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Mitteilung vom 26.05.03

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Ärztin hilft gehörlosen Kranken

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Lengerich (lwl). Manchmal ist es für Dr. Ulrike Gotthardt ein großer Vorteil, dass sie fast nichts hören kann. Zum Beispiel im Umgang mit ihren Patienten. Denn die sind nicht nur abhängig von Suchtmitteln oder leiden unter seelischen Störungen, sondern haben oft die gleiche Behinderung wie ihre Ärztin. "Ich finde einen anderen Zugang zu hörgeschädigten Menschen als meine hörenden Kollegen, weil ich in dieser Kultur aufgewachsen bin", sagt die Fachärztin für Nervenheilkunde. "Wenn in der Behandlung ein Problem auftritt, kann ich schneller herausfinden, ob es an der Krankheit liegt oder nur ein Missverständnis ist."

Seit 18 Jahren arbeitet Dr. Ulrike Gotthardt in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Lengerich. Die gehörlose Ärztin leitet im Fachkrankenhaus des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) die Abteilung für Hörgeschädigte. Eine Aufgabe, die perfekt zu ihr passt. Obwohl die 45-Jährige erst gar nicht Medizin studieren wollte, denn das hatten schon Bruder und Schwester getan. Aber nach einem Semester Maschinenbau ("zuviel Mathe") büffelte sie ab 1978 doch an der medizinischen Fakultät der Uni Frankfurt. Keine einfache Zeit, erinnert sich Ulrike Gotthardt: "Ich hatte keinen Dolmetscher, in den Vorlesungen verstand ich fast nichts. Also musste ich alles nachlesen und habe viel allein zu Hause gelernt."

Sich unter Hörenden durchzubeißen, hatte sie schon früh gelernt. Eltern und Geschwister sind alle "gehörlos mit Resthörfähigkeit", wie es die Ärztin medizinisch korrekt ausdrückt. "Ich selbst nehme mit meinen Hörgeräten Geräusche wahr, kann aber keine Lautsprache verstehen", erklärt Ulrike Gotthardt. "Ich lese von den Lippen ab."

Dass sie trotzdem sehr gut sprechen kann, verdankt sie ihrer hörenden Großmutter, die viel mit den Enkeln trainierte. So konnte Ulrike Gotthardt das Abitur an einer Regelschule machen - auch wenn sie im Rückblick sagt, es wäre sicher "schöner und leichter gewesen, als Jugendliche mehr mit anderen Hörgeschädigten zusammen zu sein".

In Lengerich ist Gotthardt für die medizinische, psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung gehörloser Menschen verantwortlich. Ihre Abteilung versorgt mit zehn Therapeuten und über 30 Pflegekräften bis zu 42 stationäre sowie eine große Zahl ambulanter Patienten. Das Spektrum der Behandlungen reicht vom Einzelgespräch bei seelischen Problemen bis zur kompletten Entgiftung bei Alkohol- oder Tablettensucht. Eine verantwortungsvolle Arbeit, in der die gehörlose Ärztin vom LWL-Integrationsamt in Münster unterstützt wird. Der Fachdienst für hörbehinderte Menschen stellt ihr unter anderem sechs Stunden in der Woche einen Dolmetscher und hat Telefon und Diktiergerät so eingerichtet, dass Ulrike Gotthardt sie per Funk direkt mit ihren Hörgeräten verbinden kann.

Dass digitale Technik oder Implantate ihr Hörvermögen irgendwann entscheidend verbessern könnten, glaubt sie nicht. Wichtiger ist ihr, dass die Bedürfnisse hörgeschädigter Menschen mehr Beachtung finden. Dafür engagiert sich Dr. Gotthardt unter anderem im Deutschen Gehörlosenbund. Und wenn sie doch mal ein bisschen Freizeit findet, verbringt sie sie mit ihrem Mann - ebenfalls Arzt und schwerhörig - und ihrer 13-jährigen Tochter, die hören kann.

Die langen Radtouren, die die Familie im Urlaub gern unternimmt, fallen in diesem Jahr aber wohl kürzer aus, wie Ulrike Gotthardt lächelnd vermutet: "Unser neuer Hund will noch nicht hören - er bleibt einfach nicht im Anhänger sitzen."



Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 41 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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