Mitteilung vom 06.06.02
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LWL-Literaturkommission erinnert an Paul Schallück
Oelde (lwl). Die Literaturkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erinnert anlässlich des 80. Geburtstag des Schriftstellers Paul Schallück (1922-1976) mit mehreren Projekten an das vielschichtige Werk des "unwestfälischen Westfalen". Im Mittelpunkt steht eine Ausstellung im Westfälischen Literaturmuseum Haus Nottbeck (Oelde-Stromberg, Kreis Warendorf), zu der ein 400-seitiges Begleitbuch erscheint. Am 16. und 17. Juni finden Schallück-Projekttage statt. Dabei geht es unter anderem um Schallücks Hauptwerk, den in viele Sprachen übersetzten Roman "Engelbert Reineke". In diesem Werk nahm Schallück die Stadt Warendorf als Modell für die nationalsozialistische Verstrickung einer westfälischen Stadt.
"So direkt, so ungeduldig und anklägerisch hat wohl kein Schriftsteller der Nachkriegsliteratur nach dem Verbleib der Wahrheit gefragt und nach den Schlussfolgerungen, zu denen sie uns zwingt." Auf diese Weise charakterisierte Siegfried Lenz das literarische Werk Schallücks. Der 1922 in Warendorf geborene und mit 54 Jahren in Köln verstorbene Autor zählte zu den profiliertesten Schriftstellerpersönlichkeiten der 1950er und 1960er Jahre. Oft wurde sein Name in einem Atemzug mit dem seines Freundes und literarischen Wegbegleiters Heinrich Böll genannt. Sein Werk wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (1955) und dem Nelly-Sachs-Preis (1973). Schallücks literarische Heimat war die legendäre "Gruppe 47", an deren Treffen er von 1952 bis 1964 regelmäßig teilnahm.
Schallücks eigentliches Metier war die Prosa. Seine fünf Romane, die zwischen 1951 und 1967 herauskamen, sowie seine Kurzgeschichten, von denen einen Auswahl unter dem Titel "Lakrizza" (1966) erschien, trafen den Nerv des Zeitgeschmacks. Schallück war jedoch nicht nur "Belletrist", sondern auch ein profilierter Kritiker. Eine Auswahl seiner gesellschaftskritische Essays wurde 1962 unter dem Titel "Zum Beispiel" publiziert. Der Nachlass birgt Hunderte kritischer Leitartikel, Statements und Pamphlete, die im Rundfunk zu hören waren oder in Zeitungen und Zeitschriften erschienen. LWL-Literaturexperte Dr. Walter Gödden: "Man erkennt einen unbeugsamen, unbestechlichen Moralisten, der es mit seinem gesellschaftspolitischen Engagement radikal ernst meinte und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging."
Daneben betätigte sich Schallück als Herausgeber. In dieser Eigenschaft verhalf er - auf internationaler Ebene - in der Zeitschrift "Dokumente" wichtigen gesellschaftskritischen Aufsätzen zur Veröffentlichung. Im Rahmen seines gesellschaftspolitischen Engagements baute er das Kölner Dokumentationszentrum "Germania Judaica" maßgeblich mit auf. Im politischen Zusammenhang verband ihn nahe Freundschaft mit Willy Brandt.
Ein eigenes Kapitel bildet Schallücks schwieriges Verhältnis zu seiner Heimatstadt Warendorf. Seine aus Sibirien stammende Mutter wurde in der Stadt angefeindet und verhöhnt. Paul Schallück bezeichnete sich selbst deshalb als "Verwundeten von Anfang an". Das Motiv der Verfolgung wurde ein Hauptmotiv seines Schreibens. Später verfasste er eine bissige Satire auf seine Heimatstadt, die man ihm verübelte. Schallück schrieb daraufhin eine "Satire auf eine Satire" mit dem Titel "Bekenntnisse eines Nestbeschmutzers". Eine wirkliche Aussöhnung fand nicht statt.
Das Programm der Schallück-Tage ist im Internet unter https://www.literaturkommission.de abrufbar. Der Katalog "Wenn man aufhören könnte zu lügen. Der Schriftsteller Paul Schallück (1922-1976)" ist zum Preis von 25 Euro im Bielefelder Aisthesis-Verlag erschienen (ISBN 3-89528-370-3).
Pressekontakt:
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