellungen an den acht Standorten des Museums für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Jubiläum packt das Westfälische Industriemuseum sein Lager aus und zeigt ab dem 20. Juni in der Zentrale auf der Zeche Zollern II/IV in Dortmund rund 500 "Schätze der Arbeit". In einer Serie stellt der LWL die originellsten, ältesten und bedeutsamsten Exponate der Ausstellung vor.
Jacquard-Webstuhl und Musterbücher
Die Erfindung war aus der Not heraus geboren: Als Kind musste Joseph-Marie Jacquard an den Webstühlen als Ziehjunge arbeiten. Er saß oben auf der Maschine und zog die Kettfäden mit der Hand nach oben - je nach Muster. Diese beschwerliche Arbeit vergaß er nie. Als Erwachsener erfand Jacquard einen Webstuhl, der von Lochkarten gesteuert wurde. Das war 1805 im französischen Lyon.
Ein Jahr später wurde seine Maschine zerstört: Auf Geheiß des Zunftmeisters der Weber wurde sie öffentlich verbrannt. Zu groß war die Angst der Konkurrenz vor der schnellen Jacquard-Maschine, zu sehr befürchteten die Arbeiter, dass ihre Kinder nun arbeitslos würden. Jacquard (1752 bis 1834) starb verarmt - obwohl bereits innerhalb wen
iger Jahre nach seiner Erfindung 18.000 Maschinen in Frankreich standen. Und obwohl er das Grundprinzip des Computers erfunden hatte.
Das Prinzip ist einfach: Jacquard reduzierte komplizierte Abläufe - das Weben eines Musters - so lange, bis die Antworten nur noch "Ja" oder "Nein" waren, Aktion oder Nicht-Aktion, Kettfaden hoch oder Kettfaden runter. Noch heute funktionieren alle Computer nach diesem so genannten binären System aus "0" und "1". Jacquard entwarf Lochkarten mit 26 Spalten und acht Zeilen. Daraus resultieren 208 mögliche Löcher, die entsprechend dem späteren Muster des Stoffes ausgestanzt waren. Die Karten werden an den Kanten verbunden und zu einem Abtastgerät geführt. Dort fahren Nadeln darüber. Sinken sie in ein Loch, wird der entsprechende Kettfaden gehoben, rutschen sie über Pappe, bleibt der Kettfaden unbewegt.
Die Zunft erkannte diese Revolution des Webens sofort und versuchte sie zu verhindern. Erstmals konnten beliebig viele Stoffe exakt mit ein und demselben Muster gewebt werden, alle nach einer Vorlage. Das Lochsystem arbeitete exakt, fehlerfrei und ohne Pause. Doch die ¿öffentliche Hinrichtung der Jacquard-Maschine", wie die Wut entbrannte Zerstörung der ersten Jacquard-Maschine in den Geschichtsbüchern genannt wird, konnte die Revolution nicht aufhalten. Noch heute arbeiten die Webstühle nach Jacquards Prinzip. Nur, dass Disketten und Computerprogramme die Lochkarten ersetzt haben.
Die Musterbücher, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, beweisen, wie leistungsfähig die Lochkarten-Webmaschine schon damals war: Sie geben bunte Zeugnisse der Mode vom Anfang des 20. Jahrhunderts.
Eine Vorführung des Jacquard-Webstuhls gibt es am Samstag, 17. Juli, und am Samstag, 4. September, jeweils von 11 bis 17 Uhr in den Räumen der Ausstellung. Arno Sendner und Manfred Tangerding vom LWL-Textilmuseum Bocholt zeigen, wie bunte Stoffe entstehen.
Schätze der Arbeit
25 Jahre Westfälisches Industriemuseum
20. Juni bis 12. September 2004
Zeche Zollern II/IV, Grubenweg 5,
Dortmund-Bövinghausen
Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene: 3,50 ¿, ermäßigt: 2,10 ¿, Familienkarte: 8 ¿
https://www.industriemuseum.de
Pressekontakt:
Markus Fischer, Telefon 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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