LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 14.03.08

Presse-Infos | Kultur

Mit Künstlern auf Reisen

Kolloquium ¿Orte der Sehnsucht¿ im LWL-Landesmuseum

Bewertung:

Münster (lwl). Wohin reisten Künstlerinnen und Künstler früher? Und wie haben diese Reisen ihr Werk verändert? Das sind zwei zentrale Fragen, denen die Jubiläumsausstellung ¿Orte der Sehnsucht ¿ Mit Künstlern auf Reisen¿ (28.9.08 ¿ 11.01.09) im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster nachgeht. Ein halbes Jahr vor Eröffnung der Ausstellung haben sich 120 Wissenschaftler bei einem Kolloquium der ¿Orte der Sehnsucht¿ im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) angenommen und übergreifende Fragestellungen zur Künstlerreise untersucht. Dabei wurden die unterschiedlichen Motivationen der Künstler deutlich: von der religiösen Pilgerfahrt über die klassische Bildungsreise bis hin zum Reisen im Zeitalter der Globalisierung.

¿Das Thema der Ausstellung ¿ die Künstlerreise ¿ beschäftigt sich mit Neuerung und Wandel: Die Reise in ferne Welten ist oft verbunden mit der Suche nach dem Unbekannten, nie zuvor Gesehenen, und mit dem Streben nach neuer Erkenntnis¿, so die LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale am Freitag (14.03.). ¿Die Reiseerlebnisse werden immer wieder als Auslöser für Wendepunkte in den Werken einzelner Künstler angesehen. Viele berühmte Maler brachen auf, um Neues zu entdecken: Albrecht Dürer war in Venedig, Peter Paul Rubens in Rom, August Macke und Paul Klee reisten in den Orient und Paul Gauguin trieb es in die weite Ferne der Südsee, nach Tahiti.¿

¿In der kunsthistorischen Forschung sind Künstlerreisen seit langem Gegenstand großen Interesses: dient die Reise den Künstlerinnen und Künstlern doch als wesentlicher Antrieb zur Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Schaffens¿, erklärte Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold. Erstmals werde dieses Thema in der großen Ausstellung ¿Orte der Sehnsucht¿ mit mehr als 250 internationalen Leihgaben dargestellt.

Acht Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befassten sich in ihren Vorträgen mit Einzelaspekten der Künstlerreise, zum Beispiel den über Jahrhunderte beliebten Italienreisen, der europäischen Aneignung des Orients und den Künstlerfernreisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Einen Höhepunkt des Kolloquiums bildet der Abendvortrag von Prof. Dr. Andreas Beyer vom Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel. Beyer betrachtet die Reisen von Dürer, Holbein bis LeCorbusier und Fischli/Weiss und stellt die Bedeutung von Goethes Reiseerfahrungen heraus.

Kolloquium ¿Orte der Sehnsucht ¿ Mit Künstlern auf Reisen¿
14.3.2008
Inhalte der Vorträge:

¿Sehnsucht ¿ Zur Archäologie eines Reisemotivs¿
Prof. Dr. Michael Maurer
Institut für Volkskunde/Kulturgeschichte, Friedrich-Schiller-Universität, Jena


Anhand der Vorstellung historischer Reiseberichte, wie z.B. von Goethe (Italienische Reise), thematisiert der einführende Vortrag die Motive, denen Menschen im allgemeinen und Künstler im besonderen folgten, wenn sie Reisen unternahmen. Abgrenzend vom Topos der Berufsreisen steht dabei das Motiv der Sehnsucht im Mittelpunkt. Weitere Anlässe für Reisetätigkeit wie Pilgerschaft, Flucht vor Armut und anderes werden ebenfalls behandelt.

¿Orte der Sehnsucht ¿ Zum Thema der Künstlerreise und seiner Umsetzung in der Ausstellung¿
Dr. Gudula Mayr
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster


Ausgehend von allgemeinen Überlegungen zur Künstlerreise wird die Ausstellung mit ihren Sektionen vorgestellt. Der Vortrag wird der Frage nach den besonderen Merkmalen der Künstlerreise, nach den Reisegründen sowie nach dem künstlerischen Ertrag der Reisen nachgehen. Dabei wird das Spannungsfeld zwischen künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen thematisiert werden. Auch der Auswahl der dargestellten Motive und der Herausbildung von Stereotypen wird nachgegangen.

¿Von der Pilgerfahrt zur Reise ins Licht ¿ Künstlerreisen nach Italien¿
Prof. Dr. Volker Plagemann
Senatsdirektor a.D., Bremen


Der Vortrag untersucht anhand des Sehnsuchtsortes Italien, welche Motive und Beweggründe Künstler für ihre Reisen hatten. Thematisiert werden unter anderem die religiöse Sehnsucht der Pilgerfahrt nach Rom und ins Heilige Land (über Venedig!) und die Künstlerreise als Weg der künstlerischen Ausbildung. Daneben spielten auch die Kavaliersreise, das Bildungserlebnis der Grand Tour und im 19. Jahrhundert die Verklärung des italienischen Volkslebens und der italienischen Landschaft eine Rolle.

