LWL-Newsroom
Mitteilung vom 20.02.03
Presse-Infos | Der LWL
Haushaltsrede des stellvertr. Fraktionsvorsitzenden der FDP Landschaftsfraktion Frank Schäffler
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,
780 Mio. Euro müssen die Kommunen in Westfalen-Lippe in 2003 an Mindereinnahmen und Mehrausgaben verkraften. Ein massiver Rückgang der Steuerkraft und der Schlüsselzuweisungen, das Grundsicherungsgesetz, eine weitere Stufe der Hilfe zur Pflege und letztlich auch noch die beabsichtigte ,Erhöhung der Landschaftsumlage sind die wesentlichen Ursachen.
Dem Landschaftsverband geht es nicht besser: steigende Sozialhilfeausgaben, geringere Schlüsselzuweisungen und ein Rückgang der Steuerkraft stellen den LWL vor die Entscheidung, erstmalig seit dem Haushaltsjahr 2000 die absoluten Einnahmen aus der Landschaftsumlage, durch eine Erhöhung des Hebesatzes anzupassen. Dieses Defizit von rund 150 Mio. Euro kann nicht alleine durch eine notwendige Haushaltskonsolidierung ausgeglichen werden. Daher steht der LWL vor dem Scheideweg: Er muss sich entscheiden.
Die FDP-Fraktion hat deshalb den Ihnen vorliegenden Antrag gestellt. Mit der vorgeschlagenen Veräußerung der RWE-Anteile im laufenden Jahr kann auf die Anhebung der Landschaftsumlage verzichtet werden.
Dennoch sind die Herausforderungen groß:
Das Museumskonzept des LWL sieht in den nächsten Jahren Investitionen in neue und bestehende Museumsstandorte von rd. 116 Mio. Euro vor. Die Unterhaltskosten hierfür trägt bekanntlich der LWL. Da kann man eigentlich nur froh sein, dass das Land bei den Investitionskosten auf die Bremse tritt. Die Einnahmen aus der Landschaftsumlage sollen im Wesentlichen durch die Steigerungen in der Eingliederungshilfe bis 2006 auf 18,3 Hebesatzpunkte und damit um kumuliert 317 Mio. Euro (+25 %) steigen. Ich frage Sie meine Damen und Herren von CDU und SPD, wie wollen Sie das finanzieren? Wollen Sie, meine Damen und Herren Landräte und Bürgermeister, dies in Ihren Kreistagen und Räten vertreten? Die Verabschiedung weiterer Resolutionen wird Ihnen dann keiner mehr vor Ort abnehmen.
Ich prognostiziere schon jetzt: Hält der LWL an seinen Museumsplänen fest; fängt er die Steigerung der Eingliederungshilfe durch andere Einnahmequellen nicht auf und erhöht er tatsächlich die Umlage in der im Finanzplan dargestellten Höhe, dann steht die Existenz des LWL auf dem Spiel. Dann werden die ehemaligen Verbündeten des LWL, Städtetag und Landkreistag, zu den Gegnern der kommunalen Mittelebene. Spätestens dann werden Sie gezwungen sein, meine Damen und Herren, die Beteiligungen des LWL zu veräußern.
Ich zitiere: "der Landschaftsverband muss sich als Umlageverband an den Sparbemühungen seiner Mitgliedskörperschaften in der gleichen Weise messen lassen. Diese Erwartung gibt es in unseren Kreisen und Städten und wenn hier erhebliche Zweifel bleiben, dann werden wir bei den Umlagediskussionen in den nächsten Jahren in schwieriges verbandspolitisches Fahrwasser geraden." Meine Damen und Herren, diese klugen Sätze stammen vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Dr. Wolfgang Kirsch, bei der Verabschiedung des zurückliegenden Haushaltes.
"Gut gebrüllt Löwe, kann ich da nur sagen! Doch wo sind die Taten? Bisher kenne ich nur Arbeitsaufträge an die Verwaltung. Eigene Vorschläge sind bislang Mangelware.
Eine Änderung der Risikoveranschlagung in der Sozialhilfe ist nicht gerade ein Ausweis haushaltspolitischer Klarheit und Wahrheit.
