LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 01.02.06

Presse-Infos | Der LWL

Teil 2: Gewichtige Gründe gegen mageres Model-Format
LWL-Expertin bekräftigen Warnungen vor schädlichem Schlankheitswahn

Bewertung:

Münster (lwl). ¿Germany¿s Next Topmodel¿ ¿ ein mageres Mädchen nach dem anderen lässt die Heidi-Klum-Jury beim neuen Pro7-Show-Format im knappen Bikini vortänzeln. Alt-Model Klum lächelt dazu, Kritik wiegeln die Programmmacher ab. Unterdessen schreibt vor allem Deutschlands größte Kaufzeitung mit den vier Buchstaben gegen den Klumschen ¿Schlank-Wahn¿ an. Psychiater und Psychosomatik-Experten warnen vor den schlimmen Folgen exzessiven Hungerns vor allem für den jungen Organismus.

Dazu Wiebke Kleebach (31), Essstörungsexpertin und Diplom-Psychologin in der Hemeraner Hans-Prinzhorn-Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL):

? Warum sind das berechtigte Warnungen, Frau Kleebach?

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Das Schönheits- und Schlankheitsideal unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Das propagierte ¿ideale¿ Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße sinkt ständig und steht damit in immer stärkeren Widerspruch zu einem medizinisch als gesund anzusehenden und auch für eine Frau mit durchschnittlichem Körperbau erreichbaren Kilomaß.
Gibt es für jeden Menschen ein gesundes ¿Idealgewicht¿, so ist eine an den heutigen Schlankheitsidealen orientierte Person permanent gezwungen, dies zu unterschreiten, sie ¿zwingt¿ ihren Körper in die erwünschte Magerkeit ¿ oft mit schlimmen Folgen.

Bei länger andauernden exzessiven Hungerkuren besteht die Gefahr des Abrutschens in eine Essstörung, entweder in die Anorexie, die klassische Magersucht, oder aber in die Bulimie, bei der Essanfälle und selbst herbeigeführtes Erbrechen einander abwechseln. Beides sind ausgesprochen ernstzunehmende Erkrankungen, die Auswirkungen auf alle wichtigen Lebensbereiche haben. Die Beziehungen zu anderen Menschen, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und die Lebenszufriedenheit der betroffenen Patienten werden nachhaltig beeinträchtigt. Hunger- und Durstgefühl verschwinden, Körperschemastörungen entwickeln sich: Obwohl die Betroffenen immer magerer werden, nehmen sie sich konstant als zu dick war. Die häufig verzweifelt ersehnte Steigerung des Selbstwertgefühl durch eine schlankere Figur stellt also nur kurzfristig ein; langfristig sind die Betroffenen gefangenen in einem Teufelskreis der Sucht nach immer weniger Gewicht. Unbehandelt können Essstörungen tödlich verlaufen.

? Welche Schädigungen riskieren vor allem junge Menschen bei Abmagerungs-Exzessen ?

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Unausgewogene Diäten, Fasten, Erbrechen und der Gebrauch von Abführmitteln können zu erheblichen Gesundheitsschäden führen. Mangel an lebensnotwendigen Salzen beispielsweise hat Nierenschäden, Ödeme und Herzrhythmusstörungen zur Folge; die Muskeln ermüden und verkrampfen schneller. Körpereigene Gegenregulation bei Diäten führt zu Schwindel, Kreislauf- und Durchblutungsstörungen bis hin zu Erfrierungen. Die Menstruation kann völlig ausbleiben.
Häufiges Erbrechen bei Bulimie bedingt Entzündungen der Speiseröhre; Magengeschwüre mit lebensbedrohlichen Komplikationen z. B. bei Durchbruch sind ebenfalls keine seltene Begleiterscheinung von Essstörungen.
Langfristige Folgen des gestörten Essverhaltens sind vielfältig Mangelerscheinungen, krankhafte Blutbildveränderungen und Nervenschädigungen. Es kommt zu Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und zu Erschöpfungszuständen. Die Haut wird trocken, die Haare fallen aus, die Fingernägel werden brüchig, Knochen brechen ohne erkennbaren Grund. Osteoporose bereits in jungen Jah-ren ist bei essgestörten Patienten keine Seltenheit.

Die Gewichtsabnahme hat zudem tiefgreifende psychische Folgen. Veränderungen des Eiweißstoffwechsels können zu Serotonin-Mangel und damit zu Depressionen führen.
Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie Interesse und Freunde an der Umwelt nehmen hierdurch weiter ab.

Todesfälle als folge exzessiven Hungerns sind aufgrund all der oben aufgeführten Folgerscheinungen in extremen fällen die Endstation einer unbehandelten Essstörung.

? Wie behandeln Sie in ihrer Klinik Essgestörte ?

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Die Behandlung der Anorexie und Bulimie erfolgt auf der Psychotherapiestation unseres Hauses in einer speziellen verhaltenstherapeutischen Essstörungsgruppe. Hauptziele der Therapie sind Stabilisierungen des Gewichtes und Normalisierung des Essverhaltens, Bearbeitung zugrundeliegender Konflikte und Verbesserung der Körperwahrnehmung und Akzeptanz. Bestandteile des Behandlungsprogramms sind sowohl die Vermittlung von störungsbezogenem Wissens zum besseren Verständnis der eigenen Erkrankung als auch konkrete Übungen zu den oben genannten Problembereichen, welche zunächst therapeutisch begleite, später allein durchgeführt werden.
Die Arbeit in der Gruppe erweist sich dabei als sehr hilfreich, da die betroffenen Menschen sich und ihre Probleme bei anderen Gruppenmitgliedern gespiegelt sehen und sich bei Schwierigkeiten gegenseitig hilfreich unterstützen können.

? Was können Eltern, Schule, Arbeitskollegen/-innen tun ?

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Wenn Sie sich Sorgen um eine Freundin, Kollegin, Schülerin oder Familienangehörige machen und bei dieser Person eine Essstörung vermuten, so ist es zunächst wichtig, das Gespräch mit der Betroffenen zu suchen. Äußern Sie Ihre Befürchtungen und versuchen Sie, Verständnis für die Situation der Patientin aufzubringen. Machen Sie sich klar, dass Essstörungen nicht aus dem Nichts entstehen und dass hinter dem scheinbar ¿seltsamen¿ Verhalten in den allermeisten Fällen erhebliches Leid steht. Berücksichtigen Sie auch, dass Sie die Patientin nicht zum Essen zwingen können. Sprechen ruhig mit der Betroffenen über die gesundheitsschädigenden Folgen ihres Essverhaltens und raten Sie ihr, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Entsprechende Anlaufstellen sind Ärzte, Therapeuten oder Beratungsstellen, so z. B. die Institutsambulanz der Hans-Prinzhorn-Klinik in Iserlohn oder die auf Essstörungen spezialisierte Psychotherapiestation unseres Hauses oder anderer Kliniken. Selbstverständlich können Sie sich auch selbst mit Ihren Sorgen um eine nahestehende Person an die genannten Stellen wenden.



Pressekontakt:
Karl G. Donath, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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