Mitteilung vom 08.05.03
Presse-Infos | Der LWL
Festwochenende in Witten am 10. und 11. Mai
Landschaftsverband eröffnet Industriemuseum Zeche Nachtigall
Witten (lwl). Sie gehört zu den ältesten Zechen an der Ruhr, war zeitweise eine der größten und hat sicher den klangvollsten Namen: Nachtigall. Im 18. Jahrhundert wurde das Bergwerk am Eingang des Wittener Muttentals nach dem scheuen Vogel benannt. 250 Jahre später lockt der Ruf der Nachtigall zu einer Entdeckungsreise durch die Industriegeschichte des Ruhrtals. Mit einem Festwochenende am 10./11. Mai eröffnet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Witten den siebten Standort seines Westfälischen
Industriemuseums.
"Nach der Eröffnung des Archäologiemuseums in Herne vor sechs Wochen bereichert der Landschaftsverband die Museumslandschaft des Ruhrgebietes jetzt erneut um ein Highlight", erklärte LWL-Kulturdezernent Prof. Karl Teppe heute (8.5.) in Witten vor der Presse. Im Revier stehe der Kommunalverband damit für ein starkes Stück Kultur. Allein fünf Standorte des Westfälischen Industriemuseum lägen hier. Rechne man Herne, das Freilichtmuseum in Hagen und das Römermuseum in Haltern hinzu, komme der LWL auf acht Häuser.
Im Dreiklang der Bergbaustandorte des Landesmuseums für Industriekultur - neben Nachtigall gehören dazu die Zeche Hannover in Bochum und die Zeche Zollern in Dortmund - markiert der Wittener Standort den Beginn der Epoche. "Nachtigall steht für die Anfänge des Steinkohlen-Bergbaus, ohne den es das Ruhrgebiet nicht gäbe. Wir bringen unsere Besucher zu den Wurzeln dieser prägenden Entwicklung und machen am Originalschauplatz die Industriegeschichte des Ruhrtals lebendig", so Museumsdirektor Helmut Bönnighausen.
Rund neun Millionen Euro hat der Museumsaufbau seit Beginn der 1980er Jahre gekostet, sieben Millionen davon stellte das Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Ein Großteil des Geldes floss in Restaurierung und Erschließung der denkmalgeschützten Industrieanlage. Dazu gehören als ältestes Relikt der freigelegte Schacht Hercules (1839), das Maschinenhaus mit einer funktionstüchtigen Dampfmaschine von 1887, der Kesselhauskamin, ein Werkstattgebäude, der begehbare Nachtigall-Stollen und die Doppel-Ringofenanlage der späteren Ziegelei.
Das LWL-Industriemuseum nutzt Gebäude und Gelände für mehrere Ausstellungen, die die verschiedenen Epochen der Nachtigall-Geschichte anschaulich machen - von den Anfängen im frühen 18. Jahrhundert bis zu den Kleinzechen der Nachkriegszeit. "Allen gemeinsam ist der sozialgeschichtliche Ansatz: Im Zentrum stehen überall die Menschen, die hier arbeiteten: Bergleute, Schiffer, Fuhrleute, Ziegler, Unternehmer und Industriepioniere", erklärt Ingrid Telsemeyer, wissenschaftliche Referentin für den Wittener Standort. Das Museum biete einen Rundgang durch fast 300 Jahre Industriegeschichte im Ruhrtal.
Die Ausstellungen
Der mühsame Weg ins Industriezeitalter
Im ehemaligen Maschinenhaus beginnt mit dem "mühsamen Weg ins Industriezeitalter" der Museumsrundgang. Eine audiovisuelle Zeitreise mit der Postkutsche führt ins Ruhrtal bei Witten und bringt die Museumsgäste in die Entstehungs- und Betriebszeit der Zeche Nachtigall. Zeitgenössische Musik erklingt, während historische Bilder aus drei Jahrhunderten vorbeiziehen. Sie erinnern an wichtige zeitgeschichtliche Ereignisse und zeigen, wie sich Landschaft, Technik und Arbeitswelt in dieser Zeitspanne verändert haben. Besucher hören hier auch den Gesang der Nachtigall, die
zur Entstehungszeit der Zeche im Ruhrtal heimisch war.
