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Mitteilung vom 02.07.03

Presse-Infos | Der LWL

LWL-Chefarchäologin wird 60
Eine Frau gräbt sich durch halb Westfalen

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Münster (lwl). Dr. Gabriele Isenberg, die Chefarchäologin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) feiert am Donnerstag (3. Juli) ihren 60. Geburtstag. Kaum eine Kirche, kaum ein mittelalterliches Stadtzentrum, kaum ein Kloster in Westfalen, das sie nicht untersucht hat ¿ die Direktorin des Westfälischen Museums für Archäologie und Landesarchäologin für Westfalen hat sich in den vergangenen 30
Jahren durch halb Westfalen gegraben.

Die Leiterin eines Hauses mit allein 120 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde 1997 als erste Frau in die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts berufen. Dabei kam die in Hattingen aufgewachsene Westfälin erst spät und auf Umwegen zur Archäologie. Studiert hatte sie zunächst Deutsch, Kunstgeschichte und Geschichte, geliebäugelt auch mit dem Theater. Bei einem Studienaufenthalt in England erhielt sie Ende der 60er Jahre die Möglichkeit, an den berühmt gewordenen Ausgrabungen in Winchester teilzunehmen. Damit war sie ¿infiziert" von der Archäologie, wie die Arzttochter selbst sagt. Von den Engländern, damals führend im Ausgrabungswesen, lernte sie alle Techniken und Methoden im Umgang mit im Boden steckenden Kulturgütern: vom Vermessen des Geländes über das Freilegen von Mauern und Scherben bis zum Zeichnen und, letztlich das Wichtigste, die Interpretation der Funde, Lernen sie zum Sprechen zu bringen.

Vom Mindener Stadtkern (Kreis Minden-Lübbecke) bis zum Haus Herbede in Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis), vom Heidenturm in Ibbenbüren (Kreis Steinfurt) bis zur Unterkirche in Hallenberg (Hochsauerlandkreis) hat die Mittelalter-Expertin seit 1974 hunderte archäologische Untersuchungen geleitet, von der kurzzeitigen Baustellenbeobachtung bis zur mehrjährigen Großgrabung.

Als Mittelalter-Expertin und seit 1980 Leiterin der Mittelalterarchäologie des LWL-Amts für Bodendenkmalpflege im Westfälischen Museum für Archäologie lagen ihre Schwerpunkte vor allem in Kirchen, Stadtkernen und Klöstern, aber auch in einigen Burgen. ¿Dr. Isenberg hat dazu beigetragen, dass die Archäologie immer wichtiger wird, wenn es darum geht, uns selbst besser zu verstehen, woher wir kommen und was wir sind. Und durch ihr großes Engagement, unter anderem ist sie Vorsitzende des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung, hat sie die Leistungen der westfälischen Archäologie weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht, " würdigte Prof. Dr. Karl Teppe, Kulturrdezernent des LWL, die Museumsdirektorin.

Schon ihre erste Ausgrabung in Westfalen begründete ihren Ruf. 1974 konnte in Minden (Kreis Minden-Lübbecke) zum ersten Mal in Westfalen ein mittelalterlicher Stadtkern großflächig und in den natürlichen Schichten untersucht werden. Fünf Jahre dauerten die Ausgrabungen des LWL, in deren Verlauf die Geschichte der Stadt in wesentlichen Zügen erhellt wurde, was eine eigene große Wanderausstellung wert war.

Großes Interesse bei der Bevölkerung erregten die Untersuchungen in der Kirche der Heiligen Ida, am 26. November 980 heilig gesprochen, in Lippetal-Herzfeld (Kreis Soest) von 1975 bis 1976.

Die Archäologen interessierten sich besonders für den Bau, denn die erste Kirche gehörte zu den frühesten Steinkirchen Westfalens im 9. Jahrhundert. Für Aufsehen sorgte besonders ein leerer Steinsarkophag, der ursprüngliche Sarg der Ida, bevor ihre Gebeine unter den Altar umgebettet wurden. Das Ensemble mit den Spuren der ersten Kirche sind nun in der Krypta zu sehen.

