Mitteilung vom 22.11.02
Presse-Infos | Der LWL
Auf dem Weg ins neue Museum
Schädeloperation vor 5.400 Jahren - die Großsteingräber bei Warburg
Warburg (lwl). Wahrscheinlich hunderte Männer mühten sich ab, arbeiteten für ein Ziel: die Errichtung eines Großsteingrabs. Aus der ganzen Gegend kamen die Menschen in der Jungsteinzeit vor mehr als 5.000 Jahren zusammen, um mit Ochsengespannen und Baumstammrollen gewaltige Kalk- und Sandsteinplatten zu einem Ort zu bringen, an dem das Grab seinen Platz finden sollte. Bei Warburg im Kreis Höxter liegen vier dieser Gräber, die Archäologen zwischen 1986 und 1993 ausgruben.
"Die Funde sind Beleg für die Art des Zusammenlebens der frühen Bauern", erklärt Dr. Barbara Rüschoff-Thale die Bedeutung des Ausgrabung. Denn der Aufwand, den die Menschen für den Bau der Gräber trieben, weist daraufhin, dass verschiedene Sippen oder Familien die Gräber gemeinsam errichtet haben. Das nächste Sandsteinvorkommen war immerhin rund zweieinhalb Kilometer entfernt, berichtet die Archäologin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), eine weite Strecke für die einfachen Transportmittel im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr., denn die Steinplatten wiegen bis zu fünf Tonnen.
In Wand- und Deckensteinen der Grabkammer entdeckten die Forscher die bislang ältesten Bildzeichen in Westfalen, die die Menschen mit Steingeräten einpickten. 'Die Gräber sind vermutlich auch Heiligtümer gewesen, die einer Göttin geweiht waren', nimmt Rüschoff-Thale an und folgt damit der Ansicht von Dr. Klaus Günther, unter dessen Leitung die Gräber dokumentiert und geborgen wurden.
Eines der Großsteingräber hatte eine Länge von fast 27 Metern, an einer der Schmalseiten lag der Eingang. Die Kammer grub man ein Stück unter dem Bodenniveau ein, legte einen künstlichen Hügel darüber an, so dass sie eine sehr stabile künstliche Höhle bildete. Die Menschen nutzten sie über mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte.
Im neuen Westfälischen Museum für Archäologie, das der LWL Ende März nächsten Jahres in Herne eröffnen wird, präsentieren die Wissenschaftler dieses Grab in einer besonderen Installation. Sie verwenden einige der riesigen originalen Steine, bauen die Ausgrabung von zwei Bestattungen wirklichkeitsgetreu nach. "Wir zeigen die Bestattungssitten sehr realitätsnah", berichtet Rüschoff-Thale. Ein komplettes Skelett und die verteilten Knochen eines weiteren Körpers werden nebeneinander zu sehen sein: Die Totengräber schoben die schon länger bestatteten Toten zur Seite, um Platz für neue Verstorbene zu schaffen, denen man Ketten aus Bernstein, Pfeil und Bogen sowie Klingen aus Feuerstein mit ins Grab gab.
Pro Grab fanden die Ausgräber ungefähr 70 bis 80 Skelette, die zum Teil in Transportkisten im neuen Museum ausgestellt werden. Die Untersuchung der Knochen lieferte Informationen zu Krankheiten in der Jungsteinzeit. Rüschoff-Thale: "Auch damals schon gab es beispielsweise Karies, Hirnhautentzündung, Rheuma, Krebs, Bandscheibenfehler oder einen Hirntumor." Besonders erstaunlich seien die medizinischen Künste der Steinzeitmenschen. "Unter den Toten ist ein Mann, der vor 5.400 Jahren eine chirurgische Schädelöffnung überlebte."
Ende März 2003 wird der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sein neues Archäologiemuseum in Herne eröffnen. In den folgenden Wochen weisen wir auf eine Reihe von interessanten Exponaten hin, die sich auf die Reise in die neue Ausstellung über 250.000 Jahre westfälischer Geschichte machen.
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0
zur Druckansicht dieser Seite
zu den aktuellen Presse-Infos