Mitteilung vom 12.10.01
Presse-Infos | Der LWL
Unfallkreuze - Zeichen öffentlicher Trauer und intimen Abschieds
Westfalen (lwl). Ein leichter Schauer des Unbehagens huscht über den Rücken: Einen Augenblick ist im Rückspiegel ein Kreuz am Straßenrand zu sehen, neben Begrenzungspfählen niedergelegte Blumen. Viele dieser Kreuze stehen an den Straßen Westfalens. Jedes von Ihnen zeigt ein Schicksal, ist Ausdruck der Trauer der Angehörigen. Seit fast zwei Jahren beschäftigt sich die Volkskundlerin Dr. Christine Aka im Auftrag des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) mit dem Phänomen Unfallkreuze.
Über 1000 Menschen kamen allein in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 bei Verkehrsunfällen ums Leben. Besonders gefährdet sind, nach Angaben des Bundesamts für Statistik, junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Mehr als 250 Unfallkreuze in Westfalen-Lippe hat die LWL-Volkskundlerin erfasst, Hintergründe recherchiert und mit Angehörigen gesprochen. "Der überwiegende Teil der Kreuze ist zum Gedenken an junge Menschen aufgestellt worden", weiß Aka. Vor allem Freunde der Toten suchen die Nähe zu den Verstorbenen nicht an deren Grab sondern am Unfallort.
"Das Gefühl, dem geliebten Menschen nah zu sein, ist für junge Leute viel stärker an der Stelle des Trauerkreuzes. Dies ist der Ort, an dem die Verunglückten ihre letzten Minuten und Emotionen erlebten", erläutert die LWL-Volkskundlerin. Der Friedhof dagegen wird oft gemieden. Er stehe, wie Aka aus Gesprächen mit Angehörigen weiß, für Verwesung und Vergänglichkeit. Ein Platz, an dem viele Jugendliche den Verstorbenen nicht gedenken wollen und können. Für ältere Generationen ist der Friedhof jedoch oft ein wichtiger Ort der Ruhe und der Erinnerung.
Seit Beginn der 80er Jahre gibt es vermehrt Unfallkreuze an den Straßen der Region. Längst sind dies nicht mehr nur einfache Holzkreuze. "Die Kreuze sind aufwendiger und größer geworden", hat Aka bei ihren Forschungen bemerkt. Die Gedenkstätten sind individuell gestaltet: Kuscheltiere, Brie-fe, Gedichte, Fanschals - alles soll an den Menschen erinnern, der dort ums Leben kam. So wird das öffentlich aufgestellte Kreuz an einer vielbefahrenen Landstraße zu einem persönlichen und intimen Ort des Abschieds der Angehörigen und Freunde. Ganz unterschiedliche Abschiedsriten sind entstanden: Freunde hupen zum Gruß oder sitzen dort abends zum Gedenken zusammen.
"Die Täfelchen und Kreuze spiegeln einen Trauerprozess wider. An einigen Stellen verschwinden die Kreuze nach wenigen Jahren wieder, an anderen gibt es über Jahre immer wieder frische Blumen", bemerkt die LWL-Volkskundlerin. Der Umgang mit dem Tod, der Trauer und dem Entsetzen über einen plötzlichen Verlust kann ganz unterschiedlich sein. Einige Eltern meiden den Unfallort ganz, andere fahren jeden Tag an dem Kreuz vorbei.
Doch auf die Frage, warum die Angehörigen ein Kreuz aufstellten, antworteten alle gleich. Es solle ein Mahnmal sein, lautete die einheitliche Antwort. "Doch wenn man sich intensiver mit den Menschen unterhält, bemerkt man, dass die Kreuze vielmehr Zeichen für die Angehörigen selber sind, um ihrer Trauer einen Ort geben.", so Aka.
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