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Mitteilung vom 07.06.04

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"Hier spielt die Zukunft": 120 Experten diskutieren auf LWL-Fachtagung den Bildungsauftrag der Kindergaerten

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Vlotho (lwl). Im Kindergarten spielen die Kinder, erst in der Schule lernen sie, oder? Diese Auffassung ist längst überholt. Und das gilt nicht nur für Kinder, die in der Vorschulzeit ihre Deutsch-Defizite ausgleichen sollen. Denn Kinder bilden sich spielend, sie sind geborene Lerner. Was kann, was soll sich in den Kindergärten ändern, damit sie ihren Bildungsauftrag bestmöglich erfüllen? Wie können sie am besten mit den Grundschulen zusammenarbeiten, um den Kindern einen optimalen Schulstart zu ermöglichen? Diesen Fragen gingen 120 Fachkräfte aus Tageseinrichtungen für Kinder bei der Fachtagung "Hier spielt die Zukunft ¿ Bildung im Kindergarten" nach, die der Landschaftsverband am 7. und 8. Juni auf seinem Jugendhof in Vlotho (Kreis Herford) veranstaltet hat.

"Im Kindergarten müssen die Erzieherinnen zunächst feststellen, wie weit jedes einzelne Kind entwickelt ist. Erst wenn sie seine Bildungsinteressen kennen und wissen, in welchen Bereichen es gefördert werden muss, können sie die pädagogische Arbeit planen. Es kann also im Kindergarten keinen Bildungskanon geben, der von allen Kindern durchlaufen wird, sondern nur spezielle Bildungsinhalte für jedes einzelne Kind", fasste Dr. Rainer Strätz vom Sozialpädagogischen Institut Köln den Kern der "Bildungsvereinbarung NRW" zusammen, die die Träger der Kindertagesstätten mit dem Land abgeschlossen haben. Die Eltern müssten aus Datenschutzgründen allerdings zustimmen, dass die Daten zu ihrem Kind dokumentiert und Aussagen zu ihrer Bildungsentwicklung später an die Schule weiter gegeben würden, so Strätz weiter, der betonte, dass Bildung sich auf die gesamte Persönlichkeit beziehe und auf künftige Lebensabschnitte vorbereite, sie also mehr beinhalte als nur Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln.

Ein Ziel der Bildungsvereinbarung ist eine "Erziehungspartnerschaft" von Erzieherinnen und Eltern. "Um das zu erreichen, müssen einige Eltern, die mit der Erziehungsaufgabe ihrer Kinder überfordert sind, unterstützt werden. Wir haben mit einem vom finnischen Kinderschutzbund entwickelten Bildungsmodell gute Erfahrungen gemacht, bei dem unsere Erzieherinnen Kurse für Eltern anbieten. Diese Kurse steigern die Erziehungskompetenz der Eltern und verhindern dadurch einerseits Gewalt in den Familien und stärken andererseits die Rechte der Kinder, ihre Lebensbedingungen mitzugestalten", berichtete Margot Wellhöner vom städtischen Kindergarten Auerhahnstraße in Gütersloh.

Das Land hat das Schulpflichtgesetz novelliert, um den Kindern einen möglichst einfachen Übergang in die Schule zu ermöglichen: Die Eltern müssen ihre Kinder künftig bereits ein Jahr vor der Einschulung an der Schule anmelden. Dann erfasst die Schule den Entwicklungsstand und den Förderbedarf jedes einzelnen Kindes aus ihrer Sicht, so dass die Kinder mögliche Defizite ¿ zum Beispiel in der sprachli-chen Entwicklung ¿ bis zum Schulstart ausgleichen können. "Die künftige Schuleingangsphase, in der zwei Jahrgänge zusammengefasst werden, gibt jedem Kind mit seinen jeweiligen Bildungsvoraussetzungen die Möglichkeit, den Start ins schulische Lernen zu finden", nennt Strätz eine weitere Neuerung. Bernhard Eibeck vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht in der Schule weiteren Verbesserungsbedarf: "Es ist eine politische Entscheidung, Kinder in ein Unterrichtskonzept zu zwängen, ihre individuelle Leistung zu zensieren und sie sitzen zu lassen, statt sie zu fördern. Die Kinder werden der Schule angepasst, sie sollen beweisen, dass sie schulfähig sind. Wäre es nicht angemessen, in regelmäßigen Abständen die Lehrer daraufhin zu testen, ob sie ihren Auftrag, allen Kindern die für sie beste Bildung anzubieten, auch nachkommen?"

Das "Aachener Modell" setzt schon bei der Ausbildung der Lehrer und Erzieherinnen am staatlichen Studienseminar und an der katholischen Sozialpädagogischen Fachschule an: Damit die "pädagogischen Nachbarn" erst gar keine Vorurteile gegeneinander entwickeln und mehr Einblicke in die Arbeit des Anderen bekommen, durchlaufen sie während der Ausbildung ein Praktikum im Arbeitsfeld des Anderen. "Unsere positiven Erfahrungen legen es nahe, die beiden Ausbildungsgänge zu verzahnen, indem angehende Erzieherinnen und Lehrer zunächst ein gemeinsames Grundstudium an einer Fachhochschule durchlaufen", forderte Dr. Rudolf Nottebaum von der Fachschule für Sozialpädagogik Aachen.

Und was kostet das alles? Diese Frage rückt in Zeiten leerer Kassen immer mehr in den Mittelpunkt. Die Universität Bielefeld hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung nachgerechnet und ist dabei zu einem überraschenden Ergebnis gekommen: Nicht nur bildungspolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich betrachtet lohnt sich die Investition in die frühkindliche Bildung. "Die Mütter, deren Kinder im Kindergarten untergebracht sind, können berufstätig sein und so ebenfalls einen positiven Beitrag zur Volkswirtschaft leisten wie das Personal in den Kindergärten. Gäbe es die Kindertagesstätten nicht, müsste die öffentliche Hand stattdessen viel mehr Arbeitslosengeld und Sozialhilfe zahlen.
Auf diese Weise bringt jeder in den Elematarbereich investierte Euro volkswirtschaftlich betrachtet vier Euro Gewinn, investiert man 5200 Euro in einen Kindergartenplatz kann man damit einen volkswirtschaftlichen Ertrag von 20.000 Euro erreichen", rechnete Kathrin Bock-Famulla von der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung vor.



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