Mitteilung vom 02.07.04
Presse-Infos | Der LWL
170 Experten beschäftigen sich beim "1. Westfälischen Tag für Denkmalpflege" mit dem Weiterbauen am Denkmal
Münster (lwl). Ein Baudenkmal kann man auf Dauer nur erhalten, wenn es genutzt wird. Doch was tun, wenn der Platz für die geplante Nutzung nicht reicht? Dann darf sich ein Anbau oder ein Treppenhaus an die historische Bausubstanz anfügen. Aber wie soll die Erweiterung eines historischen Baudenkmals aussehen? Mit dieser Frage, die in der Denkmalpflege fast täglich auftaucht, beschäftigten sich auf Einladung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) 170 Denkmalpfleger, Architekten, Denkmaleigentümer, Mitarbeiter von öffentlichen Verwaltungen und kirchlichen Institutionen beim "1. Westfälischen Tag für
Denkmalpflege" am Freitag und Samstag (2./3. Juli) in Münster unter dem Titel "Weiterbauen am Denkmal - Historische und aktuelle Beispiele von Erweiterungs- und Zusatzbauten an Baudenkmälern".
"Die Geschichte von Denkmälern und von Denkmalbereichen endet nicht mit der so genannten Unterschutzstellung. Wenn Veränderungen notwendig sind, erhält das Denkmal mit den Erweiterungen weitere Geschichtsspuren", erklärt Prof. Dr. Eberhard Grunsky, Leiter des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege beim LWL. Ein Grund für Veränderungen kann sein, dass ein Denkmal anders genutzt werden soll. Oft reicht aber einfach der Platz nicht mehr aus, weil die Familie gewachsen ist, die in einem Baudenkmal wohnt oder ein Unternehmen, das in einem Denkmal arbeitet, expandieren möchte.
"Manchmal kommen bauordnungsrechtliche Vorgaben wie die Schaffung eines zweiten Rettungsweges hinzu oder der Wunsch nach einem behindertengerechten Zugang, der den Anbau von Aufzugstürmen notwendig machen kann. Bis in die jüngere Vergangenheit haben Gemeinden ihre Kirchen erweitert oder um Sakristeien ergänzt, weil sich die Gemeindegröße verändert hatte oder die Gemeinde die Kirche umgestaltet hat, um sie auf andere Art und Weise nutzen zu können", so Grunsky.
Gelegentlich sei der Anbau an ein Denkmal sogar ausdrücklich einem Eingriff in die kostbare historische Struktur des Baudenkmals vorzuziehen, weil ansonsten Originalsubstanz unwiederbringlich verloren gehen würde, so der LWL-Chefdenkmalpfleger weiter. "Dann stellt sich die Frage, ob man den Anbau möglichst unauffällig an das historische Gebäude anpassen oder bewusst in zeitgenössischer Formensprache absetzen sollte. Diese Entscheidung kann man nur im konkreten Einzelfall beantworten. Dabei muss man die Denkmaleigenschaft und die geplante Nutzung des Einzelfalls betrachten", lehnt Grunsky eine pauschale Antwort auf eine der
kniffeligsten Fragen in der Denkmalpflege ab.
In acht Kurzvorträgen haben nicht nur LWL-Denkmalpfleger sondern auch Architekten, Hochschullehrer, kommunale Denkmalpfleger und Nutzer von Denkmälern beim "1. Westfälischen Tag für Denkmalpflege" ihre Sicht des Themas dargestellt. Bei drei Exkursionen in Münsters Innenstadt, ins Münsterland (Ascheberg, Davensberg und Lüdinghausen) und ins Ruhrgebiet (Recklinghausen, Bochum, Gelsenkirchen) haben sich die Tagungsteilnehmer konkrete Beispiele für das Weiterbauen am Denkmal angeschaut. Dabei haben die 170 Tagungsteilnehmer anhand von gelungenen und weniger gelungenen Fallbeispielen Grundsätze herausgearbeitet, die Denkmaleigentümern und Architekten sowie der interessierten Fachöffentlichkeit für die Zukunft als Anregung und Leitlinie dienen können.
Diese Grundsätze sehen zum Beispiel vor, dass bei Veränderungen die Denkmalerhaltung Vorrang hat vor dem Wunsch, das Überlieferte zu verschönern. Im Mittelpunkt steht dabei immer, die Baudenkmäler in ihrer alten Substanz zu erhalten. "Nur diese Substanz macht sie zu glaubhaften Geschichtszeugnissen. Verjüngungskuren oder Stilkorrekturen sind kein angemessener Umgang mit Geschichtszeugnissen", betont Grunsky.
Wenn Veränderungen oder Erweiterungen zwingend notwendig sind, damit das Denkmal überleben kann, muss auch der neue Teil ein glaubwürdiges Zeugnis für seine Entstehungszeit sein. "Auch wenn - etwa im Rahmen eines Fassadenprogrammes " "Sünden der Vergangenheit' durch "Rückbau' wieder "geheilt' werden, wird neu gestaltet. Ob man sich dazu alter Formen bedienen soll und eventuell verlorene Teile nachbildet, muss man in jedem Einzelfall sehr gründlich bedenken. Im Zweifelsfall - und das dürfte der Normalfall sein - sollte man darauf verzichten", rät Grunsky zur Zurückhaltung. Die Frage nach der gestalterischen Qualität von Neuem in oder an Denkmälern oder von Neubauten in Denkmalbereichen zu beantworten, sei keine Aufgabe von Denkmalpflegern. Sie hätten allein danach zu urteilen, welche Auswirkungen das Neue auf das Alte habe, ob es Denkmalsubstanz zerstöre oder gefährde, oder ob das Erscheinungsbild beeinträchtigt werde, so der LWL-Chefdenkmalpfleger weiter.
Hintergrund:
Der "Westfälische Tag für Denkmalpflege", den der LWL in diesem Jahr erstmals organisiert hat, wendet sich an Denkmaleigentümer, Denkmalpfleger, Architekten, Ehrenamtliche, Mitarbeiter von öffentlichen Verwaltungen und kirchliche Institutionen sowie die interessierte Öffentlichkeit. Er soll künftig alle zwei Jahre stattfinden und den Teilnehmern Informationen und Diskussionsmöglichkeiten zu einem fest umrissenen Arbeitsfeld der Denkmalpflege bieten
Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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