Mitteilung vom 04.04.02
Presse-Infos | Der LWL
Mit Sanftmut gegen Gewalt
In der LWL-Klinik Schloss Haldem werden Straftäter in Aikido unterrichtet
Stemwede-Haldem (lwl). "Hier oben" fühlt Michael sich geborgen. "Hier oben" - im dritten Stock von Haus 3 der Westfälischen Klinik Schloss Haldem - trainiert der Patient dreimal in der Woche Aikido, eine japanische Kampfkunst. Was nach aggressiven Techniken klingt, hat damit aber wenig zu tun. Den einzigen Kampf, den es "hier oben" gibt, tragen die Patienten tief in ihrem Inneren aus. Denn beim Aikido müssen sie lernen, nachzugeben, ihr Gegenüber zu respektieren, Rücksicht zu nehmen und ein Wir-Gefühl zu entwickeln.
Für die meisten Patienten in der Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist das eine schwere Aufgabe. Denn sie alle sind Straftäter, die meisten zudem suchtkrank, einige wenige psychisch krank. Im Training müssen sie Nähe zulassen und Vertrauen fassen. Nicht ohne Grund heißt der Raum "hier oben" Dojo, der "Raum, in dem der Weg geübt wird".
Ein Mitarbeiter der Abteilung Körpertherapie, Thomas Brendel, hat diese Form der Bewegungstherapie vor 14 Jahren in die Einrichtung des so genannten Maßregelvollzugs gebracht und im Laufe der Jahre daraus ein spezielles Training entwickelt: AKT, das Affekt-Kontroll-Training. Wie der Name sagt, ist es Ziel des Trainings, das eigene Verhalten zu kontrollieren und den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen.
Zum Beispiel bei Frank. Er kam mit zwölf Jahren ins Heim. Wegen Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung verbrachte er acht Jahre im Gefängnis, war dann vier Jahre lang auf der Flucht in Frankreich. Alkohol und Drogen waren immer im Spiel. Schließlich schlägt er einen anderen Mann im Rausch so zusammen, dass dieser stirbt. Das Gericht verurteilt ihn "zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung in einer Entziehungsanstalt" - auf unbestimmte Zeit.
Franks Stationstherapeut verordnet ihm das Affekt-Kontroll-Training. Dreimal in der Woche geht Frank nun in den Dojo und trainiert bei Brendel und seinem Team nach strengen Regeln japanische Kampfkunst.
Wochenlang übt der neue Schüler das weiche Abrollen und lernt zu fallen, ohne sich zu verletzen. Wenn er dann das erste Mal mit einem Partner trainiert, hat er schon am eigenen Körper erfahren, dass Aikido nichts mit aggressiven Kampftechniken zu tun hat. Der Angriff wird zum Beispiel durch einfache Schrittfolgen umgelenkt, so dass es gar nicht mehr zu einer direkten Konfrontation kommen kann.
Therapeut Brendel hat ein bestimmtes Ziel vor Augen: "Dass sich durch das Training für jeden einzelnen die Palette von Alternativen im alltäglichen Entscheidungskampf vergrößert". Etwa so: "Ich arbeite mit Sanftmut und setze Gewalt etwas Weiches entgegen." Ein Weg, den alle Beteiligten sich mühsam erarbeiten müssen.
Im Dojo sind die Rituale wichtig: Verneigung, Aufmerksamkeit, das Befolgen von Anweisungen, Meditation. Es gibt sogar einen "Benimmknigge", der vorschreibt, dass die Teilnehmer sauber in "Erscheinung und Handlung" zu sein haben, dass eine Begrüßung, Blickkontakt und die Pflege des weißen Anzugs Pflicht sind.
Allen Patienten wird "hier oben" schnell klar, dass das AKT keine Sportart ist. Dahinter verbirgt sich ein ganzer Komplex aus fernöstlichen Weltanschauungen und modernen Therapieansätzen. Hier trifft die Philosophie des Zen-Buddhismus auf Elemente des Qi Gong. Hier wird trainiert, gesprochen, getanzt, Respekt und Achtung vor dem anderen gelernt. Das ist keine Übung, die mit der Therapie endet, sondern eine Lebensaufgabe.
Tagung
Vom 13. bis zum 15. September findet im Jugendhof Vlotho, der Bildungsstätte des LWL, die IV. internationale Fachtagung zum Thema "Kampfkunst" statt. Die Veranstalter informieren in Vorträgen und Workshops über den Einsatz fernöstlicher Kampfkünste in unterschiedlichen Bereichen: bei der Behandlung psychisch kranker Straftäter und gewaltbereiter Jugendlicher, bei Behinderten, in psy-chotherapeutischer, medizinischer und sozialpädagogischer Praxis. Informationen beim Jugendhof Vlotho unter Telefon 05733 923-0.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 41 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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