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Mitteilung vom 28.12.04

Presse-Infos | Der LWL

Filme nicht zum Berieseln
Interview mit Leiter des Westfälischen Landesmedienzentrums

Bewertung:

Münster (lwl). Dr. Markus Köster leitet das Westfälische Landesmedienzentrum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster. Neben anderen Aufgaben produziert es audiovisuelle Bildungsmedien zu landeskundlichen Themen. Ein herausragendes Projekt des Jahres 2003 war der Film ¿Dir gehört mein Leben¿ über das Geschwisterpaar Anna und Hermann Scheipers.

Herr Dr. Köster, was muss ein Mensch vorweisen können, damit Sie seine Lebensgeschichte verfilmen?

Erstmal muss er eine spannende und außergewöhnliche Biographie haben. Die muss aber auch geeignet sein, historische Entwicklungen deutlich zu machen oder beispielhaft für einen Abschnitt der Geschichte zu stehen. Schließlich sind unsere Medien für die historische Bildungsarbeit konzipiert. Außerdem sollte das Thema einen Bezug zur Region Westfalen-Lippe aufweisen. Und nicht zuletzt muss das Projekt mit unseren bescheidenen finanziellen Mitteln zu realisieren sein.

Dann war die Arbeit mit Pfarrer Hermann Scheipers für Sie ja ein echter Glücksfall.
Da hat alles gepasst. Pfarrer Scheipers stammt aus Ochtrup und hat unter den Nationalsozialisten über vier Jahre im KZ Dachau gesessen, weil er sich für polnische Zwangsarbeiter eingesetzt hatte. Seine Zwillingsschwester Anna ist bis zum Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgedrungen, um ihn
vor der Gaskammer zu retten. Auch später, als Priester in der DDR, hat Pfarrer Scheipers nie ein Blatt vor den Mund genommen. Sein Leben und das seiner Schwester steht für enorme Zivilcourage unter zwei Diktaturen.

Gewinnt ein Film an Wert, wenn die Hauptperson ihre Geschichte selbst erzählen kann?
Meist schon, denn die Arbeit mit Zeitzeugen bietet eine tolle Gelegenheit, abstrakte Daten und Fakten anhand eines einzelnen Lebens begreifbar zu machen. Die Schülerinnen und Schüler lernen
jemanden aus Fleisch und Blut kennen, der das selbst erlebt hat, was man sonst nur aus Büchern kennt. Es muss aber jemand sein, der - wie Pfarrer Scheipers - von seinem Schicksal nicht nur erzählen kann, sondern auch darüber reden will.

Können solche Erfahrungsberichte das Büffeln von trockenen Fakten ersetzen?

Nein. Aber sie sind Facetten, die das Gesamtbild einer Epoche ergänzen können. Lehrer und Schüler werden nicht davon entbunden, diese persönlichen Erinnerungen mit der Realität abzugleichen und in einen historischen Kontext einzuordnen. Unsere Medien müssen im Unterricht adäquat eingesetzt werden: Sie sind nicht zum Berieseln da, sondern um mit den Inhalten zu arbeiten.

Warum legen Sie bei Ihren Projekten derzeit einen Schwerpunkt auf das ¿Dritte Reich¿?

Zum einen drängt die Zeit, die Zeitzeugen werden immer weniger. Zum anderen ist das öffentliche Interesse groß, das Thema nimmt im Unterricht viel Raum ein. Darum produzieren wir im Moment unter anderem eine didaktische DVD zur deutschen Besatzungszeit in den Niederlanden. In einem neuen Filmprojekt wollen wir die Geschichte eines Jungen aus der Arbeiterbewegung erzählen, der begeistert der Hitlerjugend beitritt und mit der Zeit große Zweifel am NS-Regime bekommt.


Das Westfälische Landesmedienzentrum

Das Westfälische Landesmedienzentrum, eine Einrichtung des LWL, feierte im November 2003 sein 75-jähriges Bestehen. 1928 als Landesbildstelle gegründet, versteht es sich heute als regionaler Dienstleister für die Vermittlung von Medienkompetenz in Schule und Weiterbildung. Zugleich fördert es mit seinem Bild-, Film- und Tonarchiv und seiner landeskundlichen Medienproduktion das Wissen über die Kulturlandschaft Westfalen und stärkt damit das Bewusstsein regionaler Identität.

Zu den Aufgaben des Landesmedienzentrums gehört auch die Produktion von Filmen. Seit einigen Jahren liegt dabei ein Schwerpunkt auf Porträts über Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts, speziell der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges. Neben dem Film ¿Dir gehört mein Leben¿ über das Schicksal der Zwillinge Anna und Hermann Scheipers ist bereits die Produktion ¿Die Last der Erinnerung¿ über das Leben des Juden Helmut Noach erschienen.

Mehr Infos unter:
https://www.westfaelisches-landesmedienzentrum.de



Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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