Mitteilung vom 10.12.03
Presse-Infos | Der LWL
LWL-Jugendexperte: 'Suchtvorbeugung auf den Lehrplan von Klasse Sechs!'
Neue Konzepte wappnen junge Experimentierer gegen Rauchen, Kiffen, Saufen
Münster (lwl). Raucher schon mit elf Jahren, jeder dritte Neuntklässler kifft, 'Kampf-Trinken' oder 'Koma-Saufen' macht Schule vor allem unter vorpubertären Jungen ¿ Jugenddezernent Hans Meyer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) folgert aus diesen Ergebnissen einer landesweiten Jugendgesundheitsstudie der Uni Bielefeld vor allem eines: 'Lieber heute Kinder wirksam gegen Süchte wappnen als morgen Krankheitskosten für Erwachsene tragen'. Doch während neue Modelle in der Frühvorbeugung Früchte tragen, leiden deren Träger unter versiegenden öffentlichen Finanzquellen, beklagte Meyer am Mittwoch (10.12.03) bei der Jahrestagung seiner LWL-Koordinationsstelle Sucht in einem münsterischen Gymnasium.
Während etwa Anbieter grell-bunter Alcopop-Getränke dank rauschanfälliger Kids zweistellige Umsatzzuwächse machen, würden wegen Geldmangels in der Prävention viele Chancen vertan, frühzeitig an suchtgefährdete Jungen und Mädchen heran zu kommen, so Meyer weiter. Suchtprävention gehöre in allen sechsten Klassen auf den schulischen Lehrplan, forderte Meyer, weil gerade unter den Fünft- bis Siebentklässlern das Ausprobieren von Suchtmitteln aller Art rasant ansteige. Auch beispielgebende Präventionsstragien wie etwa im Lörracher Bundesprojekt 'HaLT (Hart am Limit)', das Jugendliche spätestens nach ihrer ersten Alkoholvergiftung erfolgreich wieder aufs Trockene bringt, oder das bundesweite LWL-Projekt 'FreD' ('Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten') müssten weiter geführt und ausgebaut werden, so Meyer.
In acht Bundesländern (Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen) habe 'FreD' gezeigt, dass ein großer Teil der polizeilich erstmals erwischten Konsumenten illegaler Drogen gezielt und mit verhältnismäßig wenig Aufwand vor dem Abdriften in die Suchtkarriere bewahrt werden können, schilderte Wolfgang Rometsch von der LWL-Koordinationsstelle Sucht. In dem zweijährigen Projekt hatten Justiz, Polizei und Drogenhelfer an 15 FreD-Standorten jeweils achtstündige, freiwillige Gruppen-Gesprächskurse für 675 Erstauffällige ¿ zu 96 Prozent junge Cannabis-Probierer ¿ arrangiert, in denen Fachleute ihnen drohende Gefahren härteren Drogenkonsums vor Augen führten.
Laut LWL-Koordinationsstelle Sucht registrieren Polizei und Justiz in Deutschland pro Jahr etwa 240.000 junge Menschen als Neu-Konsumenten von 'Party-Drogen' wie Ecstasy, Amphetaminen, Kokain, LSD oder Cannabis. Jeder Dritte ist zwischen 14 und 20 Jahre alt. Mit mehr als 130.000 (= 55 Prozent) stellen Kiffer die Mehrzahl der erstmalig Ertappten. Weil das Betäubungsmittelgesetz bei den Erstauffälligen eine Einstufung als lediglich geringes Vergehen zulässt, bleibt das Erwischtwerden aber zumeist folgenlos in puncto Prävention. Die Drogenkarriere setzt sich fort. 'Dagegen hat ¿FreD¿ bewiesen, dass man genau an der Wegmarke des ersten aktenkundigen Gesetzeskonflikts ansetzen und Betroffenen frühzeitig, sprich: im Durchschnitt schon nach drei und nicht erst nach sechs Jahren ihres zugegebenen Drogenkonsums helfen kann', so Wolfgang Rometsch.
Im Unterschied zu Drogen- und Alkoholmissbrauch gebe es für junge Nikotinsüchtige noch kaum tragfähige Hilfekonzepte in der so genannten Sekundärprävention, also beim Vorbauen gegen fortschreitende Abhängigkeitsstufen. Anti-Raucher-Entwöhnungsprogramme oder medikamentös unterstützte Angebote richteten sich vornehmlich an Erwachsene. 'Kinder- und jugendgerechte Hilfen bedürfen dringend der Erprobung', forderte neben den LWL-Suchtexperten Rometsch und Meyer auch Dr. Wolfgang Settertobulte von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Uni Bielefeld. Als Mitautor der neuesten nordrhein-westfälischen Jugendgesundheitsstudie mit mehr als 5000 befragten Schülern zwischen elf und 15 Jahren wies Settertobulte darauf hin, dass das Einstiegsalter zum regelmäßigen Rauchen zwischen 1998 und 2002 von durchschnittlich zwölfeinhalb Jahren auf 11,3 Jahre bei Jungen bzw. 11,9 Jahre bei Mädchen gesunken sei.
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