Mitteilung vom 25.03.02
Presse-Infos | Der LWL
Außergewöhnliche 'Amtshilfe' des LWL: Unterlagen über SS-Massaker im Westfälischen Archivamt restauriert
Münster/Herford (lwl). Vergilbtes Zeitungspapier, notdürftig mit Tesafilm geflickt: In diesem Zustand befanden sich die Zeitzeugnisse der griechischen Gemeinde Distomo, bis Birgit Geller sich ihrer annahm. Die Restauratorin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) stellte den ursprünglichen Zustand der vom Verfall bedrohten Archivalien wieder her. So wurden in der Restaurierungswerkstatt des Westfälischen Archivamts in Münster Dokumente gerettet, die den "Gemeindeschatz" des griechischen Dorfes darstellen: Denn dabei handelt sich um die einzigen Zeitungen und Zeitschriften aus den Jahren 1944/45, in denen über das "Massaker von Distomo" berichtet wird.
Am 10. Juni 1944 hatte die 2. Kompanie des SS-Panzer-Grenadier-Regiments 7 in Distomo, 20 Kilometer vom antiken Delfi entfernt, ein
Blutbad angerichtet. Bei einer so genannten Sühnemaßnahme für einen Partisanenangriff, der mehrere Kilometer von der Ortschaft entfernt stattgefunden hatte, waren 218 Einwohner, vom zweimonatigen Säugling bis zum 86jährigen Greis, auf bestialische Weise ermordet worden. Delegierte des Internationalen Roten Kreuzes berichteten nach dem Massaker in einem Geheimbericht, sie hätten Opfer vorgefunden, die von den SS-Männern mit Bajonetten an Alleebäume "genagelt" wurden, ebenso Frauen, deren Bäuche aufgeschlitzt und Kinder, deren Schädel zertreten waren.
Der Herforder Archivar Dieter Begemann war bei einem Griechenlandbesuch im Jahre 1984 zufällig auf das in Deutschland bis dahin völlig unbeachtete Verbrechen aufmerksam geworden. Seitdem hat er in deutschen und internationalen Archiven zusammengetragen, was über das Massaker zu finden ist. Zusätzlich befragte er Zeit- und Augenzeugen. In Kürze werden seine Recherchen in einem Buch unter dem Titel "Tatort Distomo" veröffentlicht.
Als Begemann im vergangenen November, anlässlich der Dreharbeiten für die Fernsehdokumentation "Kaltblütiger Mord" (Sendereihe "die story") mit einem WDR-Team in Distomo war, fand er die dortigen Archivunterlagen in einem beklagenswerten Zustand vor. Gemeindearchive nach hiesigem Standard sind in Griechenland vollkommen unbekannt. "Dafür fehlen einem Ort wie Distomo ganz einfach die Mittel", so der Herforder Archivar. "Dort gibt es zwar 5.000 Einwohner, aber die gesamte Gemeindeverwaltung besteht gerade mal aus 17 Beschäftigten, vom Bürgermeister bis zum Fahrer des Müllwagens."
Begemann überzeugte den Bürgermeister von Distomo, Loukas Papachristou, von der Notwendigkeit, die Archivalien zu restaurieren. Als Begemann nach seiner Rückkehr den Leiter des LWL-Archivamtes, Dr. Norbert Reimann, auf den Fall ansprach, bot dieser spontan die Unterstützung seines Hauses an und leistete damit eine außergewöhnliche "Amtshilfe" auf europäischer Ebene.
In den vergangenen Wochen hat sich die LWL-Restauratorin Birgit Geller der drei Zeitungsblätter sowie der Ausgabe des Magazins "Life" vom 27. November 1944 angenommen. "Den Dokumenten ist anzusehen, dass sie oft benutzt wurden", beurteilt die Restauratorin den schlechten Zustand der Archivalien und meint damit die Schäden, die durch feuchte Lagerung und mehrfaches Falten entstanden. Die aufwändigste Arbeit war, mit Spezialbenzin und einem Skalpell die Klebestreifen zu lösen.
Außerdem wurden die Dokumente in Münster kopiert, damit auch künftig Interessierte die Geschichte des Massakers nachlesen können, ohne die Originale in die Hand zu nehmen. Die Zeitzeugnisse sollen in einem Gemeindemuseum gezeigt werden, das am 10. Juni, zum Jahrestag des Massa-kers, in Distomo eröffnet wird.
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