Mitteilung vom 21.05.03
Presse-Infos | Der LWL
Der Weg zu 165 Klöstern und zur Wirkungsgeschichte der Orden:
LWL gibt Reisehandbuch und Klosterbuch heraus
Westfalen/Billerbeck (lwl). Den Weg zu 164 - meist ehemaligen Klöstern in ganz Westfalen weist das gerade erschienene Reisehandbuch "Historische Klöster in Westfalen-Lippe". Der dritte Band des "Westfälischen Klosterbuches" beschreitet bundesweit Neuland: Er enthält die erste regionale Fallstudie, die sich mit der Wirkungsgeschichte der Klöster beschäftigt. Diese beiden neuen Veröffentlichungen hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) im Rahmen seines dezentralen Kultur- und Ausstellungsprojektes "Vom Krummstab zum Adler -Säkularisation in Westfalen 1803 - 2003" jetzt im Kloster Gerleve in Billerbeck (Kreis Coesfeld) vorgestellt. Mit dem Projekt erinnern der LWL und die NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege an die großen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Folgen, die die Aufhebung der Klöster und Fürstbistümer für die westfälische Landesgeschichte hatte.
"Mit seinen vielen Fürstbistümern war Westfalen vor der Säkularisation europaweit eine Besonderheit, auch gab es im Reich kaum irgendwo anders so viele Klöster wie in Westfalen. Fast keines der knapp 200 Klöster, die nicht nur das religiöse, sondern auch das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben in Westfalen entscheidend mitgeprägt haben, hat die Säkularisation unbeschadet überlebt. Deshalb ist es wichtig, dass wir an die beispiellose westfälische Klosterkultur erinnern. Dazu leisten das Reisehandbuch zu den Klöstern und das Klosterhandbuch einen wichtigen Beitrag", betonte LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe die Bedeutung der neuen LWL-Veröffentlichungen.
Der Klosterführer "Historische Klöster in Westfalen-Lippe", den der Klosterkenner Dr. Roland Pieper geschrieben hat, richtet sich in erster Linie an Kulturinteressierte aus der Region, Kulturtouristen und Individualreisende. Von A wie Arnsberg bis Z bis Zwillbrock führt er zu besonders sehenswürdigen Klöstern, darunter beeindruckende ehemalige Klöster wie Dalheim (Kreis Paderborn), Corvey (Kreis Höxter) und Cappenberg (Kreis Unna), aber auch fast vergessene Anlagen wie Galiläa bei Meschede (Hochsauerlandkreis), oder Glane bei Gronau (Kreis Borken) oder "traurige Klöster" wie das Kloster Bredelar in Marsberg (Hochsauerlandkreis) von dem nur eine Ruine erhalten ist. Im starken Kontrast dazu stehen "Klosterschlösser" wie Varlar in Rosendahl (Kreis Coesfeld) oder "Hochzeitsklosterkirchen mit Dornröschenbonus" wie Stockkämpen bei Halle (Kreis Gütersloh), Brunnen bei Sundern (Hochsauerlandkreis) und Zwillbrock bei Vreden (Kreis Borken). Interessant auch die "Karrieren" einiger Kirchen, wie etwa die der im 14. Jahrhundert gebauten Kirche des Augustiner-Eremitenklosters in Lippstadt (Kreis Soest): 1524 leiteten hier zwei vom Studium in Wittenberg zurückgekehrte Brüder die Reformation in Lippstadt ein, 1542 wurde das Kloster der Stadt übertragen und zwischenzeitlich von Jesuiten genutzt, bevor es 1661 der evangelisch-reformierten Gemeinde übertragen wurde, die das Gotteshaus zur Zeit an die griechisch-orthodoxe Kirche verpachtet hat.
"Das Buch stellt 165 Kloster- und Stiftsanlagen vor, bei denen es auch wirklich noch etwas zu sehen gibt. Der Schwerpunkt liegt auf Klöstern, die vor 1803 gegründet worden sind, ich habe aber auch einige wenige später entstandene und noch heute bestehende Klöster wie das Kloster Gerleve aufgenommen, die kulturtouristisch besonders lohnend sind", so Pieper. In Artikeln, die auch für kunstgeschichtliche Laien gut lesbar und allesamt bebildert sind, beschreibt der Autor jedes Kloster ausführlich. Dabei legt er den Schwerpunkt meist auf die zwischen 885 und 1964 entstandene Architektur; die wichtigsten geschichtlichen Daten und eine Beschreibung der Kirchenausstattung fehlen ebenso wenig wie Angaben zur heutigen Nutzung und zum Zustand der Anlagen. Eine übersichtliche Westfalen-Karte mit allen behandelten Klöstern, Wegbeschreibungen, Öffnungszeiten, Telefonnummern und Internetadressen erleichtern Kulturinteressierten die Reise- oder Ausflugsplanung. Eine zusammenfassende Einführung zur geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Entwicklung der westfälischen Klöster, eine Zeittafel zur Geschichte des westfälischen Klosterwesens und eine Ordensübersicht runden das Werk ab. "Trotz des opulenten Inhaltes ist das Reisehandbuch ein handliches, gut zu verstehendes Taschenbuch geblieben. Deshalb eignet es sich gut für die Praxis und wird hoffentlich viele Menschen dazu anregen, sich auf die Spuren der jahrhundertealten westfälischen Klosterkultur zu begeben", so Teppe.
