LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 21.04.05

Presse-Infos | Der LWL

Erste Ausstellung über die letzten Stunden von Herculaneum
Neue Erkenntnisse:
Tödliche Vulkanwolke löste Katastrophe vor 2.000 Jahren aus

Bewertung:

Haltern (lwl). Die ersten Exponate sind gleichzeitig die schwersten: Am Donnerstag (21.4.) sind rund zehn Tonnen kleiner Vulkansteinchen (¿Lapilli¿) aus Herculaneum in Haltern am See auf Lastwagen eingetroffen. Die fast 2.000 Jahre alten Steinchen bilden ein Element der neuen Ausstellung ¿Die letzten Stunden von Herculaneum¿, die erste, die ausschließlich der Nachbarstadt von Pompeji gewidmet ist. Ab dem 21. Mai (bis 14.8.) präsentiert die Schau im Westfälischen Römermuseum Haltern (Kreis Recklinghausen) neue Ausgrabungsfunde aus dem römischen Ort, der 79 nach Christus komplett vom Vesuv verschüttet wurde. ¿Ungefähr 5000 Einwohner zählte die kleine Küstenstadt am Golf von Neapel. Vor allem begüterte Römer und ihre Sklaven lebten dort, aber auch Handwerker und Ladenbesitzer, die die Reichen mit Waren versorgen¿, so Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp.

Die Ausstellung im Westfälischen Römermuseum Haltern ist eine Kooperation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), des Pergamonmuseums, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin, und des Focke-Museums, Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, wo die Schau ab September bis Dezember (Berlin) und von Januar 2006 bis April 2006 (Bremen) zu sehen sein wird.

Den 16 Containern mit den grauen Steinchen folgen in den kommenden vier Wochen rund 170 Exponate: ¿Die letzten Stunden von Herculaneum¿ werden zum Beispiel durch gut erhaltene Skelette aus den Bootshäusern am Strand wieder wach gerufen sowie durch Holzmöbel und kostbarste Wandmalereien, Goldschmuck und Bronzeskulpturen aus dem Archäologischen Nationalmuseum von Neapel.

Ein Höhepunkt der Schau werden zwei antike Papyrusrollen aus der berühmten Villa dei Papiri sein, der weltweit einzig erhaltenen römischen Bibliothek. Sie gehörte wahrscheinlich dem Schwiegervater Caesars. Damit die Architektin Barbara Hähnel-Bökens die Ausstellung in Haltern gestalten kann, ist das Museum seit Anfang April komplett geschlossen. Aßkamp: ¿Wir wollen eine Ahnung verschaffen, was diese Katastrophe bedeutet hat und welche Kultur der Vulkanausbruch begraben und letztlich für uns konserviert hat.¿

Tödliche Wolke aus dem Vulkan
Erst seit wenigen Jahren weiß man, wie sich die Tragödie in Herculaneum abgespielt hat. 1982 stießen italienische Kanalarbeiter durch Zufall auf die antiken Bootshäuser von Herculaneum. Dort hatten über 300 Menschen, zusammengedrängt im Dunkeln, durch die glühendheiße Asche einer so genannten pyroklastischen Wolke in Sekunden den Tod gefunden.

¿Diese 400 Grad Celsius heiße Wolke, nicht Gesteinsbrocken oder Schlamm aus dem Vesuvausbruch haben die Menschen damals umgebracht¿, erläuterte am Donnerstag in Haltern Prof. Dr. Giovanni Orsi, Vulkanologe am Vesuv-Observatorium Neapel. ¿Die dicht bevölkerte Bucht von Neapel mit dem Vesuv und dem benachbarten Vulkangebiet der Phlegräischen Felder gehört zu den gefährlichsten Vulkanregionen der Erde. Um der Geschichte des Berges auf die Spur zu kommen, untersucht das Vesuv-Observatorium auch vergangene Ausbrüche. Dadurch war es möglich, auch die Katastrophe des Jahres 79 n.Chr. minutiös zu rekonstruieren, als die Wolke mit 500 Kilometern pro Stunde die Hänge des Vesuvs hinunter raste¿, so Orsi weiter, dessen Institut (gegründet 1841) die weltweit älteste vulkanologische Forschungsstation ist.

Dank neuer wissenschaftlicher Techniken waren die Forscher in der Lage, die Skelette von Herculaneum zu ¿lesen¿, so Projekt-Initiator Prof. Dr. Dieter Richter (Universität Bremen). Die Knochen lieferten italienischen und amerikanischen Anthropologen präzise Informationen über Geschlecht, Aussehen, Alter und Ernährung der Menschen, über ihre Krankheiten, ihren sozialen Stand und die Art ihres Todes. Viele litten an Erkrankungen der Atemwege, an Tuberkulose und Knochenbrüchen. An zahlreichen Skeletten lassen sich die Spuren harter Arbeit ablesen. Und keiner der Menschen, die am Strand von Herculaneum starben, war älter als 60 Jahre.

