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Mitteilung vom 16.08.23

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Verflixt und zugenäht!

Neue Sonderausstellung im LWL-Museum in der Kaiserpfalz präsentiert Fundkomplex aus Textilfragmenten

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Paderborn(lwl). Kleider machen Leute. Das galt auch im mittelalterlichen und neuzeitlichen Paderborn. Was Bürger und Bürgerinnen der Stadt trugen und wie die nützlichen und kostbaren Stoffe hergestellt wurden, zeigt die neue Sonderausstellung "Verflixt und zugenäht" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz (18.8. bis 26.11.). Zu sehen sind 200 Funde - Textilien, aber auch eine Glasflasche und ein Krug -, die 1994 in einem Fundkomplex bei Ausgrabungen "Am Kamp", auf dem Gelände der heutigen Libori-Galerie, gefunden wurden. Nach fast 30 Jahren Restaurierung und Aufarbeitung ermöglichen sie jetzt einen Einblick in das Leben und die Kleidungsgewohnheiten der Paderborner Handelsschicht.

Die Ausgrabungen "Am Kamp"
Im Vorfeld der Bauarbeiten zur Libori-Galerie fand 1994 eine Rettungsgrabung auf den Flurstücken Am Kamp 32 und 34 statt. Dabei wurden 1.000 Quadratmeter systematisch untersucht und mehrere Keller in verschiedenen Nutzungsphasen dokumentiert, die vom 12. Jahrhundert bis ins Jahr 1945 reichen.

Nach der Stadtummauerung haben sich die Grundstücksgrenzen vermutlich auch am Kamp oft verändert. Aufgrund der archäologischen Untersuchungen nehmen die Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) an, dass die kleinen mittelalterlichen Parzellen im Laufe der Jahrhunderte zu größeren Grundstücken zusammengefasst wurden. Dieser Trend setzte sich mit dem Neubau der Libori-Galerie auch im 20. Jahrhundert fort.

Von der Latrine in die Vitrine
Der ausgestellte Textilkomplex wurde in der ehemaligen Latrine eines dreigeschossigen Hauses gefunden. Einfüllschächte ermöglichten ab dem 14. Jahrhundert die Toilettennutzung im Erdgeschoss, ersten und zweiten Stockwerk.

LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger: "Latrinen nehmen in der Archäologie einen besonderen Stellenwert ein. Sie geben viel über das alltägliche Leben der einstigen Bewohner preis, erfordern von Archäolog:innen aber auch ein etwas anderes Vorgehen. Im Zuge des feuchten Latrinenmilieus gibt es sehr gute Fundumstände und Datierungsmöglichkeiten. Die zeitliche Einordnung findet meist über Vergleichsfunde statt, die nur den Zeitraum, in dem die Latrine benutzt wurde, abbilden können."

Nach 1769 wurde die Grube luftdicht verschlossen und erst 200 Jahre später, bei der Ausgrabung im Jahr 1994, wieder geöffnet und ihr Inhalt geborgen. Im späten 13. Jahrhundert wurden zwei Brunnen zwischen den beiden Grundstücken angelegt, in denen ebenfalls organisches Material gefunden wurde.

"Wir haben großes Glück, dass die Latrine luftdicht verschlossen war. Nur aufgrund der permanent feuchten Bedingungen und des geringen Sauerstoffkontaktes sind die 200 Textilienfragmente weitgehend erhalten geblieben. Entsprechend große Fundkomplexe aus einem archäologischen Kontext sind in Deutschland sehr selten. Vergleichsfunde sind bisher nur in Heidelberg und Tübingen bekannt", erläutert Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen, die Besonderheiten der Textilfunde aus Paderborn.

Verflixt und Zugenäht!
Rüschoff-Parzinger: "Die Funde sind nicht nur deutschlandweit von großer Bedeutung für die Archäologie, sondern auch regional für die Menschen in Westfalen-Lippe und Paderborn, die mehr über die Vergangenheit ihrer Heimat erfahren möchten. Schon seit vielen Jahren fungiert das LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn als ein wichtiger Pfeiler der Archäologie in Westfalen. Die neue Sonderausstellung mit ihren vielen interaktiven Elementen zeigt erneut, dass insbesondere kleinere Ausstellungen mit alltäglichen und lokalen Themen ein Gewinn für ihre Region sind."

Aufgrund der Textilfragmente vom Kamp gibt es neue Einblicke in das Leben, insbesondere die alltäglichen Kleidungsgewohnheiten der Paderborner Handelsschicht. Die neue Sonderausstellung beschäftigt sich jedoch nicht nur mit den Originalfunden aus Paderborn, sondern nimmt auch die mittelalterliche und neuzeitliche Herstellung der Stoffe in den Blick. Dr. Martin Kroker, Leiter des LWL-Museums in der Kaiserpfalz: "In unserer Sonderausstellung dreht sich ein großer Bereich um die Rohstoffe und die Verarbeitung der damaligen Gewebe. Dabei nehmen wir die unterschiedlichen Materialien sowie ihre Herstellung und Verarbeitung - von Wolle bis Seide - direkt in den Blick. Aber nicht nur die zahlreichen Nachbildungen der gefundenen Textilien laden die Besucher und Besucherinnen ein, auf Tuchfühlung zu gehen. Wir bieten auch ein umfangreiches Rahmenprogramm mit vielen Workshops an."

Ausprobieren und Mitmachen erwünscht
Das handwerkliche Programm richtet sich an Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren. Der erste Workshop zu Historischen Textiltechniken - Brettchenweben findet bereits am Samstag (2.9.) von 10 bis 17 Uhr statt. Die Teilnehmenden erhalten Einblick in die Kunst des Brettchenwebens. Diese Technik wird bereits seit der Bronzezeit genutzt, um schmale Bänder, Gürtel und Borten zu fertigen. Anders als am Webstuhl entstehen die Muster jedoch durch verschiedenfarbige Kettfäden und individuelle Drehrichtungen der Brettchen. Im Kurs wird ein bunter Tragegurt gewebt, der beispielsweise für eine Tasche verwendet werden kann.

Es wird um eine Anmeldung unter E-Mail: kaiserpfalzmuseum@lwl.org oder Telefon: 05251105110 gebeten.


Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de
https://de-de.facebook.com/museuminderkaiserpfalz
https://www.instagram.com/lwl_kaiserpfalzmuseum



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Bianca Kühlborn, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
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Ikenberg 2
33098 Paderborn
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