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Mitteilung vom 16.11.09

Presse-Infos | Psychiatrie

Depressions-Patientin: ¿Mut finden zum Reden über die Erkrankung¿

LWL-Experte: ¿Seelische Verletzungen brodeln innerlich lange weiter¿

Bewertung:

Münster/Lippstadt (lwl). Robert Enke ist begraben und das Thema Depression damit auch wieder erledigt? Marie Ruhose (18), eine ganz ¿normale¿ Depressionskranke, und Dr. Josef Leßmann, Ärztlicher Direktor der Kliniken Lippstadt und Warstein des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), zum Krankheitsbild, seiner Behandlung und zur Gefährdung von Prominenten.

Frau Ruhose, was hat Sie in die Depression getrieben?

Marie Ruhose: Ich habe schlechte Erfahrungen im Bekanntenkreis gemacht, hatte Zukunftsängste und es war zu einem gestörten Umgang mit nahen Bezugspersonen gekommen. Aber auch ein sehr hoher Leistungsdruck hat mich krank gemacht.

Wie äußert sich die Krankheit bei Ihnen?
Marie Ruhose: Durch Schlafstörungen, Angstzustände, Grübeleien, Bedrücktheit, Antriebslosigkeit, erhöhtes Misstrauen, Gefühle von Wertlosigkeit und Lebensüberdruss.

Warum und wo haben Sie Hilfe gesucht? Was hat Ihnen am meisten geholfen?
Marie Ruhose: Ich habe gemerkt, dass es so nicht weiter geht, habe Angst gehabt, meine Ziele nicht verwirklichen zu können. Über meinen Hausarzt bin ich an die Tagesklinik in Lippstadt gekommen, die haben mir wirklich sehr geholfen, dass ich gemerkt habe, nicht allein zu sein. Ich fühle mich hier verstanden und angenommen; die Gruppen und die Gespräche, auch die Tipps helfen mir.

Herr Dr. Leßmann, woran erkennen Laien eine Depression, gar eine Suizidgefahr?
Dr. Leßmann: Die Betroffenen ziehen sich zunehmend zurück, werden stiller, nachdenklicher, reagieren weniger prompt und zielgerichtet auf Ansprache. Aber: Man guckt ihnen nur vor den Kopf; wie¿s innen aussieht und was da abläuft, bleibt meist unkalkulierbar.

Ist die Depression wirklich eine ¿Volkskrankheit¿?
Dr. Leßmann: Es kann prinzipiell jeden treffen; im Laufe des Lebens können rund zehn Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen an einer Depression erkranken. Zunehmend sind depressive Störungen der Grund für vermehrte Krankheitsausfallzeiten am Arbeitsplatz und für vorzeitige Berentungen.

Warum wird sie verdrängt? Was sind Ihre Erfahrungen?
Dr. Leßmann: Vielfach schämen sich die Betroffenen, nicht mehr zu funktionieren, den Lebensanforderungen nicht mehr gerecht werden zu können und wollen nicht als Verlierer abgestempelt werden. Allgemein in der Gesellschaft gelten ja Jugend, fit sein und Leistungsfähigkeit als hohe Ansprüche und Ideale, denen alle gern gerecht werden wollen. Es gibt aber immer mehr Menschen, die dem nicht standhalten, was sie aber sich selbst und ihrer Umgebung nicht gerne eingestehen.

Ist eine Depression ¿angeboren¿ oder ¿erworben¿?
Dr. Leßmann: Es gibt keine klassisch vererbbare Depression; wohl aber kann diese Krankheit in einer Familie vermehrt auftreten; die Mediziner sprechen da von einer familiären Disposition, von einer Veranlagung. In den allermeisten Fällen gibt es aber in der Lebensgeschichte der Betroffenen Ereignisse oder Verletzungen, die nicht gleich von der betroffenen Person verarbeitet werden können, chronisch innerlich weiterbrodeln - so kann es auf diesem Wege zu einer Depression kommen.

Gibt es einen ¿typischen¿ Gefährdeten? Sind ¿Promis¿ besonders anfällig?
Dr. Leßmann: Es gibt Menschen, die haben ¿von Natur aus¿ eine gedrückte oder depressive Persönlichkeitsstruktur, verarbeiten Anforderungen oder Kränkungen nicht so leicht wie viele andere, beziehen viele Dinge negativ auf sich selbst und leiden darunter. Solche Menschen sind natürlich besonders gefährdet, eine Depression von Krankheitswert zu entwickeln.
Prominente stehen häufig im Stress, unter Druck und sind immer der Öffentlichkeit ausgesetzt. Nicht alle von ihnen verkraften dies auf Dauer gut; und je weniger offen sie mit sich, ihren Problemen und Anfeindungen umgehen, desto eher kommt es dazu, dass sie ¿die Probleme in sich hineinfressen¿, damit nicht fertig werden und dieses sie krank macht. Das Erbringen von Leistung und Sport hat aber eigentlich zunächst einmal einen anti-depressiven Charakter. Aber auf Dauer kann das ständige Gefordertsein in der Öffentlichkeit auch zu großen inneren psychischen Problemen führen.

Was muss nach Ihrer Ansicht gegen das Tabuisieren der Depression getan werden?
Marie Ruhose: Die betroffenen Menschen müssen mehr den Mut finden, über ihre Erkrankung zu reden. Das Umfeld muss dem ¿Erkrankten¿ die Sicherheit geben, darüber reden zu können.
Dr. Leßmann: Angehörige, Hausarzt, Psychologen oder auch Nervenärzte sollten Menschen, die zu verstehen geben, dass sie Probleme haben, ganz offen darauf ansprechen, ob sie sich depressiv fühlen oder sogar eventuell Gedanken haben, sich das Leben zu nehmen. Je klarer diese Themen auf den Punkt gebracht werden, desto leichter fällt es den Betroffenen, darüber zu reden. Häufig sind solche Anstöße von außen dann der ¿Dammbruch¿, dass die Patienten eine Erleichterung und Entlastung erfahren können.
Genau vor diesem Hintergrund bieten wir zum Beispiel in unseren Kliniken und Tageskliniken Lippstadt und Warstein auch spezielle regelmäßige Angehörigengruppen von depressiv Erkrankten an. Diese werden auch gerne und gut angenommen.



Pressekontakt:
Karl G. Donath, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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