Kohlenschifffahrt auf der Ruhr
Ein wichtiger Standortfaktor für die Zeche Nachtigall war die Ruhrschifffahrt. Nach der Schiffbarmachung im Jahr 1780 entwickelte sich der Fluss zum wichtigsten Transportweg für Steinkohle. Im Mittelpunkt einer neu gestalteten Ausstellungslandschaft steht der rekonstruierte Ruhrnachen "Ludwig Henz". Das über 34 Meter lange und 5 Meter breite Schiff entstand in den vergangenen drei Jahren im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme für arbeitslose Jugendliche und erinnert mit seinem Namen an einen Hattinger Wasserbaumeister, der sich um 1840 intensiv mit der Verkehrsentwicklung des Ruhrtals auseinander setzte.
Auf dem Schiff geht es um die Kohlenschifffahrt zwischen Witten und Ruhrort: Wie sah die Ruhr damals aus? Mit welchen Schwierigkeiten hatten die Schiffer zu kämpfen? Thema auf dem Schiffbauplatz ist der historische Schiffbau an der Ruhr, aber auch der Nachbau für das Museum. In der Kohlenniederlage, einem nachempfundenen typischen Lagerplatz am Fluss, geht es um den Kohlenhandel. Die Geschichte des Flusses nimmt einen breiten Raum ein. So kann die Frage "Was geschah bei der Schiffbarmachung?" nicht nur am Modell erprobt werden: Ein Wasserspielplatz lädt zu freiem Experimentieren ein.
Mit Einzug der ersten Eisenbahnen ins Ruhrtal bekam die Kohlenschifffahrt Konkurrenz. Als die Zeche Nachtigall 1849 die Verbindung zum Schienennetz herstellte, hatte der Fluss als Absatzweg seine Bedeutung verloren. Knapp 40 Jahre später wurde die Schifffahrt eingestellt. Wie bescheiden die Anfänge der Eisenbahn aussahen, zeigt die Rekonstruktion von zwei Wagen der 1829 gebauten Muttentalbahn.
Ziegelei Dünkelberg
Noch im Jahr der Zechenschließung 1892 erwarb der Bauunternehmer Wilhelm Dünkelberg das heutige Museums-Gelände. An Stelle der Zechenbauten um Schacht Hercules entstand zwischen 1897 und 1899 die heute noch geländebeherrschende Doppel-Ringofenanlage, in der jährlich bis zu 11 Millionen Ziegel gebrannt werden konnten.
Ausgangsmaterial für die Ziegel war Schieferton, der im Ruhrtal unterhalb der Kohleflöze lagert. Die Ausstellung im östlichen Ringofen folgt dem Weg des Rohstoffs: Von der Gewinnung des Materials im Steinbruch
über seine Verarbeitung bis zum Brennen im Ringofen und dem Verladen der Ziegel lernen die Besucher den Ziegler-Alltag bis in die 1960er Jahre kennen. Im Inneren des Ringofens stehen Ziegel und Rohlinge gestapelt, Staub und Asche bedecken den Boden des Arbeitsplatzes. Beleuchtete Bilder und Zitate aus der Arbeitswelt der Ziegler unterstützen die Raumwirkung des Denkmals. An der Rampe der Ruhrtalbahn wurden früher Ziegel und Sandstein verladen. In einem Bahnwaggon zeigt das Museum, wie dringend die Steine während der rasanten industriellen Entwicklung um 1900 im Ruhrgebiet gebraucht wurden.
Zeche Eimerweise
An die Kleinzechen des Ruhrgebiets erinnert die Ausstellung "Zeche Eimerweise". Entstanden in der Not der Nachkriegsjahre, waren von 1945 bis 1976 über 1000 Klein- und Kleinstzechen zwischen Dortmund und Essen in Betrieb, etliche davon auf Wittener Gebiet. Die funktionstüchtigen Nachbauten auf dem Museumsgelände veranschaulichen zusammen mit Fotos und Dokumenten die Betriebsweise solcher Kleinbetriebe.
