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Mitteilung vom 17.05.24

Presse-Infos | Psychiatrie

"Lass mich die Nacht überleben"

Lesung mit Jörg Böckem, Journalist & Junkie, im LWL-Therapiezentrum Marsberg

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Marsberg (lwl). Nach einer Überdosis Kokain hätte Jörg Böckem beinahe seine damalige Freundin erwürgt. "Das hätte ich nie wieder rückgängig machen können", betont er bei seiner Lesung für Mitarbeitende, Patienten und Mitglieder des Fördervereins für das Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie Marsberg des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). "Heroin lässt dir keinen Raum für Zweifel. Keinen Raum für Entscheidungen. Als Süchtiger bist du der Mittelpunkt der Welt. Die Droge diktiert klare Regeln. Die Zeit wird zum Feind."

Seit 23 Jahren ist Böckem clean. Der Kampf mit der Sucht war lang. Drei stationäre Therapien, dutzende Entgiftungen und zwischendurch immer wieder cleane Phasen. Jörg Böckem lebte zwei Leben, als Journalist und als Ex-Drogenabhängiger. Die Arbeit als Journalist, das Schreiben für "Spiegel", "Die Zeit" und "Tempo", die Deadlines und Recherchereisen waren seine einzige Verbindung zu einem bürgerlichen Leben. Auf der anderen Seite das typische Elend eines Drogenkranken: Zerstochene und entzündete Hände wie Klauen aus einem Horrorfilm, Dahindämmern auf dreckigen Matratzen und blutige Fliesen im Bad, wenn die Venen mal wieder streikten. "Dieses tolle Gefühl, dass dir das Heroin am Anfang gibt, kommt nie wieder", sagt er. "Als Junkie hast du eine klar umrissene Identität, alles dreht sich um die Droge. Bist du clean, gibt es diese Klarheit nicht mehr. Du musst herausfinden, wer oder was du sonst noch sein und tun kannst und dir Säulen suchen, die dich tragen."

Für Böckem war eine Säule der Kampfsport. "Da habe ich gelernt, das Fallen nicht das Ende, sondern Teil einer Bewegung sein kann. Wie im Leben. Du kannst hinfallen, aber auch wieder aufstehen. Ich will nicht mit Reue auf mein Leben zurückblicken. Mir ist es wichtiger, aus meiner Vergangenheit zu lernen und es heute anders zu machen. Der Junkie, der junge Mann, der glaubte Drogen zu nehmen, sei eine gute Idee, ist immer noch ein Teil von mir. Aber er sitzt nicht mehr am Steuer, lenkt nicht mehr mein Leben."

Rund 50  Mitarbeiter:innen und Patienten der forensischen Klinik folgten der Lesung. Hubertus Gerlach, Pflegedirektor des LWL-Therapiezentrums für Forensische Psychiatrie Marsberg und Vorsitzender des Fördervereins, freut sich, dass die Lesung realisiert werden konnte. "Böckems Geschichte kann unseren Patienten zeigen, dass auch sie die Chance haben, ihr Leben zu verändern und die Zeit bei uns nutzen können, Perspektiven für die Zeit nach der Entlassung für sich zu entwickeln", so Gerlach. Gleichzeitig geben Veranstaltungen wie diese Ablenkung vom Stations- und Therapiealltag und können das Interesse für Kultur wecken. "Für viele Patienten ist eine Lesung zu besuchen oftmals etwas Neues." In der Klinik hätten sie die Möglichkeit, ihre freie Zeit sinnvoll und vor allem straffrei zu nutzen sowie Interessen zu entwickeln, denen sie nach der Unterbringung weiter nachgehen können. 

Hintergrund
Das LWL-Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie Marsberg ist ein Fachkrankenhaus für suchtkranke Straftäter mit derzeit 111 stationären Therapieplätzen. Die Einrichtung steht als eine von derzeit sechs Maßregelvollzugskliniken in der Trägerschaft des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Rechtsgrundlage für die Aufnahme ist eine gerichtliche Verurteilung nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch zu einer sogenannten Maßregel der Besserung und Sicherung.

Der Förderverein des LWL-Therapiezentrums für Forensische Psychiatrie Marsberg wurde 2004 gegründet und hat 29 Mitglieder. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wiedereingliederung der Patienten in der Gesellschaft zu fördern. Vor allem aber bemüht er sich um die Förderung des Verständnisses und der Akzeptanz für die Aufgaben des Maßregelvollzugs in der Öffentlichkeit. Der Verein unterstützt und organisiert verschiedene, auch öffentliche Veranstaltungen und Projekte des LWL-Therapiezentrums, die den dort untergebrachten Patienten zugutekommen. Die Vereinsgelder setzen sich aus gespendeten Sitzungsgeldern des Klinikbeirates, Spenden und Geldzuweisungen aus eingestellten Strafverfahren von Gerichten zusammen. Der Verein freut sich über Unterstützung. Informationen zum Förderverein finden Sie auf unserer Internetseite http://www.lwl-therapiezentrum-marsberg.de



Pressekontakt:
Julia Hollwedel, LWL-Klinikum Marsberg, Telefon 02992 601-1303, julia.hollwedel@lwl.org und Thorsten Fechtner, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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34431 Marsberg
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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