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Mitteilung vom 21.11.02

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Hexenverfolgung an Ruhr und Lippe - Neues Buch des LWL-Institutes für Regionalgeschichte räumt mit alten Irrtümern auf

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Westfalen (lwl). Der Schauder, der mit dem Thema Hexenverfolgung verbunden ist, machte es in den 1930er Jahren zu einem Lieblingsthema von vielen Heimatforschern. Diese oft unwissenschaftlichen Arbeiten haben viele Hexenlegenden gebildet, die bis heute nachwirken. Der Münchener Historiker Ralf-Peter Fuchs räumt in dem Buch "Hexenverfolgung an Ruhr und Lippe", das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt herausgegeben hat, mit vielen dieser Irrtümern auf. "Noch heute glauben viele Menschen, dass die Kirche, die Prozesse führte. Das ist falsch: Prozesse, bei denen es um Leib und Leben gingen, lagen nur in Händen weltlicher Behörden. Die Initiative zu den Hexenprozessen ging auch nicht wie oft behauptet in erster Linie von Geistlichen oder der weltlichen Obrigkeit aus. Meist wurden die Frauen von Nachbarn als Hexen angeprangert", nennt Fuchs zwei der weitverbreiteten Irrtümer.

Auf der Grundlage umfangreichen Archivmaterials beschreibt Fuchs, was wir heute über die Prozesse in Essen, Rellinghausen, Dortmund, Recklinghausen und weiteren Orten wirklich wissen. In seinem Buch, das in der Reihe "Forum Regionalgeschichte" des Westfälischen Institutes für Regionalgeschichte beim LWL herausgegeben wird, geht es ihm vor allem darum, die genauen Bedingungen und Hintergründe für Folterungen, Prozesse und Hinrichtungen aufzuzeigen und miteinander zu vergleichen.

Wie ein solches Hexen- oder Zaubereiverfahren ablief, zeigt der Fall der Anna Koesters aus dem Jahr 1581. Nachbarn hatten ihr vorgeworfen, ein Kind durch Schadenzauber umgebracht zu haben. Während die Kläger ihre Aussagen gegenseitig bezeugten, stand Anna Koesters allein vor dem Ratsgericht der Stadt Dortmund. Trotz Verhören, Haft und Folterungen wies die als Hexe angeklagte Frau jegliche Schuld von sich. Eine sogenannte Wasserprobe sollte nun Klarheit schaffen.

Dreimal wurde Anna Koesters vom Scharfrichter in den sogenannten Hexenteich geworfen - jedes Mal blieb sie an der Wasseroberfläche. Das galt als Beweis dafür, dass sie mit dem Teufel im Bunde war. Eine erneute Folterung durch den Dortmunder Scharfrichter überlebte sie nicht mehr. "Was als ¿Mobbing' der Nachbarn begann, konnte also in einen grausamen Tod führen", nennt Fuchs ein Muster der Hexenprozesse. Der letzte Hexenprozess in der Region endete übrigens erst 1706 mit der Hinrichtung der Dienstmagd Anna Spiekermann in Westerholt bei Recklinghausen.
Wie konnte es überhaupt zu den unmenschlichen Hexenjagden kommen? "Auslöser für die Verfolgungen zwischen 1500 und 1706 mit ihren Höhepunkten um 1580/90 sind vor allem Pestepidemien, Missernten,
Teuerungen und Kriegsängste. Nach diesen Erfahrungen, aber auch wegen religiöser Motive suchten die Bewohner der untersuchten Städte - wie in vielen anderen Gebieten des Alten Reiches -nach vermeintlich Schuldigen am eigenen Unglück", erklärt Fuchs. Allein im Ruhr-Lippe-Raum kostete das 198 Menschen das Leben, 148 von ihnen waren Frauen.

Erst im 18. und 19. Jahrhundert wurde Juristen und Historikern bewusst, dass Richter und Obrigkeiten jahrhundertelang grausame Strafen für Delikte ausgesprochen hatten, die auf reiner Erfindung beruhten. Am Beispiel der Hexenverfolgungen in der Ruhr-Lippe-Region zeigt Fuchs, wie Unschuldige zu Außenseitern gemacht wurden. "Dann hatten die Verdächtigten kaum noch eine Chance der Verfolgungshysterie ihrer Mitmenschen zu entgehen", fasst Fuchs zusammen.

Ralf-Peter Fuchs: Hexenverfolgung an Ruhr und Lippe.
Die Nutzung der Justiz durch Herren und Untertanen (Forum Regionalgeschichte, Bd. 8), Ardey-Verlag, Münster 2002. 210 Seiten, kartoniert, 6 Abbildungen,
12,90 ¿, ISBN 3-87023-080-0)







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