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Mitteilung vom 27.12.07

Presse-Infos | Psychiatrie

Glückspiel: nach dem BGH-Urteil und vor dem neuem Staatsvertrag

LWL-Spielsuchtexperte fordert mehr Kontrollen in Daddelhallen

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Münster/Gütersloh (lwl). Die Sucht nach dem Glücksspiel: Mit Jahresbeginn 2008 soll der neue Glücksspiel-Staatsvertrag ihrer Bekämpfung ¿höchste Priorität¿ geben. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) will Spielsüchtigen den Zugang zu Daddelautomaten erschweren. Sein jüngstes Urteil verpflichtet Spielbanken zu kontrollieren, ob in ihrem Automatenbereich krankhafte Zocker spielen, die für das ¿Große Spiel¿, also Roulette- oder Black-Jack-Tische, gesperrt sind. Hintergrund: Ein Bielefelder Spielsüchtiger hatte mit einer Schadenersatzforderung bis in die letzte Instanz beklagt, dass ihn ein Casino nicht vor sich selbst schützte, als er trotz Spielsperre an die Geldspielgeräte (¿Kleines Spiel¿) auswich und dort mehr als 60.000 Euro verzockte. Dr. Meinolf Bachmann, Spielsuchtexperte in der Gütersloher Suchtfachklinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), beantwortet Fragen zu den Neuregelungen:

?: Spielsperre zum Schutz ¿ wie funktioniert das und wer verhängt sie?

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In erster Linie muss eine Sperre vom Spieler selbst beantragt werden. Der Verband Glücksspielsucht e.V. hat dazu im Internet ein Formular bereitgestellt. Dabei kann sich die Sperre auf einzelne oder alle deutschen und sogar europäischen Casinos beziehen. Es ist zu beachten, dass die Sperre in der Regel nach sieben Jahren von den Casinos gelöscht wird, also dann eine Verlängerung stattfinden müsste. Eine Sperre kann allerdings auch vom Casino ausgesprochen werden, indem vom Hausrecht Gebrauch gemacht wird, wenn ¿auffälliges¿ Verhalten auftritt. Letztere Möglichkeit wird in den europäischen Ländern ganz unterschiedlich genutzt.

?: Wie viele einschlägig Spielsüchtige haben bei Ihnen in Gütersloh Hilfe gefunden?

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In der LWL-Klinik Gütersloh wurden seit 1985 ca. 1300 pathologische Glücksspieler behandelt. Davon sind fünf bis zehn Prozent Casinobesucher, die dort auch den Automatensaal frequentieren. Der allergrößte Teil - beinahe 90 Prozent - sind allerdings Automatenspieler am so genannten ¿Kleinen Spiel¿ in den überall verfügbaren Spielhallen, wo die Einsatz- und Gewinnmöglichkeiten beträchtlich geringer sind.

?: Ist eine Spielsperre Teil der Abstinenztherapie?

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Casino-Glücksspieler sollten zur Unterstützung der Therapie und in jedem Falle eine Selbstsperre beantragen, unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär behandelt werden. Die Patienten können oft sehr genau und ¿spontan¿ sagen, wo sich das zu Gütersloh am nächsten liegende Casino befindet. Die genauen Kenntnisse über die örtliche Verteilung der Spielstätten ist oft sehr erstaunlich, und bei einem ohnehin schwierig ablaufendem Entwöhnungsprozess in der Klinik ist die ¿Verführbarkeit¿ durchaus groß.

?: Was bedeutet das BGH-Urteil aus Ihrer Sicht?

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Für den Spieler bedeutet dies einen höheren Schutz. Bei ¿schrumpfenden¿ finanziellen Mitteln neigen Betroffene dazu, Spielmöglichkeiten zu suchen, die einen geringeren Einsatz und dennoch eine hohe Spielzeit gewährleisten. Sind beim Roulette die finanziellen Möglichkeiten des Spielers ausgereizt, geht man eine ¿Stufe¿ tiefer, besucht den Automatensaal oder bei noch geringeren finanziellen Mitteln die Spielothek an der Ecke. Eine Sperre ist bei einem pathologischen Glücksspieler aber nicht die Lösung, sondern stellt einen zusätzlichen Schutz dar, der den Abstinenzwunsch in einer Behandlung unterstützt.

?: Ist der Urteilstenor auch auf andere Arten von Glückspiel ¿ etwa via Internet ¿ übertragbar?

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Es ist zu wünschen, dass Kontrollmöglichkeiten und Sperren ebenfalls auf die Spielhallen ausgeweitet würden. Wie gesagt, bringen diese den größten Teil unserer Erkrankten-Klientel hervor. Der Zugang zu den Internetcasinos ist ein zusätzliches Problem, da hier staatliche Grenzen überschritten werden und national oder europäisch bisher Gesamtlösungen fehlen. Eine immer größere Zahl unserer Spieler ist bereits davon betroffen.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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