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Mitteilung vom 10.02.06

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So lebte es sich vor über 100 Jahren im Ruhrtal: Industriemuseum veröffentlicht Erinnerungen von Karl Krampe

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Witten (lwl). ¿Ob die Menschenmasse, die heute im Ruhrland wohnt, zufriedener ist wie die Menschen, die vor 60, 70 Jahren an der Ruhr wohnten?¿ Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Erinnerungen und Erzählungen, die Karl Krampe in den 1920er Jahren niedergeschrieben hat. Dr. Olaf Schmidt-Rutsch vom Westfälischen Industriemuseum hat die umfangreiche Manuskript-Sammlung des Bergmanns bearbeitet. Das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und der Klartext Verlag Essen haben sie jetzt in Buchform gebracht. ¿Krampes Geschichten vermitteln ein lebendiges Bild von Arbeit und Alltag im Ruhrtal vor über 100 Jahren¿, so der Wissenschaftler heute (10.2.) bei der Vorstellung des Buches im Westfälischen Industriemuseum Zeche Nachtigall in Witten.
In zumeist kurzen, in sich abgeschlossenen Geschichten schildert er das Leben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, berichtet anschaulich und bildreich von der Arbeit auf einem Bauernhof und vom einfachen Leben der Kötter sowie von der Arbeit unter Tage und auf der Ruhr. Immer stehen Menschen im Mittelpunkt, deren Schicksale auch heute noch haften bleiben: Der letzte Ruhrschiffer, der mit einer Ladung Eisenbahnschienen an der Hattinger Brücke untergeht, Peter Buschmann, der die Anfänge des Kohlenbergbaus miterlebt, der ¿witte Dierk¿ oder Matthis als Originale einer lange vergangenen Zeit.

Sie alle erleben die Umbrüche der Zeit, das Verschwinden der bäuerlichen Alltagskultur, das Entstehen und Vergehen der Ruhrtal-Zechen, den Bau der Eisenbahn, den Niedergang der Ruhrschifffahrt, die Veränderung ihrer Lebenswelt.

Krampe wurde 1858 in Dahlhausen, heute ein Stadtteil Bochums, geboren und wuchs in einem bäuerlich geprägten Umfeld auf. Er selbst wurde zunächst Pferdetreiber auf einer der zahlreichen frühen Eisenbahnen, die die Zechen mit der Ruhr verbanden. Später arbeitete er als Hauer auf der Dahlhauser Zeche Hasenwinkel. Hier kam er aktiv mit der im Entstehen begriffenen Bergarbeiterbewegung in Berührung. Schmidt-Rutsch: ¿Seine Erinnerungen an den großen Streik von 1889 und die ersten Gehversuche der Bergarbeiterbewegung im Ruhrtal vermitteln auch heute noch ein anschauliches Bild von den Verhältnissen, die da-mals auf den Zechen des Ruhrtals herrschten.¿

Die zumeist handschriftlichen Texte stammen aus den 1920er und 1930er Jahren. Wahrscheinlich war es der Lehrer Karl Vaupel, der seinen Onkel anregte, die Geschichten aufzuschreiben. Da Vaupel nach 1945 für die Herausgabe der Lesebücher für die Volksschule verantwortlich war, verwundert es nicht, das manche der Geschichten dort auftauchten. Karl Krampe erlebte diese Veröffentlichung nicht mehr, er starb bereits 1934. Die Familie bewahrte die Manuskripte auf und stellte sie nun dem Westfälischen Industriemuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung: 456 Blätter, die zunächst einmal abgeschrieben werden mussten, darunter auch einige plattdeutsche Texte, die für das Buch übersetzt wurden. Übersetzung und Original stehen sich hier gegenüber und ermöglichen so den direkten Vergleich.
Und immer wieder steht im Hintergrund Krampes Feststellung: ¿Ja, das Leben war in der Zeit ein einfaches! Man lebte bescheiden. Vieles, was wir heute für unentbehrlich halten, kannten unsere Vorfahren nicht. Ob wir zufriedener sind, ist eine große Frage.¿

Olaf Schmidt-Rutsch (Hg.): Karl Krampe - Geschichten aus dem Ruhrtal.
(Westfälisches Industriemuseum: Quellen und Studien; Bd. 12).
Essen: Klartext-Verlag 2006; ISBN 3-89861-554-5; ¿ 14,90; 248 S.



Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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