Der dritte Band des "Westfälischen Klosterbuches" richtet sich an klosterinteressierte Laien und Fachwissenschaftler. Mit der Aufsatzsammlung, die bei der Historischen Kommission des LWL erscheint, betritt Herausgeber Prof. Dr. Karl Hengst Neuland: "Sie ist bundesweit die erste regionale Fallstudie, die sich mit der Wirkungsgeschichte der Klöster beschäftigt. Namhafte Wissenschaftler setzen dabei aus
ihren Einzelstudien über das geistliche Leben der Ordensgemeinschaften, ihre sozialen Beziehungsgeflechte, die Bedeutung der Klöster, Abteien und Stifte als Kultur und Wirtschaftsfaktoren eine umfangreiche Darstellung des Klosterlebens zusammen, die es bisher nicht gab", hob Prof. Dr. Franz-Josef Jakobi, stellvertretender Vorsitzender der Historischen Kommission für Westfalen, hervor.
Das über 900 Seiten starke Buch ist in sieben Themenbereiche gegliedert und umfasst den Zeitraum der ersten Klostergründungen bis zum Beginn der 19. Jahrhunderts. Zunächst führt es in das klösterliche Leben im allgemeinen und seine Entwicklung in Westfalen ein. Danach geht es unter anderem um die Stellung der geistlichen Gemeinschaften innerhalb der Kirche Westfalens. Bei den Aufsätzen zum wirtschaftlichen Wirken der Klöster stehen nicht nur die landwirtschaftlichen und handwerklichen Produkte im Mittelpunkt: Die Autoren gehen auch der Frage nach, welchen Einfluss die Orden auf den Kapital- und Rentenmarkt hatten, der als mittelalterlicher Vorläufer des modernen Kredithandels zu sehen ist. Da die mittelalterliche Gesellschaft eine ambivalente Haltung gegenüber dem von der Kirche verbotenen Geldverleih einnahm, wurde der Kredithandel als Kaufgeschäft "getarnt", dessen Grundlage Immobilienbesitz war. Die geistlichen Einrichtungen des Mittelalters waren als land- und immobilienbesitzende Institutionen in diesem Rentenmarkt tätig. Pfandhäuser und Banken gab es noch nicht, doch die Wirtschaft basierte bereits zu einem großen Teil auf Kreditgeschäften, da die umlaufende Bargeldmenge noch nicht sehr groß war. So wandten sich z.B. in der Zeit zwischen 1480 und 1520 in der Stadt Höxter 86,4 Prozent aller Rentenverkäufer an eine kirchliche Institution, um Bargeld zu erhalten.
Natürlich untersuchen die Klosterexperten auch die Wirkung der Glaubensgemeinschaften als Orte der Kultur- und Kunstpflege: Die Skriptorien sorgten bis zur Erfindung des Buchdruckes dafür, dass Bücher vervielfältigt und damit verbreitet wurden. So entstanden bedeutende Klosterbibliotheken, aus denen sogar Bücher ausgeliehen werden konnten. Für die Bibliothek des Domstifts Münster ist jedenfalls eine Ausleihordnung aus dem Jahr 1362 überliefert. Weitere Beiträge fragen danach, welche Wirkung die geistlichen Gemeinschaften auf die Volksfrömmigkeit hatten oder welche Bedeutung sie für die Armen- und Krankenpflege sowie für das Bildungssystem hatten. Schließlich geht es auch um die Säkularisation und um die Schicksale der Ordensangehörigen nach der Auflösung ihrer Klöster.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 41 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.
Roland Pieper:
Historische Klöster in Westfalen-Lippe.
Ein Reisehandbuch,
232 Seiten, Ardey-Verlag Münster, ISBN 3-87023-244-7, 14,90 Euro.
Karl Hengst (Hrsg.)
Westfälisches Klosterbuch,
Band 3: Institutionen und Spiritualität,
913 Seiten, Aschendorff-Verlag Münster
ISBN 3-402-06893-1, 39,90 Euro
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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