Bei Höxter-Corvey (Kreis Höxter) legten die Mittelalter-Archäologen unter Leitung von Isenberg von 1975 bis 1980 das Kloster Tom Roden frei. Die Propstei, im 12. Jahrhundert gegründet und im 16. Jahrhundert aufgegeben, war nie überbaut worden. Deshalb gelang es, den vollständigen Grundriss einer mittelalterlichen Klosteranlage zu erhalten. Außerdem lernten die Archäologen das ausgeklügelte System der Wasserversorgung sowie verschiedene Typen von Heizungsanlagen kennen. Mit dem Nachweis dieser technischen Einbauten veränderten die Archäologen das Bild vom rückständigen ¿dunklen Mittelalter", wie es in den Geschichtsbüchern noch oft genug charakterisiert wird. Das Kloster, nur 800 Meter von der berühmten Reichsabtei Corvey entfernt gelegen, ist in großen Teilen wieder aufgemauert und der Öffentlichkeit zugänglich.

Auf dem Kohlbrink-Gelände in Soest (Kreis Soest) erforschte Gabriele Isenberg danach, von 1981 bis 1982, ein mittelalterliches Sälzerquartier. Hier hatte man spätestens seit dem 6. Jahrhundert Salz hergestellt. Mit mehr als 60 Öfen war die Kapazität der Gewerbeanlage so hoch, dass die Soester Sälzer auch den überregionalen Markt bedienten.

Unter den Burgen ist besonders Haus Witten in Witten-Herbede (Ennepe-Ruhr-Kreis) zu nennen. Von 1985 bis 1991 untersuchten Isenberg und ihre Kollegen des LWL-Museums für Archäologie die Wasserburg aus dem 13./14. Jahrhundert komplett. Die bedeutendsten Funde machte das Team im Brandschutt eines Kellers: Brustpanzer, Arm- und Beinschienen und andere Teile von Turnierrüstungen waren vollständig erhalten. Sie sind seit Ende März 2003 ein Schmuckstück im neuen Westfälischen Museum für Archäologie in Herne.

Auch in Münster selbst hat die promovierte Historikerin eine große Untersuchung geleitet. Im Stadtzentrum waren Ausgrabungen von 1986 bis 1989 nötig, bevor hier die Stadtbibliothek in ihren Neubau einzog. Die dreijährigen Untersuchungen legten die älteste Besiedlung Münsters außerhalb der Domburg frei. Seit dem 10./11. Jahrhundert hatten hier Wohnhäuser, Speicherbauten und Keller gestanden. Die Entwicklung konnten die Forscher bis hin zur Kaufmannsbebauung verfolgen, die sich am Ende des Mittelalters auf den Alten Steinweg ausrichtete.

Die letzte große Grabung (Isenberg: ¿Eine meiner Lieblingsgrabungen") liegt inzwischen zehn Jahre zurück: St. Peter und Paul in Marsberg-Obermarsberg (Hochsauerlandkreis) in den Jahren 1991, 1992 und 1994. Hier konnte sie nachweisen, dass die Kirche aus dem 13. Jahrhundert tatsächlich auf den Fundamenten der Peterskirche steht, die Karl der Große 785 in der ehemaligen Sachsenfestung Eresburg errichten ließ.

1996 wurde die passionierte Liebhaberin von Blumen und Gärten Direktorin des Westfälischen Museums für Archäologie, des Landesmuseums und Amtes für Bodendenkmalpflege beim LWL. Seitdem versteht sie sich in besonderer Weise als Anwältin für die Zeugen der Vergangenheit im Boden. Die Standortverlagerung des archäologischen Landesmuseums von Münster nach Herne habe sie ¿als Chance begriffen", sagt sie. Das neue Haus, Ende März 2003 eröffnet, zeigt mit rund 10 000 Funden die Geschichte der Menschen in der Region von der Steinzeit bis heute. Der Clou: Die neue Dauerausstellung ist nach dem Vorbild einer archäologischen Ausgrabung gestaltet und zeigt so den Zusammenhang von Ausgrabung, Forschung und Präsentation.









Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 41 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.





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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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