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Mitteilung vom 03.04.01

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Bei "offline" auf Entzug: Wenn Web-Surfen süchtig macht

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Gestörte Beziehungen zu Mitmenschen bis hin zum Arbeitsplatzverlust; Hilflosigkeit, Angst, Unruhe, Gereiztheit bis zu Depressionen - ob chronisch `online' oder `offline' mit Entzugserscheinungen: "Der internetsüchtige Patient ist bei uns angekommen. Surfen im Netz kann ähnlich krankhafte Züge annehmen wie das Glücksspiel." Dr. med. Ulrich Kemper, Leitender Arzt der Bernhard-Salzmann-Suchtfachklinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Gütersloh, sieht sich seit zwei Jahren mit dem Thema Internetsucht konfrontiert: "Die Zahl der Dauer-User unter den gegenwärtig rund 18 Millionen bundesdeutschen Internet-Usern zwischen 14 und 69 Jahren steigt."

"Nach einer Studie der Humboldt-Universität Berlin surfen drei Prozent der User, also mehr als eine halbe Million, mehr als 34 Stunden pro Woche im Netz. Sie gelten als süchtig", berichtete Kemper gestern Abend (3.4.01) bei einem Vortrag in der Gütersloher Stadtbibliothek. Als suchtgefährdet müssen weitere sieben Prozent gesehen werden, die mehr als 28 Stunden wöchentlich vor dem Schirm hocken.

Ehefrauen beschimpfen ihre in der virtuellen Welt versunkenen Männer, Eltern sehen ihre Kinder gefährdet. Und laut Kemper suchen meist die leidensgedrückten Angehörigen als erste professionelle Hilfe. "Die Abhängigen selbst verleugnen zunächst ihre Sucht, wie bei anderen Abhängigkeiten auch", so der LWL-Experte aus der Bernhard-Salzmann-Klinik.

Der Diagnose folgt die Stufentherapie mit Beratung und ärztlicher Surfzeit-Begrenzung. "Je nach Lebenssituation und Gefühlswelt des Betroffenen schließt sich eine Psychotherapie zur Aufarbeitung persönlicher Probleme an", rät Kemper, "und wenn mit der Onlinesucht andere Abhängigkeiten wie etwa vom Alkohol einhergehen, kann die stationäre Klinik-Behandlung helfen."

Nachdrücklich empfiehlt der Experte www-Süchtigen wie Angehörigen den Kontakt mit einer der immer zahlreicher werdenden Selbsthilfe-Gruppen: "Die Erfahrung gemeinsamer Betroffenheit, des Nicht-allein-Stehens ist sehr entlastend." Laut Kemper gibt es solche Gruppen derzeit beispielsweise im ostwestfälischen Büren, in Erkrath und in Solingen.

"Fließend und oft schwer zu ziehen wie bei anderen Suchtformen auch" sind laut Kemper beim Internet die Grenzen zwischen übermässigem Gebrauch und handfester Abhängigkeit. Auch bei dieser Einschätzung könne im Zweifel eine Fachkraft aus einer Beratungsstelle oder ein Suchtmediziner helfen.

Ob die Internetsucht, die 1995 erstmals in Amerika als `Internet addiction disorder' beschrieben wurde, als eigenständige Erkrankung anerkannt wird wie etwa Alkoholismus oder Heroinabhängigkeit, ist offen. "Gerade die so genannten nicht stoffgebundenen Süchte werden oft nur als Symptom einer psychischen Störung des Betroffenen angesehen", so Kemper. Für ihn ist allerdings klar: "Wie beim Glücksspiel kann auch das Surfen im Internet aufregende oder angenehme Gefühle auslösen, die Menschen immer wieder zwanghaft solche Situationen aufsuchen lassen - oft mit verheerenden existenziellen Folgen." Seit mehr als anderthalb Jahrzehnten habe die Gütersloher LWL-Bernhard-Salzmann-Suchtfachklinik Erfahrung mit der Behandlung nicht stoffgebundener Süchte.

Kontakt: Bernhard-Salzmann-Klinik Gütersloh, Tel. 05241/502 577 oder 551



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