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Mitteilung vom 12.09.02

Presse-Infos | Der LWL

Geliebt und verspottet
Ausstellung zur Kulturgeschichte des Gartenzwergs auf Zollern

Bewertung:

Dortmund (lwl). Für die einen ist er der Inbegriff der Spießigkeit, die anderen lieben ihn wie ein Familienmitglied: Der Gartenzwerg scheidet die Geister. Rund 25 Millionen Exemplare stehen in Deutschland, ausgestattet mit Gießkanne oder Grubenlampe, neuerdings auch mit Handy und Laptop. Im Westfälischen Industriemuseum Zeche Zollern II/IV in Dortmund kommen die kleinen Kerle vom 15. September bis 3. November zu besonderen Ehren. Unter dem Titel ¿Geliebt und verspottet ¿ der Gartenzwerg wird 130¿ geht es im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) um Produktion und Design, um Befreier und Beschützer, Freunde und Feinde, Herkunft und Entwicklung ¿ also um die Kulturgeschichte des Gartenzwergs.

Anlass der Schau: August Heissner begann 1872 im thüringischen Gräfenroda als erster mit der Serienproduktion des ¿deutschen Hartbrandwichtels¿, den sich zunächst nur reiche Menschen leisten konnten. Das Konzept aus dem Berliner Ausstellungsbüro Rücker und
Szatmary greift aber thematisch viel weiter in die Vergangenheit zurück. In germanischen Mythen und Sagen, in Liedern und Märchen kommen häufig Erdgeister oder Zwerge vor, die im Berg leben und den Menschen mit geheimem Wissen und handwerklichem Geschick bei der Suche nach Erzen, Gold und später Kohle helfen.

Auch der Begründer der Bergwerkswissenschaft, Georgius Agricola (1494-1555), beschäftigte sich in seiner Abhandlung über das Berg- und Hüttenwesen ganz selbstverständlich mit den ¿Lebewesen unter der Erde¿. ¿Es gibt bis ins 20. Jahrhundert hinein eine enge mythologische Verbindung der Zwerge zum Bergbau¿, erklärt Museumsleiterin Dr. Ulrike Gilhaus.


Die Zipfelmütze soll ursprünglich Bergleuten dazu gedient haben, in der Dunkelheit die Höhe des Stollens zu erahnen. Daraus entstand im Volksglauben die Gestalt des Bergzwergs mit seiner roten Kopfbedeckung.

Wie der Wichtel von der Grube in den Garten und später sogar als Streitobjekt in den Gerichtssaal kam, zeigt die Geburtstagsschau mit Texten, Bildern, Installationen ¿ und natürlich Anschauungsobjekten aus der Welt der kleinen Kerle: vom Bergarbeiterzwerg bis zum Politiker-Wichtel, vom erdolchten Gnom bis zur Zwergendomina.

Menschen aus Berlin und Erfurt, wo die Ausstellung zuvor gezeigt wurde, sowie aus Dortmund und Essen erzählen davon, wie der erste Zwerg zu ihnen kam. Hinaus in die weite Welt führen Polaroids aus dem Film ¿Die wunderbare Welt der Amélie¿, in dem ein Gartenzwerg auf Reisen geht.

Welch groteske Blüten die Hassliebe zu den kleinen Kerlen heute zuweilen treibt, zeigen Gerichtsakten über deutsche Nachbarschaftsstreits oder ein Blick über den Gartenzaun ¿ zum Beispiel nach Frankreich: Die dortige Bewegung zur Befreiung der Gartenzwerge entführt die Gnome regelmäßig aus ihren umzäunten Vorgärten, um sie auf Wiesen und in Wäldern auszusetzen. Ärger mit den Ordnungsbehörden bekamen auch Berliner Militärgegner, die 1996 gleich eine ganze Armee grüner Soldatenzwerge vor dem Schloss Charlottenburg aufmarschieren ließen. Diese gelobten feierlich, deutsche Gärten gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen.

Wie vermehren sich die Zwerge? In Deutschland gibt es heute fünf Firmen, die Gartenzwerge in die ganze Welt exportieren. Darunter die Firma Heissner, die jedes Jahr 700.000 Zwerge in Tschechien produziert, die Firma Griebel, eine der ersten Manufakturen in Thüringen, das Zwergenkaufhaus, Hersteller der umstrittenen und gerichtlich verfolgten ¿Frustzwerge¿ und das jüngste Unternehmen Zwergenpower, das über das Internet Wunschzwerge vertreibt. Die Ausstellung stellt kurze Portraits der Firmen vor und zeigt Produkte.

Kitsch oder Kult? In einer Werkstatt dürfen Besucher am Schluss der Schau selbst entscheiden: In einem Regal warten braune Zwergenrohlinge auf kreative Käufer, die den Wichteln selbst einen Anstrich verpassen können. Im Laufe der Ausstellung soll sich das Warenlager in eine bunte Inszenierung verwandeln. Auf Zuwachs ist auch die virtuelle Gartenzwerg-Galerie mit privaten Fotos und Zwergen-Geschichten ausgelegt, die das LWL-Industriemuseum im Internet eingerichtet hat (https://www.zeche-zollern.de).

Geliebt und verspottet ¿ der Gartenzwerg wird 130
Ausstellung im Westfälischen Industriemuseum Zeche Zollern II/IV,
Grubenweg 5, Dortmund-Bövinghausen
15. September bis 3. November 2002
geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Eintritt: Erwachsene 2,60 ¿, Kinder ab 6 Jahren 1,10 ¿, freitags frei

Buch zur Ausstellung:
Etta Bengen: Die große Welt der Gartenzwerge: Mythen, Herkunft, Traditionen. Ein historischer Rückblick, 128 S., Edition anderweit, 22 ¿










Pressekontakt:
Markus Fischer, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, Telfon: 0231 6961-127
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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