¿Über die europäische Aneignung des Orients¿
Prof. Dr. Birgit Haehnel
Institut für Textiles Gestalten, Universität Osnabrück


Die exotistischen Phantasiebilder der europäischen Orientmaler zeigen den Orient als Projektion für eine europäische Identitätsbildung. Der Vortrag thematisiert die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Entwicklungen hinsichtlich wahrnehmungsästhetischer und weltanschaulicher Einstellungen gegenüber dem sogenannten ¿Orient¿. Es wird aufgezeigt, welches Orientbild die reisenden Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Vergleich mit Orientmalern des 19. Jahrhunderts entwerfen.

¿Der kolonisierende männliche Blick ¿ Selbstreflexion zwischen Kunst und Wissenschaft in Vivant Denons Vayage d¿Égypte (1802)¿
Prof. Dr. Viktoria Schmidt-Linsenhoff
Fachbereich Kunstgeschichte, Universität Trier


Ausgangspunkt des Vortrags sind die Zeichnungen Vivant Denons, der in die Kunstkommission von Napoleons Ägyptenfeldzug (1799) eingebunden war. Anhand seiner Bildtafeln von Ägypten wird das allgemeine Problem der vermeintlichen Objektivität von dokumentarischen Reisebildern diskutiert. In den Blickpunkt gerät dabei die geschlechtsspezifische und nationale Perspektive des Zeichners.

¿Konjunkturen des Exotismus ¿ Zur Rezeption der Künstlerfernreisen vom Anfang des 20. Jahrhunderts¿
Dr. Christoph Otterbeck
Universitätsmuseum Marburg


Wie unterschiedlich sind Künstlerreisen aus Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts aufgenommen und beurteilt worden? Die erste Phase der Rezeption fand noch im Kaiserreich statt, das wegen der vorherrschenden kolonialen Ideologie sowohl die Avantgarde-Künstler wie z.B. Max Pechstein und Emil Nolde als auch deren exotische Reiseziele herabwürdigte. Diese negative Einstellung wandelte sich zu einer regelrechten Hochkonjunktur des Exotismus in den 20er Jahren, der später unter den Repressionen der Nationalsozialisten wiederum der Begründung angeblicher Fehlorientierung der modernen Künstler diente. In der Nachkriegszeit kam es zu einer radikalen Änderung dieser Einschätzung, wo es um eine bevorzugte Präsentation der im Dritten Reich verfemten Kunst ging.

¿Global ¿ Künstlerreisen im Zeitalter hybrider Identitäten¿
Prof. Dr. Peter J. Schneemann
Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern


Der Vortrag geht der Frage nach, ob das Thema der Künstlerreise auch für eine Kunstgeschichte der Gegenwart fruchtbar aktuell sein kann. Welche Kontinuitäten sind zu beobachten und welche neuen Paradigmen ergeben sich durch das Motiv des Reisens als Demonstration einer globalen Gleichzeitigkeit? Inwieweit vermögen die künstlerischen Strategien seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Identität des Reisenden ebenso zu problematisieren wie den Ort der Sehnsucht als Konstruktion offen zu legen?
Anhand von exemplarischen Positionen werden Paradigmenwechsel im Selbstverständnis des reisenden Künstlers der Gegenwart verdeutlicht. Der Ort als Referenzsystem beginnt sich aufzulösen, taucht aber in der Form der Anekdote immer wieder als Fragment einer Vorstellung vom authentischen Anderen auf.

Abendvortrag
¿Das Reisen als schöne Kunst betrachtet ¿ Künstlerreisen und Kunstgeschichte¿
Prof. Dr. Andreas Beyer
Kunsthistorisches Seminar, Universität Basel


Der Vortrag betrachtet die Reisetätigkeit von Künstlern als wesentlichen Teil ihrer künstlerischen Bildung und Aktivität, mithin als Teil der ¿schönen Kunst¿. Er beleuchtet zudem die Tradition der Kunstgeschichtsschreibung, die Reisen von Künstlern als Deutungsmuster für deren Werke heranzuziehen. Hier wird die Reiseerfahrung Goethes eine Rolle spielen, die zum klassischen Vorbild der künstlerischen Verwandlung auf Reisen geworden ist. Berücksichtigt werden Künstler wie Albrecht Dürer und Hans Holbein d.J. bis hin zu Le Corbusier und Fischli & Weiss.



Pressekontakt:
Claudia Miklis, Telefon 0251 5907-168, claudia.miklis@lwl.org und Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
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