Können wir es zulassen, dass durch eine falsche Prioritätensetzung des LWL, die Kommunen in Westfalen-Lippe in die Haushaltssicherung gezwungen werden? Jetzt sind wir noch handlungsfähig. Wenn wir selbst in die Haushaltssicherung gezwungen werden, müssen wir ohnehin unser Beteiligungsvermögen veräußern. Sie zweifeln daran? Die Bezirksregierung Arnsberg (auch Städte- und Gemeindebund) hat in der Neufassung des Handlungsrahmens zur Genehmigung von Haushaltssicherungskonzepten folgendes festgestellt:
"Das vorhandene Vermögen der Gemeinde ist daraufhin zu untersuchen, inwieweit es für öffentliche Zwecke noch benötigt wird. Soweit auf anderem Wege die Vorlage eines genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzeptes nicht möglich und eine Veräußerung wirtschaftlich vertretbar ist, ist das Vermögen zu veräußern und der Erlös gem. § 22 Abs. 3 GemHVO dem Verwaltungshaushalt zuzuführen."
Soweit wollen wir es nicht kommen lassen. Wir Freien Demokraten wollen den Landschaftsverband unabhängig von diesen Entwicklungen machen. Wir wollen die landschaftliche Kulturpflege in Westfalen-Lippe erhalten und gleichzeitig die Kommunen entlasten. Wir glauben nicht, dass die Beteiligungen des LWL von strategischer Bedeutung sind. Wer dies anders beurteilt, muss die Frage beantworten, welchen Preis die kommunale Familie dafür bezahlt. Ich kann es Ihnen sagen: 1,9 Hebesatzpunkte oder 150 Millionen Euro pro Jahr. Dies ist die Differenz zwischen unseren derzeitigen Beteiligungserträgen und dem Ertrag aus der Wiederanlage eines möglichen Verkaufserlöses unseres Beteiligungsvermögens.
Lassen Sie mich noch einige Worte zum Beteiligungsvermögen an sich sagen. Mit unseren beiden werthaltigsten Beteiligungen, der Landesbank NRW beziehungsweise der WestLB und der Westfälischen Provinzial, erzielen wir entweder gar keine laufenden Erträge (WestLB) oder nur sehr geringe (2,1 Mio. Euro). Als Gewährträger tragen wir jedoch das volle Risiko, ob für Pipelines in Südamerika oder für Fußballstadien in England. Beide Unternehmen sind durch ihr Beteiligungsvermögen (WestLB) und die Marktstärke (Provinzial) für öffentliche oder private Investoren interessant.
Die Rating-Agentur Standard and Poor’s bewertet die finanzielle Stabilität der Westfälischen Provinzial mit einem A, also mit "sehr gut". Dieses Rating wird nur von wenigen Versicherern in Deutschland übertroffen und drückt die erstklassige Finanzkraft des Unternehmens aus. Es gibt also keinen Grund, den Wert unserer Beteiligung an der Provinzialversicherung niedrig zu rechnen. Eine marktübliche Bewertungsmethode ist dabei die sogenannte Multiplikator-Methode. Hier wird nichts anderes gemacht, als realisierbare Marktpreise vergleichbarer Unternehmen heranzuziehen. Wer dies tut, kommt auf einen mehrere Milliarden-Euro umfassenden Marktpreis. Für alle anderen Beteiligungen liegen Börsenwerte oder den Gremien des LWL entsprechende Wertgutachten vor
Für den Einstieg privater Investoren müssen erst die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wir fordern dazu den Gesetzgeber auf. Öffentliche Versicherer, öffentliche Banken oder Gewährträger sind jedoch schon heute in der Lage diese Unternehmen zu kaufen. Daher greift Ihr Argument nicht, dass die beiden Unternehmen derzeit nicht veräußerbar wären. Dennoch ist uns bewusst, dass eine sofortige Veräußerung schwierig sein wird. Wir fordern die Verwaltung daher auf, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen und heute hierfür einen Grundsatzbeschluss zu fassen.
