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Mitteilung vom 26.09.02

Presse-Infos | Der LWL

Auf dem Weg ins Museum
Obduziert und vergraben
50 Skelette - ein gruseliger Fund in Münsters Stubengasse

Münster (lwl). Ungewöhnlich in zweierlei Hinsicht war der Fund, den Archäologen 1998 in der Innenstadt von Münster machten. Bei Ausgrabungsarbeiten an der Stubengasse - dort soll auf einem Parkplatz ein Einkaufszentrum entstehen - entdeckten sie auf einer Grundfläche von sechs mal acht Metern 50 Skelette. Die Toten lagen in fünf Schichten übereinander, ohne große Sorgfalt in dichter Folge bestattet. An einem der Körper hatte man anatomische Untersuchungen vorgenommen. Der Schädel war geöffnet, eine abgetrennte Schädeldecke einer anderen Leiche lag im linken Brustbereich des Skeletts. Mediziner hatten den Körper des 35 bis 55 Jahre alten Mannes anatomisch untersucht.

Der Fund, den die Wissenschaftler auf das zweite Drittel des 18. Jahrhunderts datierten, war deswegen so außergewöhnlich, "weil nach 1776 innerhalb der Stadt keine Bestattungen mehr erlaubt waren", sagt Dr. Sven Spiong vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Zudem war der Friedhof nicht bekannt: Er lag an einer von außen schlecht einsehbaren Ecke, war auch schriftlich nicht überliefert, berichtet der Archäologe. Die Forschung vermutet nun, dass das Gelände offensichtlich zum benachbarten Clemenshospital gehörte. Der fachmännische Eingriff lässt ebenfalls darauf schließen. Das Besondere: Nach eigener Aussage stellte das Krankenhaus zu dieser Zeit weder Räumlichkeiten noch Leichen für anatomische Untersuchungen zu Verfügung.

Das Skelett stellen die Wissenschaftler des LWL nun im neuen Westfälischen Museum für Archäologie aus, das Ende März 2003 in Herne eröffnet wird. "Der Knochenfund wird im Boden liegen, unter sterilem Licht, auf einer Glasplatte", erzählt Spiong, "um die Obduktionssituation nachzustellen." Ein besonderes Exponat braucht eine spezielle Präsentation.

Ähnlich spannend ist der gesamte untersuchte Bereich in Münsters Innenstadt, der voller Geschichte steckt. Auf einer Grundfläche von 6.500 Quadratmetern entdeckten die Archäologen von 1997 bis 1999 Reste der historisch überlieferten Bebauung. Seit dem 9. Jahrhundert, das ist sicher, befanden sich dort der domkapitularische Hof Nerdinck und weiter südlich der bischöfliche Hof Eschhues. Mit dem Bau der Stadtmauer ab 1200 lagen beide Höfe im Stadtgebiet. Auf dem Hof Eschhues siedelte sich 1619 ein Kloster der Klarissen an, ab 1824 zog nach Auflösung des Klosters das Große Armenhaus ein.

1745 errichtete der berühmte Baumeister Johann Conrad Schlaun dort das Clemenshospital, das schnell zum größten und leistungsfähigsten in Münster wurde. Bis 1810 nahm man dort ausschließlich Männer auf, die überwiegend arm und allein stehend waren, meist Fremde in der Stadt. "In den Listen standen Handwerksgesellen, Händler und Handlanger, Studenten, Vagabunden, Soldaten", erläutert Spiong. War es einer von ihnen, den Mediziner mit ihrem fachmännischen Eingriff obduzierten? Waren Gerichtsmediziner einem ungelösten Kriminalfall auf der Spur oder diente die Leiche Lehrzwecken? Auch der Archäologe weiß die endgültigen Antworten nicht.

Ende März 2003 wird der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sein neues Archäologiemuseum in Herne eröffnen. In den folgenden Wochen weisen wir auf eine Reihe von interessanten Exponaten hin, die sich auf die Reise in die neue Ausstellung über 200.000 Jahre westfälischer Geschichte machen.






Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
presse@lwl.org




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