Richter: ¿Herculaneum ist zu einem spannenden Lesebuch über Leben und Sterben in einer römischen Kleinstadt geworden. Man kann sich den 24. August 79 gut vorstellen - ein Sommertag am Golf von Neapel, Fischer ziehen ihre vollbeladenen Boote an den Strand. Eine frische Brise weht vom Meer, während sich die wohlhabenden Römer in den Gärten ihrer luxuriösen Sommervillen entspannen. Niemand ahnt, dass in ein paar Stunden gegen ein Uhr nachts der Vesuv ausbrechen und die ganze Stadt unter einer glühendheißen Lawine aus Asche, Schlamm und Bimsstein begraben wird.¿

Die Wiederentdeckung Herculaneums
Herculaneums Entdeckung begann vor fast 300 Jahren: Als ein Bauer 1709 im Ort Resina, dem heutigen Ercolano, einen Brunnen grub, stieß er auf Marmorblöcke römischer Zeit. Davon hörte der österreichische Prinz von Elboeuf, der sich an der Bucht von Neapel eine Villa errichten lassen wollte. Mit mühsam in den vulkanischen Tuff gegrabenen Stollen ließ er nach weiteren Kunstwerken suchen. Das erste Gebäude des vor über 1900 Jahren verschütteten Herculaneum war gefunden: das Theater. Dies war der Beginn der Ausgrabungen von Herculaneum, schon Jahrzehnte, bevor man Pompeji entdeckte.

Die Nachrichten über die wiedergefundene Stadt breiteten sich wie ein Lauffeuer durch Europa aus. Neben Presseberichten spielten dabei Reisebeschreibungen, gelehrte Abhandlungen und illustrierte Werke eine wichtige Rolle. Auf diese Weise wurde die verschüttete Antike am Golf von Neapel zu einem neuen touristischen Anziehungspunkt. Zahlreiche Besucher vor allem aus England, Frankreich und den deutschen Ländern kamen, um Augenzeugen der unerhörten Ereignisse zu werden.

Mit Fackeln bewaffnet stieg man durch die schmalen, schlüpfrigen Gänge in das verzweigte Labyrinth des unterirdischen Theaters hinab und bestaunte die zutage gekommenen Schätze im königlichen Schloss in Portici. Eine neue Form des Tourismus war entstanden.

Mit den Funden aus Herculaneum und Pompeji brach sich ein neuer Stil in Europa Bahn. Architekten, Maler, Dekorateure, Möbeltischler, Goldschmiede, Porzellankünstler begeisterten sich für den Geschmack ¿der Alten¿. Kunsthandwerker benutzten Abbildungen antiker Gebrauchsgegenstände als Vorlagen für eigene Schöpfungen. Wandmalereien aus Herculaneum und Pompeji wurden zu Vorbildern für Wanddekorationen in Schlössern und Bürgerhäusern. Die Wiederentdeckung der antiken Städte am Golf von Neapel wurde die Geburtsstunde des europäischen Klassizismus.

Die Villa dei Papiri
750 ebenfalls bei der Anlage eines Brunnens wurde die größte und luxuriöseste Privatvilla der Römischen Welt entdeckt, die Villa dei Papiri.
Man grub sie bis 1764 durch ein System von Schächten und Stollen aus. Dabei ging es den Ausgräbern vor allem darum, Kunstschätze aus der Villa ans Licht zu holen.

Heute liegt die Villa dei Papiri 30 Meter unter dem Niveau der modernen Stadt. Die mehrstöckige, über 250 Meter lange Villa mit Säulenhallen, Meeresterrassen und Aussichtspavillon grenzte an einen Fluss, der sie vom Ort Herculaneum trennte.

Erbauer war vermutlich der Schwiegervater von Julius Caesar, Lucius Calpurnius Piso Cesonius, Kon-sul des Jahres 58 v.Chr. Seine Familie bewohnte die Anlage wahrscheinlich noch beim Ausbruch des Vesvus. Sie müssen große Kunstliebhaber gewesen sein: Neben qualitätsvollen Wandmalereien und Mosaiken kamen mehr als 70 Skulpturen aus Bronze und Marmor zu Tage. Sie schmückten den über 100 Meter langen Garten und die ihn umgebenden Säulenhallen.

Bei den Ausgrabungen stieß der Schweizer Bergbau-Ingenieur Karl Weber auch auf einen großen Raum voller Schränke, in denen mehr als 1700 schwärzliche Päckchen lagen, die der Villa ihren Namen gaben: Rollen aus Papyrus. Die weltweit einzige antike römische Bibliothek war gefunden. Die Forscher hofften auf noch unbekannte Schriften großer antiker Autoren. Doch die schwierige Abrollung und bis heute nicht abgeschlossene Entzifferung machten nur Werke weniger bedeutenderer Autoren lesbar, vor allem Schriften des griechischen Philosophen Philodemos von Gadara.

Ab 21. Mai:
Die letzten Stunden von Herculaneum
Westfälisches Römermuseum Haltern
Weseler Straße 100
45721 Haltern am See

https://www.herculaneum-ausstellung.de
https://www.roemermuseum-haltern.de



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




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