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Mitteilung vom 25.08.05

Presse-Infos | Der LWL

Diagnose Demenz: Erkrankung wird oft fehlgedeutet
LWL-Experte Dr. Moritz Heepe über Anzeichen und ¿Gedächtnisambulanzen¿

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Warstein (lwl). Das Laienurteil hält sich hartnäckig: Vergesslichkeit und Verwirrtheit sind demnach nun mal Begleiterscheinungen im Alter. Dr. Moritz Heepe widerspricht vehement: ¿Typische Alterserscheinungen sind das eben nicht, sondern allzuoft Anzeichen von Demenz, Folgen einer Erkrankung des Gehirns.¿ Die Fehleinschätzung hat mitunter fatale Folgen, warnt der 39-jährige Chefarzt der Gerontopsychiatrie an der Westfälischen Klinik Warstein des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL): Betroffene kommen nicht rechtzeitig zum Facharzt, Behandlungen erfolgen zu spät. Dabei wissen Medizin und Wissenschaft inzwischen weit mehr über die zahlreichen Ausprägungen von Demenz und über Möglichkeiten zum Gegensteuern als noch vor wenigen Jahren, sagt der LWL-Fachmann im Interview.

?: Herr Dr. Heepe, Welche Demenz-Erkrankungen neben Alzheimer kennt man heute?

Heepe:
Bekannt ist eine größere Anzahl von Erkrankungen, die mit einer Demenz einhergehen. Vier davon sind von herausragender Bedeutung: Am weitesten verbreitet ist die Alzheimer-Krankheit, von der etwa 60 bis 70 Prozent der Demenzpatienten betroffen sind. Bei ihnen vollzieht sich infolge der Ablagerung bestimmter Stoffe in und zwischen den Nervenzellen ein Verlust von Nervenzellen im Gehirn. Daneben gibt es die so genannte vaskuläre Demenz, also eine infolge von Störungen der Hirndurchblutung auftretende Demenz, sowie die Lewy-Körperchen-Demenz, die durch bestimmte Einschlusskörperchen in den Nervenzellen des Gehirns, insbesondere der Hirnrinde, verursacht wird. Etwa je zehn Prozent der Patienten leiden an diesen beiden Demenzformen. Weitere rund fünf Prozent entfallen auf die so genannte Frontotemporale Demenz, bei der sich der Stirn- und/oder der Schläfenlappen des Gehirns zurückbildet.

?: Woran erkennt man, dass ein Mensch unter Demenz leidet, wenn doch manche äußere Anzeichen auf den normalen Alterungsprozess des Gehirns zurückzuführen sind?

Heepe:
Natürlich altert auch das Gehirn. Das kann etwa zu einer leicht eingeschränkten Gedächtnisleistung oder zur Abnahme des Denktempos führen. Die Abgrenzung normalen Alterns von einer Demenz kann darum im Einzelfall schwierig sein und setzt eingehende Untersuchungen voraus. Die Diagnose Demenz beinhaltet, dass neben Gedächtnisstörungen mindestens eine weitere kognitive Fähigkeit gestört ist. Diese weitere kognitive Fähigkeit kann beispielsweise die örtliche Orientierung, die Konzentrationsfähigkeit oder das räumliche Vorstellungsvermögen sein.

?: Welche Anzeichen kann es sonst noch geben?

Heepe:
Demenzerkrankungen gehen zudem mit Änderungen im Gefühlsleben und im Sozialverhalten einher. Bei manchen Formen der Demenz stehen diese Symptome am Anfang sogar im Vordergrund.

?: ...was ist mit Gedächtnisstörungen als dem auffälligsten Merkmal...?

Heepe:
Bei der Alzheimerdemenz leidet vor allem das Neugedächtnis, also die Fähigkeit, neu Erlerntes über einen gewissen Zeitraum zu behalten. Dieses ¿Kurzzeitgedächtnis¿ ist zunächst betroffen, das Langzeitgedächtnis erst später. Meist werden somit dann weiter zurückliegende Sachverhalte besser erinnert als kürzer zurückliegende. Das Gedächnis des Patienten zerfällt, bildlich gesprochen, von vorne nach hinten.

?: Wie häufig tritt eine Demenzerkrankung auf?

Heepe:
Derzeit gibt es in Deutschland ca. 1 Million Demenzerkrankte. Von diesen sind wenige unter 64; über die Hälfte ist zwischen 80 und 89 Jahren alt. Das Risiko für das Auftreten einer Demenzerkrankung steigt deutlich mit jeder Dekade bei den über Sechzigjährigen. Von den Betroffenen sind mehr als zwei Drittel Frauen.

?: Ist eine Demenzerkrankung heilbar ?

Heepe:
Heilbar sind die wenigsten Demenzerkrankungen, insbesondere auch nicht die Alzheimerdemenz. Aber man kann sie im Verlauf bremsen und ihre Symptome lindern - auch durch Medikamente. Dazu sollte schon beim Auftreten erster Anzeichen unbedingt ein Facharzt aufgesucht werden. Je früher eine Demenz erkannt wird, umso besser.

?: Und wie lässt sich eine Demenz frühzeitig erkennen?

Heepe:
Dafür stehen inzwischen zahlreiche Diagnosemöglichkeiten auf hohem Niveau zur Verfügung, etwa in der ¿Gedächtnisambulanz¿ hier an den LWL-Kliniken Warstein und Lippstadt wie auch andernorts. Zur Diagnose erfolgt eine gründliche neuropsychiatrische und neuropsychologische Untersuchung. Die Eindrücke der Bezugspersonen, also von Angehörigen und Pflegenden, werden erfragt. Weiter gibt es Blutuntersuchungen sowie eine Computertomographie. In Einzelfällen werden weitere Untersuchungen ¿ etwa eine Elektroenzephalographie, also Gehirnstrommessung, eine Liquoruntersuchung oder besondere Methoden der Bildgebung ¿ eingesetzt. Falls sich eine Demenzerkrankung bestätigt, kann eine medikamentöse und psychologische Therapie eingeleitet sowie eine ausführliche soziale Beratung vorgenommen werden.

?: Ausführliche Untersuchungen, eine breit angelegte Therapie und Beratung - das wird der Patient allerdings alleine kaum bewältigen können...?!

Heepe:
Es ist unverzichtbar, dass die Angehörigen von Beginn an stets dabei sind und eng in die Behandlung eingebunden werden.

?: Wie werden die Angebote dieser ¿Gedächtnisambulanzen¿ denn angenommen?

Heepe:
Hier zeigt sich nach meinem Eindruck ein Stadt-Land-Gefälle. Während in Städten im Durchschnitt mehrere Fälle pro Woche zur Vorstellung in die Ambulanz kommen, sind es in ländlichen Regionen lediglich zwei bis drei pro Monat. Auch dies ist ein Hinweis, dass Demenz immer noch ein von Schamgefühlen begleitetes Tabuthema ist.



Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
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