Auch bei RWE Gas wissen wir, dass eine wirtschaftliche Veräußerung durch vertragliche Bindungen mit den übrigen kommunalen Gesellschaftern nicht möglich ist, dennoch ist unser Ziel, dass auch hier die Verwaltung Verhandlungen aufnimmt, damit wir aus diesem "sittenwidrigen Vertrag" herauskommen und unseren Anteil an RWE Gas zu Marktpreisen veräußern können.
Die einzige wesentliche Beteiligung des LWL die aktuell direkt veräußerbar wäre, sind unsere Anteile an RWE. Jetzt wird Herr Kirsch sagen, dass der Aktienkurs aktuell niedrig ist. Stimmt! Vor 10 Jahren war er aber noch niedriger. Und wer sagt uns denn, dass der Kurs nicht weiter fällt. Die Berichterstattung zu RWE und zu dessen Aufsichtsratsvorsitzenden Friedel Neuber lassen da nichts Positives erahnen. Man muss nicht Babcock Borsig bemühen, um zu erkennen, dass diese Strukturpolitik in den Händen des ehemaligen WestLB-Lenkers nicht nur zum Wohle der Menschen im Lande war. Und einer Tochter RWE Gas wird es im Übrigen nur so lange gut gehen, so lange es der Mutter gut geht.
Aus diesen Überlegungen heraus wollen wir die RWE-Anteile in diesem Haushaltsjahr veräußern, um damit eine Umlagesteigerung zu verhindern. In den Folgejahren wollen wir die übrigen Beteiligungserlöse in einen Vermögens- und Kulturfonds anlegen, um mit dessen Erträge den Landschaftsverband zu entschulden, die landschaftliche Kulturpflege zu sichern und die Kommunen in Westfalen-Lippe dauerhaft zu entlasten.
Jetzt wird von Ihrer Seite kritisiert, dass wir damit Tafelsilber verkaufen. Doch was hilft es, wenn dem Landschaftsverband Liquidität fehlt. Im Übrigen haben Sie im Kleinen mit dem Verkauf der EMR, PESAG, MarkE, Landesbausparkassen-Anteile nichts anderes gemacht. Sie müssen jetzt nur mutig einen Schritt weiter gehen.
Meine Damen und Herren, der Landschaftsverband darf nicht immer auf Bund und Land schauen, sondern muss sich fragen, wie er selbst die anstehenden Herausforderungen bewältigen kann. Dazu gehört es auch, dass wir die Ausgaben der Eingliederungshilfe nicht auf den Bund verlagern. Er wird sie ohnehin nicht übernehmen. Auch eine Deckelung der Vergütungen bis 2006 festzuschreiben, halten wir für den falschen Weg. Mich wundert es auch, dass der Vorschlag von der CDU kommt. Sie führen hier den Krankenhaussektor als positives Beispiel an, obwohl wir gemeinsam im Bund gerade die Deckelung im Krankenversicherungsbereich vehement ablehnen. Ich sage sogar mit Recht! Eine Deckelung führt zu weniger Wettbewerb und damit zu einer schlechteren Versorgung für Menschen mit Behinderung. Wir müssen endlich zu persönlichen Budgets für Menschen mit Behinderung kommen, damit diese oder ihre Angehörigen frei entscheiden können, wie die Mittel eingesetzt werden. Nur durch mehr Wettbewerb können Effizienzreserven im System aufgedeckt werden.
Mehr Wettbewerb wollen wir auch bei künftigen Tarifverhandlungen. Meine Damen und Herren, der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist skandalös. Nach Berechnungen der kommunalen Arbeitgeber profitiert der Bund durch den progressiven Steuertarif und die geringe Anzahl seiner Angestellten. Das bedeutet, der Bund hat mehr zusätzliche Steuereinnahmen zu erwarten, als er an Gehaltssteigerung für seine Angestellten ausgeben muss.
Mit anderer Leute voller Hosen lässt sich gut stinken!
Die Leittragenden sind die Kommunen, die mit 1,8 Milliarden Euro zusätzlich belastet werden, da sie das Gros der öffentlichen Angestellten beschäftigen. Wieso tun wir uns das an? Das können wir doch besser! Lassen Sie uns zurückkehren zum LWL-Haustarif.
Der deutsche Physiker Georg Christoph Lichtenberg hat es so formuliert: "Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen. Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort
Pressekontakt:
Karl G. Donath, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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