Mitteilung vom 05.12.02
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Nikolaus: Himmlischer Kinderprüfer und polternder Geist
Westfalen (lwl). "Niklaus, komm in unser Haus, pack die großen Taschen aus", lautet der Anfang eines traditionellen Lieds, das Kinder schon im 19. Jahrhundert sangen. Der Brauch, dass Sankt Nikolaus Mädchen und Jungen am 6. Dezember beschenkt, hat eine lange Tradition. "Im 19. Jahrhundert war nicht Weihnachten, sondern dieser Tag bei der katholischen Bevölkerung der wichtigste Geschenktermin für Kinder", weiß Volkskundlerin Christiane Cantauw vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Bis in das 17. Jahrhundert hinein trat der Nikolaus dabei jedoch nicht Erscheinung. In der Bevölkerung wurde lediglich der "Einlegebrauch" gepflegt: Kinder stellten am Vorabend des 6. Dezembers einen Teller oder einen Schuh vor das Bett, damit der "Sünne Kloas" ihn mit Obst, Süßigkeiten, einem Stutenkerl oder Spielzeug füllen konnte. Im Münsterland war es üblich, die Geschenke durch den Kamin ins Haus zu werfen. Im märkischen Sauerland, im Siegerland und in Teilen des Münsterlandes machte sich der Nikolaus lautstark bemerkbar: Er polterte vor dem Haus und fragte durch die verschlossene Tür hindurch, ob die Kinder artig waren. Nach einem eindeutigen "Ja" warf der Nikolaus Äpfel und Nüsse in die Stube und verschwand.
Erst im Zuge der Gegenreformation wurde die traditionelle Kinderbescherung wirkungsvoll in Szene gesetzt. So entstand das Bild vom Nikolaus mit rotem Mantel, Rute und Sack.
"Angeregt durch das Tagesevangelium entwickelte sich die Vorstellung vom Nikolaus als himmlischem Kinderprüfer, der von den Kindern Proben ihrer Glaubenskenntnisse und ihres Schulwissens forderte", berichtet die LWL-Volkskundlerin. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte die bürgerliche Pädagogik den Heiligen Mann und seine Begleiter bedenkenlos für ihre Zwecke: "Der Nikolaus galt als ein wichtiges Disziplinierungsinstrument", erklärt Christiane Cantauw.
So war der Hieb mit der Rute weit verbreitet. In einigen Gegenden Westfalens uferte die Bestrafung um die Jahrhundertwende allerdings regelrecht aus. Cantauw: "Aus dem Minden-Ravensberger Raum wird berichtet, dass Kinder die nicht beten wollten, in den Sack gesteckt und derbe gezüchtigt wurden."
In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Herauslösung der Heiligenfigur aus ihren religiösen Bezügen. Der Nikolaus wurde zum säkularisierten Weihnachtsmann und trat in dieser entchristlichen Fom als Gestalt des vorweihnachtlichen Gabenbringers seinen Zug um die Welt an. Dass es den Nikolaus im 4. Jahrhundert tatsächlich gab, dass er der Bischof aus Myra (Kleinasien) war und bekannt für seine Wohltaten war, weiß heute fast kein Kind mehr.
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