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Mitteilung vom 13.10.06

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Von wegen ¿Rabenmütter¿ ¿ Seelisch kranke Frauen brauchen Behandlung

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Münster (lwl). Geburt gelungen. Kind wohlauf. Aber Mutter krank. Psychisch krank. Zutiefst depressiv. Unfähig, sich über das Neugeborene zu freuen. Schwermütig, antriebsschwach, von Scham und Versagensangst erfüllt, nicht selten mit Suizidgedanken. ¿In Deutschland erleiden jedes Jahr 80.000 bis 120.000 Mütter dieses buchstäblich unerwartete Erkrankungsschicksal¿, sagt Dr. Luc Turmes, Ärztlicher Direktor im Hertener Zentrum für Psychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und Experte für so genannte postpartale (nachgeburtliche) psychische Störungen.

Doch nicht nur, dass sich bei derart vielen Frauen der ¿Baby-Blues¿, die berüchtigten Wochenbett-¿Heultage¿, an denen laut dem Mannheimer Gesundheitsforscher Prof. Martin H. Schmidt immerhin die Hälfte aller Wöchnerinnen leidet, zu schwerwiegenden psychischen Störungen auswachsen: ¿Es gibt noch viel zu wenig Behandlungsmöglichkeiten für die ernstlich Betroffenen. Und: Die Erkrankung wird tabuisiert, wird stigmatisiert. Den Begriff ¿Rabenmutter¿ etwa kennt nur die deutsche Sprache¿, so Experte Turmes zum Auftakt einer Fachtagung am Freitag (13.10.06) in Münster. Dabei beschäftigten sich 170 in- und ausländische Fachleute zwei Tage lang mit der Vorbeugung und Therapie von psychischen Störungen im Zusammenhang mit einer Geburt.

Die Behandlung einer seelisch schwer angeschlagenen Mutter müsse sinnvollerweise immer zusammen mit ihrem Säugling erfolgen, forderte die stellvertretende LWL-Gesundheitsdezernentin Ulrike Lubek. Das verkürze Klinik-Aufenthalte, verhindere Behandlungsabbrüche und beuge Folgerisiken bis hin zur späteren psychischen Erkrankung des Kindes nachweislich vor, so Lubek. Wenn zusätzlich, wie etwa auf der Spezialstation im Hertener LWL-Zentrum, der Vater einbezogen werde, bauten betroffene Frauen nach mehrwöchigem Klinik-Aufenthalt eine tragfähige Beziehung zum Kind auf.

Klinikchef Turmes kritisierte, dass die Kostenträger beim ¿Rooming-in¿ lediglich den Mutter-Aufenthalt, nicht aber die Kind-Unterbringung bezahlen. Darum seien Häuser wie das in Herten auf Spenden angewiesen, wie sie zum Beispiel der Dortmunder Verein ¿Bei aller Liebe e.V.¿ einwerbe. ¿Wir brauchen mehr Mutter-Kind-Stationen. Der bestehende Bedarf ist erst zu 21 Prozent gedeckt¿, forderte Turmes.

Das Risiko, auch noch Wochen später an der schweren nachgeburtlichen Störung zu erkranken, könne um bis zu 40 Prozent verringert werden, wenn die Mütter im ersten halben Jahr nach der Geburt regelmäßig durch Krankenschwestern oder Hebammen zu Hause besucht würden. Das haben laut Prof. Dr. Anton Bergant von der Universitätsfrauenklinik Innsbruck Studien ergeben. Die Ursachen für postpartale Depressionen wie Partner-Konflikte, übersteigerte Erwartungen oder fehlende soziale Unterstützung lägen vor allem im psychosozialen Bereich und könnten deshalb am besten durch psychosoziale Betreuung behandelt werden. Medikamentöse Begleit-Behandlungen setzten in jedem Fall ein gutes Arzt-Patientin-Verhältnis voraus.

¿Hingehen, nicht kommen lassen; öfters, nicht nur einmal¿ ¿ auch Prof. Dr. Martin H. Schmidt forderte mehr ¿aufsuchende¿ psychosoziale Betreuung zur Prävention psychischer Erkrankungen von Müttern. Der Schlüssel zur depressiven Veranlagung liegt nach seiner Ansicht bereits im Kindesalter. Denn Kinder aus schwierigen Verhältnissen, umso mehr, wenn sie misshandelt oder vernachlässigt worden sind, neigten zu risikohafterem Verhalten in der Jugend; sie seien ¿leichter irritierbar, abweisender, weniger kontaktfreudig.¿ Und, ein Teufelskreis: ¿Mädchen aus dieser Gruppe werden früher schwanger, sind damit überfordert ¿ und erleiden dann möglicherweise ihrerseits nachgeburtliche Depressionen so wie früher vielleicht die eigene Mutter¿. Kinder seelisch kranker Mütter zeigten zwei bis drei Mal häufiger Verhaltensauffälligkeiten, Depressionen und Ängste als Sprösslinge gesunder Eltern, hieß es bei der Tagung weiter.



Pressekontakt:
Karl G. Donath, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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