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Mitteilung vom 15.06.12

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"Keine Scheu vorm Outing!"

LWL-Experte zu den neuen Gesundheitsdaten über deutsche Erwachsene

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Münster (lwl). Depressiv unter dreißig, ausgebrannt über fünfzig, zu dick und zusehends diabetesgefährdet ¿ der neue Gesundheitsreport des Berliner Robert-Koch-Instituts zeichnet ein betrübliches Bild aus der Befragung von 7000 Deutschen zwischen 18 und 91 Jahren. Privatdozent Dr. Meinolf Noeker, Psychologe und als Gesundheitsdezernent verantwortlich für mehr als 100 Behandlungseinrichtungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), mit Antworten dazu:

Zehn Prozent der 18-bis 29-Jährigen leiden laut neuester Gesundheitsstudie unter einer Depression. Müssen wir uns Sorgen um unsere Twen-Jahrgänge machen?

Noeker: Ja, müssen wir. Es gibt eine Zunahme psychischer Erkrankungen allgemein und im Speziellen bei Depressionen. Wobei Graubereiche zwischen leichten und schweren Formen und auch zu anderen Erkrankungsbildern wie etwa dem Burnout-Syndrom mit zu sehen sind. Die Zunahme von Depressionen ist über alle Altersstufen zu beobachten.

Was sind die Ursachen dieses Befunds mit Blick auf junge Menschen?

Noeker: Hier vor allem hat die Zunahme ein zugleich psychisches und soziales Ursachenbündel. Junge Leute heute sehen sich neuartigen beruflichen Anforderungen wie zum Beispiel hohe Kommunikationsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Flexibilität und Durchsetzungsvermögen gegenüber, viel weniger den früher dominierenden technisch-handwerklichen Qualifikationen. Sie müssen hohen Mobilitätserfordernissen genügen. Wenn jemand jederzeit quer durch die Republik seinen Lebensmittelpunkt wechseln können muss, destabilisiert das Partnerschaften, Familiengründungen etwa werden erschwert, insgesamt das Aufwachsen klassischer Prägung. Das alles macht junge Menschen auch psychisch leichter verletzbar als früher.

Was ist Betroffenen zu raten? Welche Hilfe gibt es?

Noeker: Ganz wichtig gerade für junge Menschen: Keine Scheu vorm ¿Outen`! Sie sollten sich schon bei ersten Anzeichen, schon im Vorfeld einer ernsten depressiven Erkrankung in Familie und Freundeskreis Unterstützung holen. Wer mit dieser Hilfe zu seiner anhaltend niedergeschlagenen Gefühlswelt steht, kriegt die Kurve zu einer Art Selbst-Enttabuisierung, verkriecht sich nicht in sich selbst. Da fällt dann der Weg zu professionellen Angeboten von Ärzten, Therapeuten Selbsthilfegruppen und vielem mehr ungleich leichter.

Thema Burnout: Besonders häufig leiden besser Situierte zwischen 50 und 59 Jahren darunter, sagt die Studie. Wie können Stressgeplagte vorbeugen?

Noeker: Nicht zuletzt mit wohlverstandener Eigendiagnostik, mit bewussterer Selbstwahrnehmung: Was passiert, wenn berufliche Belastungen heruntergeregelt werden ¿ zum Beispiel im Urlaub? Halten Kraftlosigkeit, Antriebsarmut und Niedergeschlagenheit an, liegt ¿ quasi als Unterströmung - dem Ausgebranntsein vielleicht eine depressive Tendenz zugrunde, die professionelle Hilfe erfordert. Zur Sebstwahrnehmung gehört aber auch die Einsicht, dass bei altersbedingt nachlassender Kraft die Schere zwischen Ansprüchen an sich selbst und beruflichen wie privaten Leistungsanforderungen kontinuierlich weiter aufgeht. Sich dagegen abzugrenzen ist meist leichter gesagt als getan.

Übergewicht, gar Fettsucht greifen um sich, oft verbunden mit Diabetes. Warum ist das bedenklich?

Noeker: Die Gewichtszunahme ist individuell wie in der Gesamtbevölkerung ein zentraler Risikofaktor für das mittlere und höhere Erwachsenenalter. Dabei ist die Gefahr, durch Übergewicht herz-, kreislauf- oder zuckerkrank zu werden, am besten und schon früh beeinflussbar. Das Einüben von richtigem Bewegungs- und Ernährungsverhalten in Familie, Kitas und Schule wirkt sich nachhaltig auf spätere Kosten bei Kranken- und Sozialkassen aus.

(Wie) kann Sport helfen?

Noeker: Sportliche Betätigung nimmt erfreulicherweise allgemein zu, Stichwort ¿Mucki-Buden`. Dennoch gibt es weiter eine Schieflage zum Schreibtischarbeiter mit falschem Ernährungsverhalten. Hier braucht es noch viel Aufklärungsarbeit und Animation.



Pressekontakt:
Karl G. Donath, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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