Bergleute und Unternehmer kommen in der Ausstellung selbst zu Wort, sie berichten von der einfachen Technik, der Verwaltung und der schweren Arbeit auf den Kleinzechen. Anhand der leicht überschaubaren Anlagen begreifen auch "Bergfremde", wie ein Bergwerk funktionierte.
Besucherbergwerk Nachtigall-Stollen
Höhepunkt des Museumsbesuchs ist die Erkundung des Besucherbergwerks. Der alte, 130 Meter lange Stollen im Hettberg ist seit 1990 bergmännisch ausgebaut und dient als Schaubergwerk. Rechtzeitig zur Museumseröffnung wurde zusätzlich eine abzweigende Strecke im Kohleflöz "Geitling 3" erschlossen und thematisch in die Ausstellung "Zeche Eimerweise" einbezogen. Ein Abbaubetrieb und ein Streckenvortrieb zeigen in ihren bescheidenen Dimensionen typische Arbeitssituationen im Kleinbergbau.
Ausgerüstet mit Helm und Grubenlampe gelangen die Besucher "vor Kohle" und lernen die Arbeit mit Abbauhammer und Pressluftbohrer kennen. Während der Öffnungszeiten finden regelmäßig Führungen durch den Nachtigall-Stollen statt.
An der Wiege des Ruhrbergbaus
Die Zeche Nachtigall liegt unmittelbar an der "Wiege des Ruhrbergbaus", dem Wittener Muttental. Früher als im übrigen Ruhrgebiet hat man hier die Relikte des Bergbaus zu schätzen gewusst. Mit seiner Ausstellung weist das Museum auf die Bedeutung dieser Erinnerungsarbeit hin. "Ehemalige Bergleute, Sammler, Künstler, historisch Interessierte, allein oder in Vereinen - sie alle sorgten und sorgen dafür, dass der Bergbau in der Region lebendig bleibt", erklärt Wissenschaftlerin Ingrid Telsemeyer. Mit seiner Grafikserie "An der Wiege des Ruhrbergbaus" prägte der Wittener Künstler Helmut Schäfer Anfang der 1950er Jahre einen Begriff, der heute in aller Munde ist. Später wurden die bergbaulichen Relikte des Wittener Ruhrtales mit dem Anfang der 1970er Jahre eingerichteten Bergbaurundweg Muttental erschlossen. Die Zeche Nachtigall und das Bethaus gehörten als herausragende Denkmäler dazu.
Festwochenende
Für das Festwochenende (Sa, 10.5., 13 - 20 Uhr, So, 11.5., 10 - 18 Uhr) kündigt Museumsleiter Michael Peters viele Aktionen an. Regelmäßig finden Führungen durch den Nachtigall-Stollen statt, zwischen dem benachbarten Feld- und Grubenbahnmuseum Zeche Theresia und der Zeche Nachtigall fährt die Feldbahn im Viertelstundentakt, im Bereich des Ruhrnachen sind die Schiffsbauer bei der Arbeit, die gewaltige Treibscheibe der Dampfmaschine dreht sich, und auf "Zeche Eimerweise" ist die Förderanlage in Betrieb. Musik und Kinderangebote ergänzen das Programm. Der Eintritt ist an beiden Tagen frei.
Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall
Nachtigallstraße 35, 58452 Witten
Geöffnet:
Sa, 10. Mai: 13-20 Uhr, Eintritt frei
So, 11. Mai: 10-18 Uhr, Eintritt frei
Ab Dienstag, 13. Mai: Di - So 10 - 18 Uhr
Eintritt: Erwachsene 1,60 €, Kinder/Jugendliche ab 6 Jahren 1,10 € (incl. Stollen-Führung)
Gruppenführungen und museumspädagogische Programme auf Anfrage.
Info-Telefon: 02302 93664-0
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 41 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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