LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 28.04.14

Presse-Infos | Kultur

Von Tabakfreuden und Schuldschweinen

LWL-Publikation über Haus Horst gibt ungewöhnliche Einblicke

Bewertung:

Münster/Gelsenkirchen (lwl). Eine neue Publikation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) über ¿Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen¿ zeigt die Schloss-Geschichte anhand von Rechnungsbüchern - und 671 Tonpfeifen. Da geht es hoch her zwischen den Zahlenreihen und nüchternen Auflistungen. Was auf vielen Folio-Seiten aus geschöpftem Papier als ¿Einnahme und Ausgabe bei dem adelichen Hause Horst im Broich¿ bezeichnet wird, birgt Streit und Zwist mit der Stiefmutter, Erbeinforderungen und mehr zwischen den handgeschriebenen Zeilen (Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen. Rechnungsbücher und Tonpfeifen. Darmstadt 2014, 340 Seiten, 37 Euro).

¿Damit liegt jetzt der dritte Band zu den archäologischen Untersuchungen vor Ort vor¿, so Birgit Münz-Vierboom von der LWL-Archäologie für Westfalen. Nach Büchern über Öfen und Tierknochen wurden nun neben wissenschaftlichen Auswertungen die Originalseiten der Rechnungsbücher als Faksimile abgedruckt, transkribiert und übersetzt ¿ und stehen damit als Datengrundlage Forschern zur Verfügung.

Mit den Ausgrabungen, die von 1990 bis 2005 stattfanden, konnten neue Aspekte beleuchtet werden. ¿Schloß Horst ist einer der ältesten und bedeutendsten Renaissancebauten in Westfalen¿, so der 1. Vorsitzende des Fördervereins Schloß Horst e. V., Wolf-R. Hoffmann. ¿Der aktuelle Band innerhalb der Publikationsreihe erfüllt den Zweck, dem sich der Verein verschrieben hat, auf schriftliche Art und Weise: Dem Erhalt des kulturellen Erbes dieses geschichtsträchtigen Ortes auch für die nachfolgenden Generationen.¿

Hintergrund
Dass überhaupt verständlich ist, was zwischen 1534 und 1547 mit Feder und Tinte akribisch in den Rechnungsbüchern in einer für moderne Augen ganz eigenwilligen Schrift und Sprache eingetragen wurde, ist Carl Heinrich Lueg zu verdanken. Der Philologe, der Latein und Deutsch in der Gymnasialstufe unterrichtete, beschäftigt sich schon lange Zeit mit den Kirchen- und Familienarchiven in Gelsenkirchen. Seit 2003 hat er sich als Pensionär die Seiten vorgenommen, die von ¿Zehrgeldern¿ für den Reiseweg zeugten, von Ausgaben für die ¿Leibzucht¿ der Stiefmutter oder auch die Getreideabgaben der ¿Eigenhörigen¿ verzeichneten, die Haus Horst verpflichtet waren.

Da ist vom Wachgeld die Rede, das dann geleistet werden musste, wenn der Wachdienst von den Bewohnern der ¿Freiheit¿ Horst auf der Burg nicht eingehalten werden konnte. ¿Schuldschweine¿ werden ebenso aufgelistet wie Strafgelder, Kosten für eine Reise nach Paris, Ausgaben für die Gerichtsbarkeit, Grasgeld für das Weiden des Viehs oder die Preise für glanzvolle Um- und Ausbauten. Kurz: Die Zahlenreihen geben einen tiefen Einblick in den Alltag auf Haus Horst, in die Familienverhältnisse, aber auch in gesellschaftliche und konfessionelle Rahmenbedingungen der Zeit.

Kurz nachdem das Manuskript für die LWL-Publikation vollendet war, erblindete Lueg jedoch in kürzester Zeit vollständig. Die letzten Arbeiten und Korrekturen konnte er nicht mehr allein vollenden. Er bekam Hilfe ¿ von Tochter und Schwiegersohn, vom Förderverein Schloß Horst und auch von den LWL-Mitarbeitern.

Der zweite Autor des Bandes, Stefan Leenen, beschäftigt sich mit 671 Pfeifen, die während der Ausgrabungen zu Tage kamen. Damit entdeckten die Ausgräber einen der größten Pfeifen-Komplexe der Region. Was die verschiedenen Arten und Gattungen der Ton- und Keramikexemplare über ihre Besitzer, die Menge des Tabakkonsums und die Rolle des Pfeiferauchens vom 16. bis 20. Jahrhundert verraten: Auch das sind die Ergebnisse seiner Untersuchungen. Manche noch immer prächtig glänzende Keramikpfeife lässt erahnen, warum sich ein Schädel auf dem Friedhof von Haus Horst fand, der ein deutliches Loch in der Zahnreihe zeigt ¿ für den Pfeifenstiel. In anderen Exemplaren haben die Zähne ihre Spuren in der Pfeife hinterlassen. ¿Rauch einsaugen¿ als gesellschaftliches Vergnügen, das eine Weile sogar mit medizinischem Nutzen bei Schmerzen, Entzündungen, Parasiten oder gegen die Symptome der Syphilis verbunden war: Hier tun sich ganz andere Einblicke in den Tabak-Konsum auf.

Der Band ist im LWL-Museum für Archäologie in Herne und über jede Buchhandlung ab sofort erhältlich.

Informationen über die Publikation:
Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 49.5
Carl Heinrich Lueg und Stefan Leenen
Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen. Rechnungsbücher und Tonpfeifen
Darmstadt 2014
340 Seiten, 130 Abbildungen, 5 Tabellen und 33 Tafeln
37,00 Euro
ISBN 978-3-8053-4812-6



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Katja Burgemeister, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8921.
presse@lwl.org



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