LWL-Newsroom

Mitteilung vom 07.05.03

Presse-Infos | Der LWL

Wurde die 'Wiedergutmachung' nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Ansprüchen gerecht?
Veranstaltungsreihe von Villa ten Hompel und LWL

Bewertung:

Münster (lwl). Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war eines schnell klar: Die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft sollten nach ihrer Befreiung entschädigt werden. Der Geschichtsort Villa ten Hompel und das Westfälische Institut für Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) fragen in der Veranstaltungsreihe "Nach der nationalsozialistischen Diktatur: Die Praxis der Wiedergutmachung in Deutschland", inwieweit die sogenannte Wiedergutmachung ihrem eigenen Anspruch gerecht wurde. Am Mittwoch (07.05.) stellten die Veranstalter das Programm vor.

Die sogenannte Wiedergutmachung bildete einen zentralen Gesichtspunkt der deutschen Vergangenheitspolitik. In seinem Vortrag "Die Politik der Wiedergutmachung" stellt Dr. Constantin Goschler von der Humboldt-Universität Berlin zum Auftakt der Reihe am Montag, 12. Mai, um 20 Uhr im Geschichtsort Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm-Ring 28 in Münster die Konkurrenz der NS-Verfolgten untereinander in den Mittelpunkt. Außerdem zeigt er die Spannung auf einerseits zwischen dem Bemühen, einen "Schlussstrich" unter das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu ziehen, und andererseits die Wiedergutmachung als einen unabgeschlossenen Prozess zu betrachten, der die Erinnerung an das NS-Grauen wach hält.

Um sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder eine Existenz aufbauen zu können, war es für die überlebenden Juden des Dritten Reichs wichtig, sich darum zu bemühen, ihr geraubtes Eigentum zurück zu bekommen. Dr. Jürgen Lillteicher von der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" (Berlin) zeigt in seinem Vortrag "Die Rückgabe jüdischen Eigentums in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg" am 26. Mai um 20 Uhr im Westfälischen Landesmedienzentrum, Warendorfer Str. 24 (Raum 1.42 im Erdgeschoss), wie in Westdeutschland schon vor der Gründung der Bundesrepublik auf der Grundlage alliierter Militärregierungsgesetze mit der Rückerstattung von wiedergefundenem jüdischem Eigentum begonnen wurde. In der sowjetischen Besatzungszone geriet die Frage der Rückerstattung dagegen bald unter die Räder der sozialistischen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse.

Reibungslos lief die Entschädigung keineswegs ab, wie die Berliner Politologin Katja Neppert am Beispiel der Schicksale vieler Menschen zeigt, die von den Nazis als "nicht fortpflanzungswürdig" eingestuft und deshalb zwangssterilisiert worden waren. Für viele von ihnen blieb das Stigma auch nach Kriegsende haften: Vermeintlich "Geisteskranke, Schwachsinnige und schwere Alkoholiker" sollten nicht in den Kreis der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung einbezogen werden. Der Vortrag "Die Kontinuität der Ausgrenzung: NS-Zwangssterilisierte und der Kampf um die Entschädigung" beginnt am Montag, 16. Juni, um 20 Uhr im Geschichtsort Villa ten Hompel.

Eine markante Persönlichkeit der Wiedergutmachung stellt Gerhard Fürmetz, Archivrat am Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, in seinem Vortrag "Sehr verehrter Herr Staatskommissar! Philipp Auerbach und die frühe Praxis der Wiedergutmachung in Bayern" am Montag, 23. Juni, um 20 Uhr im Westfälischen Landesmedienzentrum vor. Wie kaum ein anderer hat Auerbach die Anfänge der Wiedergutmachung in Westdeutschland nach 1945 geprägt. Durch seine zahlreichen Funktionen im bayerischen Staatsdienst und in Organisationen ehemaliger Verfolgter gelang es ihm ab 1946 "Wiedergutmachung" an den NS-Opfern in einem sehr weiten Sinn zu betreiben. Seine mitunter eigenwillige Vorstellung davon, wie Rückerstattung, Entschädigung, Entnazifizierung und öffentliches Gedenken miteinander verbunden werden sollten, trug ihm allerdings heftige Gegnerschaft ein. Zum Verhängnis wurde ihm letztlich sein unorthodoxer Verwaltungsstil, sein persönlicher Ehrgeiz und sein Netz von Kontakten. Auerbach wurde 1951/52 in einem hochpolitischen Prozess verurteilt und nahm sich unmittelbar danach das Leben.

Der Geschichtsort Villa ten Hompel ist als Träger dieser Reihe prädestiniert, denn in der Zeit von 1940 bis 1944 war sie Sitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei in Rheinland und Westfalen. Von hier aus wurde die Verfolgung bürokratisch koordiniert. Als mit dem Bundesentschädigungsgesetz von 1953 die "Wiedergutmachung" in einen Verwaltungsvorgang übergegangen war, zog das neu geschaffene Dezernat Wiedergutmachung in die Villa ten Hompel. Jetzt entschieden hier wiederum Sachbearbeiter, jetzt allerdings über Entschädigungsanträge NS-Verfolgter.

Für den LWL ist das Thema "Wiedergutmachung" nach wie vor aktuell. Im Januar diesen Jahres hat der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wolfgang Schäfer, Paul Brune für das in den psychiatrischen Einrichtungen des Landschaftsverbandes bzw. des Provinzialverbandes in der Zeit des Nationalsozialismus und auch in den Nachkriegsjahren bis 1953 erlittene und empfundene Unrecht um Entschuldigung gebeten. Eine symbolische Geste - mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Unrechtsregimes. Grund genug für das Westfälische Institut für Regionalgeschichte auch aus wissenschaftlicher Sicht die konfliktreiche Geschichte der sogenannten Wiedergutmachung und Entschädigungsbemühungen seit 1945 zu thematisieren.


Achtung Redaktionen --- Achtung Redaktionen --- Achtung Redaktionen
Bitte nehmen Sie die einzelnen Termine auch in Ihren täglichen Terminkalender auf!







Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos