Mitteilung vom 23.04.04
Presse-Infos | Der LWL
Wenig Tiefgang für die Ems: Die Pünten
Radwanderführer zur Regionale erscheint am 1. Mai
Greven (lwl). Rechtzeitig zur Eröffnung des neuen Emsauenweges zwischen Rheine und Warendorf am 1. Mai bringt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) einen kulturhistorischen Führer im Taschenbuchformat heraus, der sich besonders für Radwanderungen eignet (12,80 Euro, Tecklenborg-Verlag Steinfurt, ISBN 3-934427-43-x). Ein Kapitel im "Emsauenweg-Radwanderführer" zur Regionale 2004 beschäftigt sich mit der ehemaligen Emspüntenwerft bei Greven.
Heute ist die Stelle "Krögers Kamp" in Grevens Innenstadt durch Straßen, einen Baumarkt und den angrenzenden Discounter vollkommen überdeckt; vielleicht schon seit dem ausgehenden Mittelalter lagen hier und weiter nördlich im Bereich des heutigen Emslaufes die wichtigsten Hafen- und Stapel-plätze Grevens.
Zirka einen Kilometer nördlich dieses Areals ist auch der früheste bekannte Emshafen bei "Witte Oevers" zu suchen. Eine Lithographie aus dem Jahr 1856 zeigt anschaulich das Treiben auf "Krögers Kamp" mit zu verladenden Hölzern, Waren in Fässern und mit beladenen Schiffen auf der Ems. Den zweiten Stapelplatz passierte man Ems aufwärts bei Schöneflieth, wo auch der schiffbare Teil des Flusses endete. Nur zur Zeit des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen (1650 - 1678) versuchte man, letztendlich vergebens, den Schiffsverkehr bis Telgte und Warendorf auszudehnen.
Der Warentransport auf der Ems ist eng mit einem speziellen Schiffstypus verknüpft: der Emspünte. Schon 1582 wird berichtet, dass solche Pünten an der Schöneflieth anlandeten. Ihr urtümlich wirkendes Erscheinungsbild bestimmt der schräg ansteigende Bug, der nicht spitz zuläuft, sondern gerade abschließt. So kann die Pünte mit dem Bug voran an Land Fracht und Pferd aufnehmen oder absetzen.
Als Flussschiff, das ständig mit geringen Wasserständen der Ems zu kämpfen hat, besitzt die Pünte keinen Kiel, sondern einen Flachboden. Auch die seitlichen Bordwände ragen fast senkrecht auf. Im vorderen Drittel ist der umlegbare Mast mit dem trapezförmigen Segel angeordnet. Ergänzend ist die Pünte auch mit einer Vorrichtung zum Treideln ausgerüstet, so dass das Schiff vom Ufer aus durch Pferde gezogen werden kann. Auf diese Weise erreichte eine mit zwei Personen bemannte und einem Pferd ausgerüstete Pünte von Leer aus in sechs bis acht Tagen Greven.
Sind kleinere Pünten zunächst im 19. Jahrhundert zirka 15 Meter lang und vier Meter breit und tragen 20 Tonnen, so entwickeln sich Anfang des 20. Jahrhunderts Spitzengrößen von 26 Metern Länge und fünf Metern Breite mit einer Tragfähigkeit von 180 Tonnen. Entscheidend für die Verwendungsmöglichkeiten des Bootes ist aber sein Tiefgang, der oft nur durch eine reduzierte Ladung den unzureichenden Wasserständen der Ems angepasst werden konnte. Pünten haben unbeladen meist um 30 Zentimeter Tiefgang, vollbeladen reichen sie meist bis zu 60 Zentimeter ins Wasser.
Die Pünten wurden auf einfachen Werftanlagen aus Eichen- und Tannenhölzern in überraschend kurzen Zeiträumen von zwei bis vier Monaten gebaut. Ein Zentrum der Püntenherstellung im ausgehenden Mittelalter und der Neuzeit lag in Haren an der Ems. Doch auch an der "Flüthe" in Greven, ebenfalls im Bereich von "Krögers Kamp", liefen um die Mitte des 19. Jahrhunderts Pünten vom Stapel.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Schiffbarkeit der Oberems zwischen Rheine und Greven durch verschiedene Wasserbaumaßnahmen erheblich verbessert. Vor diesem Hintergrund begann der Grevener Kaufmann Ludwig Terfloth mit Hilfe des Harener Schiffsbauers und Kapitäns Carl Giesler ab 1847 an der "Flüthe" mit dem Bau von Pünten. Das erste Schiff trug den programmatischen Namen "Gute Hoffnung". Trotz des Enthusiasmus, mit dem Terfloth die Püntenschifffahrt auf der heimischen Ems auch dichterisch feierte, wurde der Werftbetrieb nach dem Bau von drei Schiffen wieder eingestellt. Die immer noch unzureichende Schiffbarkeit der Oberems erlaubte keinen wirklich rentablen Werft- und Reedereibetrieb nach modernen ökonomischen Gesichtspunkten, wie er Terfloth vorschwebte.
Durch die Eröffnung der Westfälischen Eisenbahn 1856 erwuchs der Emsschifffahrt bald ein übermächtiger Konkurrent, der das Transportaufkommen des Handels zwischen Münster, Ostfriesland und Holland immer stärker an sich zog. Hatte schon der unvollendete Max-Clemens-Kanal im 18. Jahrhundert bei der Emsschifffahrt zu merklichen Einbußen geführt, konzentrierten sich ab 1892 alle staatlichen Interessen auf die Bauarbeiten am Dortmund-Ems-Kanal. Die Pünten waren den moder-nen Kanalschiffen mit vielfach größeren Transportkapazitäten hoffnungslos unterlegen.
Die Pünten starben einen langsamen Tod auf Schiffsfriedhöfen in der "Blauen Donau", einem Ems-Altarm, oder wurden zu Bau- oder Brennholz verarbeitet. 1958 ging die letzte Pünte "Thea" aus Haaren auf ihre letzte Reise. Da offensichtlich niemand die kulturgeschichtliche Bedeutung der Pünten erkannt hatte, blieb keines dieser robusten Schiffe erhalten.
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